Kapitel 45

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Meine Gedanken rasten und widersprachen sich in vieler Hinsicht. Schlimmer wurde es, wenn das Gegenüber einen erwartungsvoll ansah. Zumindest wartete Nero auf eine Entscheidung meinerseits, denn er hatte seine längst gefällt. So schön es war, dass er ganz genau wusste, was er wollte. Aber in mir herrschte ein Kampf.

Es ewig hinauszuzögern würde niemanden helfen, weshalb ich mich räusperte. Das gab ihm zwar keine Info, jedoch kam mir nichts anderes über die Lippen.

Warum setzte man mich derart unter Druck?!

Wobei seine grünen Augen mich sanft musterten und er keinen Stress machte. Eigentlich gab er mir die Zeit, welche ich gerade nötig hatte.

Nein, ich sollte ehrlich sein.

Ganz leise flüsterte ich: "Bevor ich es gewusst habe, wer du wirklich bist, hätte ich sofort Ja gesagt." Im Grunde war das der Einstieg zu einer Ablehnung, dennoch hob Nero seine Hand und streichelte sanft mit seinem Daumen über meine Wange. Ich lehnte mich in die Berührung, denn sie war viel zu schön.

Meinen Mund öffnete ich gerade, um fortzufahren, allerdings schloss ich ihn im nächsten Moment wieder.

Wollte ich ihn wirklich ablehnen?

Mein Herz wollte ihm um den Hals fallen. Mein Verstand schrie ein gigantisches Nein von den Dächern.

Nero hingegen war Herr seiner Stimme, denn er fragte: "Was genau ändert das an mir persönlich?" Seine Hand ruhte weiterhin auf meiner Wange und nun legte ich die meine auf seine.

"Diese Info ändert praktisch alles. Ein Mafiaboss zu sein ist keine Kleinigkeit. Diesen Job kannst du schlecht mit dem eines Bäckers vergleichen."

Auf meine Aussage ging er nicht direkt ein und fragte stattdessen: "Hast du Gefühle für mich?"

Mein Herz hämmerte mir bis zum Hals und ich überlegte zu kneifen. Aber ich konnte all meinen Mut zusammen kratzen, um zu hauchen: "Ja."

Wie könnte ich auch nicht? Dieser Mann war umwerfend.

Eine Weile sahen wir einander nur an, was sich magisch anfühlte. Die Location war gut gewählt. Wir waren alleine und hatten unsere Ruhe.

In diesem Moment gefangen, beugte ich mich schließlich zu ihm und Nero kam mir entgegen. Unsere Lippen trafen aufeinander und dabei schloss ich meine Augen.

Es war wieder ein kleiner Rausch und die Schmetterlinge in meinem Magen drehten vollkommen durch. Das musste man erst einmal bei jemanden fühlen.

Den Kuss hielten wir leider kurz, danach legte Nero gleich seine Stirn gegen die meine. Er flüsterte dabei: "Bleib einfach bei mir, Ever. Verlass mich nicht wieder." Ich öffnete meine Augen, allerdings hielt er die seinen geschlossen. Die Angst hatte man ihm angehört, also rechnete er damit, dass ich demnächst die Flucht ergriff.

"In nächster Zeit bin ich sowieso an dich gebunden, immerhin war der Deal, dass du auf mich aufpasst. Die Zeitspanne hängt ganz davon ab, wie lange Calvin für Ärger sorgt." 

Nun erwiderte er doch meinen Blick und löste sich gänzlich von mir. Er wollte wohl meinen Gesichtsausdruck ganz genau beobachten, für den weiteren Verlauf dieses Gesprächs. 

"Und danach? Wie soll es weitergehen, wenn Calvin dich in Ruhe lässt?" Seine Mimik war schwer zu deuten, denn er wollte es überspielen. Das gelang ihm sehr gut, denn ich könnte es nicht erahnen. Aber den Umständen nach, hoffte er, dass ich an seiner Seite blieb. 

"Eigentlich ist die Frage schwer zu beantworten. Das liegt in der Zukunft und man weiß nie, was bis dahin alles passiert oder wie sich die Dinge entwickeln."

"Dann eben wie deine aktuelle Meinung dazu ist. Bekomme ich ernsthaft einen Korb, weil du denkst, dass ich nicht lange, gut auf dich aufpassen könnte?"

Damit steuerten wir die falsche Richtung an, denn das entsprach nicht der Wahrheit. Ich verschränkte meine Arme und warf ihm einen leicht genervten Blick zu. "Nein, das ist falsch. Du bist sehr wohl ein guter Beschützer. Ich habe vorhin lediglich gesagt, dass dein Job vieles verändert."

"Ja, weil du denkst, dass es zu gefährlich ist." Davon schien er sehr überzeugt zu sein.

"Nein."

"Doch, natürlich. Außerdem willst du mich wirklich darauf reduzieren? Bis vor kurzem warst du mit einem Mafiaboss verlobt. Du hast sogar unter einem Dach mit ihm gelebt."

Ich warf aufgebracht die Hände in die Höhe und fuhr ihn an: "Das war erzwungen! Ich hatte keine Wahl! Schon mal davon abgesehen, dass ich keine Ahnung hatte, was er wirklich macht." 

Nero seufzte und stand auf, was mich überraschte. Ich hatte eher mit einer längeren Unterhaltung gerechnet, ohne das er vorzeitig abhaute. Offensichtlich hatte ich mich geirrt. 

Nebenbei sammelte er seine Schuhe ein und meinte: "Ich lass dich über all das besser nachdenken. Sofort eine Antwort zu verlangen wäre unfair. Am Ende ist es immer noch deine Entscheidung, denn ich werde dich zu nichts zwingen. Es ist dein Leben und damit kannst du machen, was du willst."

Er setzte sich in Bewegung, aber diese Worte lösten etwas in mir aus, weshalb ich aufstand. So sollte das nicht enden. Es mag nur für heute sein, trotzdem fühlte es sich falsch an. 

Gerade als er am Anfang des Stegs ankam, sagte ich: "Mein Herz sagt ja und mein Verstand sagt nein. Aber ich bin ein Herzensmensch und handle in dessen Interesse." Ich war leicht panisch, da ich Angst hatte, dass vielleicht doch er genug davon hatte. Ich machte es kompliziert, obwohl es theoretisch einfach sein könnte. Diese Sorte Mensch musste man erst mal im Kopf aushalten. 

Tatsächlich blieb er stehen, jedoch drehte er sich nicht zu mir um.  Die Chance nutzte ich und erklärte: "Es ist vollkommener Irrsinn, weil das absolut nicht meine Welt ist. Trotzdem bin ich wahnsinnig genug es versuchen zu wollen." 

Als keine Reaktion von ihm kam, verunsicherte mich das. Nervös trat ich von einem Bein auf das andere, denn wenn ich jetzt einen Korb bekam, dann war ich der Trottel. Dabei würde das wenig Sinn machen, immerhin hatte Nero mir erst vorhin seine Gefühle gestanden. 

Endlich drehte er sich zu mir und unsere Augen hatten einander gleich gefunden. 

"Ever, du kannst auch eine Nacht darüber schlafen und mir erst morgen eine Antwort geben. Niemand zwingt dich mir heute schon zu sagen, was du willst. Mir scheint, dass du nämlich unentschlossen bist." 

Ich schüttelte den Kopf, denn nun war es mir klar. "Nein, ich habe gerade beschlossen, dass es mir egal ist. Ich will dich und fertig." Das war mir überraschend leicht über die Lippen gekommen. Dabei waren solche Geständnisse gerne schwer. 

Auf Neros Lippen fand ein leichtes Lächeln und er kam langsam auf mich zu. "Dann werde ich jeden Tag mein Bestes geben, damit du bei dieser Meinung bleibst." Das konnte er gerne machen, nur konnte ich mir schwer vorstellen, dass ich jemals meine Meinung ändern würde. 

Bei mir angekommen, zog er mich sofort enger an sich. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen und wir kamen einander entgegen, um uns wieder zu küssen. Das war diese beste Art, um etwas zu besiegeln. 

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