Kapitel 59

484 50 15
                                    

Die Ungewissheit brachte mich fast um, weshalb ich hinter meinen Bodyguards hervorspähen wollte. Nur ließ man das nicht zu. Einer der Männer hielt mich weiterhin fest und die anderen beiden blieben vor mir stehen. Ich wollte dem Mann meine Arme entreißen, wodurch sein Griff lediglich fester wurde. Da könnte ich tun was ich wollte und würde von ihm gefangen bleiben. 

Die vorherige Stimme hatte ich natürlich erkannt, weshalb ich rief: "Nero!" 

Wenn meinem Verlobten etwas passiert war würde ich ausrasten. Es mag unwahrscheinlich sein, denn wenn Calvin leben würde, dann wäre doch längst eine Schießerei los getreten worden. Oder sonst wie hätten meine Bodyguards reagieren müssen um die Gefahr zu eliminieren. Aber nichts davon geschah. Es herrschte die vollkommene Stille und nichts weiter geschah. 

Bei dieser Ruhe musste es praktisch gut für Nero gelaufen sein. 

Trotzdem war diese Angst in mir, dass ihm etwas passiert sein könnte. Calvin war ein verdammter Verrückter, der würde in seinem Wahnsinn sicherlich Nero töten. Einem Mafiaboss könnte man das allgemein zutrauen, vor allem bei Erzfeinden. 

Ich wollte schon etwas sagen oder den Mann anschreien damit er mich losließ. Allerdings folgte nach einer gefühlten Ewigkeit die Frage: "Ever?" Das war Neros Stimme, die mich sofort Erleichterung verspüren ließ. Der Schuss war also mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihm gekommen und war an meinen Exverlobten adressiert gewesen. 

Eine weitere sehr vertraute Stimme meldete sich zu Wort: "Was zur Hölle macht ihr hier?" Nun machte sich Verwirrung in mir breit, denn mit meinem Bruder hatte ich als letztes gerechnet. 

Was wollte er ausgerechnet in Las Vegas?

Ich war zu überrascht von seiner Anwesenheit weshalb ich still blieb. Allerdings war Nero sehr wohl zu Worten fähig. "Ich würde dich ja dasselbe fragen, aber mit dem Toten vor unseren Füßen wird das offensichtlich, warum du dich hier aufhältst." 

Der Tote, dann hatten sie Calvin wirklich erledigt. Wer auch immer von den beiden, das hatte ich verpasst und nachhaken konnte ich später oder gar nicht. Wer weiß ob ich das überhaupt so genau wissen wollte. 

Auf die Frage meines Bruders ging Nero nicht weiter ein und sagte stattdessen: "Wir sollten verschwinden und jemand soll sich um das Problem hier kümmern." Das sogenannte Problem dürfte Calvin sein und mit all dem neuen Wissen, hatte mich das Bedürfnis verlassen hinter den Männern hervorzusehen. Ich hielt still und war dankbar, dass mir dieser Anblick erspart blieb. 

Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Leiche gesehen und das konnte gerne so bleiben. Mein Magen würde das vermutlich nicht mitmachen. 

Nun hörte ich Neros Stimme näher als er fragte: "Ever, ist alles in Ordnung?" 

Bei all den Bodyguards wäre es ein Wunder, wenn mir etwas passiert wäre. Offensichtlich war Calvin alleine gewesen, da waren die Chancen gering für ihn gewesen, obwohl er eine andere Meinung gehabt hatte. 

Nach einem Räuspern erklärte ich: "Ja, alles ist gut und bei dir?" 

Johnny vor mir drehte sich zu mir um, nur Phil blieb nach vorne gerichtet um einer möglichen neuen Gefahr gewidmet zu sein. Dabei wollte ich hoffen, dass es geschafft war. 

Obwohl es mich wunderte, dass diese Schießerei keine Hysterie oder ähnliches ausgelöst hatte. In unserer Nähe befand sich zwar absolut niemand mehr, dennoch war ansonsten Stille um uns. Die Autos auf der Straße fuhren einfach weiter als wäre absolut nichts passiert. Entweder lag es an der Angst oder es interessierte die Leute absolut nicht. 

Nero trat neben mich und musterte mich sofort von Kopf bis Fuß, dabei hatte man mir kein Haar gekrümmt. Es war alles bestens und niemand war mir zu nahe gekommen. Um ihm das zu versichern, sagte ich: "Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich wurde gut beschützt." 

Ich wurde weiterhin begutachtet, als müsste er sich selbst davon überzeugen, ansonsten schenkte er mir keinen Glauben. Wenn er sich besser fühlte, dann bitte. 

Wenigstens ließ mich endlich der Mann neben mir los. Ihm schien bewusst zu sein, dass ich an Ort und Stelle bleiben würde, solange Nero bei mir war.

Ian gesellte sich genauso zu uns, was nun Johnny dazu veranlasste sich in Bewegung zu setzen. Ich tippte darauf, dass er sich um Calvin kümmern würde, denn das musste noch erledigt werden. Ich wagte keinen Blick zum Tatort und wandte mich meinem Bruder zu, der mich fast schon entsetzt ansah. 

"Warum trägst du ein Brautkleid, Ever?"

Oh, das hatte ich ganz vergessen. Der Schock über Calvins Anwesenheit hatte diese Tatsache in den Hintergrund rücken lassen. 

Ich öffnete den Mund, aber schloss ihn kurz darauf wieder. An sich war es offensichtlich, immerhin trug man diese Sorte Kleid bei der eigenen Hochzeit. Ian sollte klar sein, warum ich es anhatte. Das Brautkleid wies darauf hin, dass ich hatte heiraten wollen.

Nero blieb gefasst und schnappte sich einfach meine Hand. "Zuerst verschwinden wir von hier, danach besprechen wir alles. Aber jetzt müssen wir abhauen. Vor allem soll Ever endlich an einem sicheren Ort sein." Von mir kam ein Nicken, denn das klang sehr vernünftig. 

Mein Verlobter zog mich schon mit sich, was ich gerne zuließ. Wir gingen den Gehsteig entlang und entfernten uns damit von dem Hotel. Ian hörte ich dabei hinter uns fragen: "Ihr wolltet ernsthaft heiraten?"

Das hatte er ja unfassbar schnell kapiert. Alleine das Kleid hätte es ihm längst ins Gesicht schreien sollen. Wobei seine Frage vorhin dem Schock zu verschulden sein dürfte. Man sah auch nicht alle Tage die eigene Schwester in einem Brautkleid. Dann war der Bräutigam sein bester Freund und unsere Beziehung war erst seit kurzem offiziell. 

Man sollte mit ihm nachsichtig sein, denn all das war sehr spontan.  

A Million Reasons | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt