Kapitel 15

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Ob ich geschlafen hatte?

Nein, ich hatte kein Augen zubekommen.

Ich lag in diesem verdammten Bett und starrte die Decke an. Ich hatte es ernsthaft versucht, aber am Ende sah ich nur nach oben und suchte vermutlich den Sinn des Lebens oder Antworten. Etwas, das niemals auf einer Decke stehen würde.

Es war beunruhigend, dass Calvin so gelassen und freundlich gewesen war. Da musste etwas ganz Böses kommen, außer ich war paranoid und bildete mir zu viel darauf ein. Nur war das derart unüblich für ihn, dass meine Angst durchaus berechtigt war. 

Vielleicht war sogar das seine Strafe, dass ich nun Panik hatte und Terror schob. Man könnte es ihm zutrauen oder mein Verlobter hatte tatsächlich gute Laune.

Nein, keine Ahnung.

Das mit den Blumen war ein gigantisches Problem. Immerhin hatten der Portier den Strauß gesehen. Ich konnte sie schlecht verstecken, denn irgendwie kam sowas immer auf. So viel Unglück hätte ich sicherlich.

Deshalb hatte ich sie in den Müll geworfen und würde Calvin davon erzählen. Das würde ihn sicherlich wütend machen, aber die wäre immer noch milder, als wenn ich es ihm verschweigen würde und er anders darauf kam.

Ich konnte nur das Beste hoffen. Alles andere würde mir die Zeit zeigen.

Mit einem frustrierten Grummeln schlug ich die Decke zurück, denn es war vollkommen sinnlos hier zu liegen. Ich fand keine Sekunde zur Ruhe und machte mich selbst wahnsinnig.

Ich setzte mich auf und schwang meine Beine über die Bettkannte. In meiner Verzweiflung fuhr ich mir einmal durch die Haare. 

Es fühlte sich alles derart falsch an, dass ich mir am liebsten die Haare direkt ausgerissen hätte. Wenigstens konnte ich mich zusammenreißen und stand mit Demotivation auf.

Theoretisch konnte ich das gut für mich nutzen. Ich könnte vor Calvin behaupten, dass ich unbedingt auf ihn hatte warten wollen, weshalb ich wach geblieben war. Vielleicht sammelte ich damit ein paar Pluspunkte. Den Versuch war es auf jeden Fall wert.

Während ich das Schlafzimmer verließ wanderten meine Gedanken wieder zu den roten Rosen, somit zu Nero.

Mir kam der naive Gedanke, dass er mir vielleicht doch helfen könnte. Nur würde ich am Ende damit Nero in Gefahr bringen. 

Die Vergangenheit gab es auch noch, was all das viel zu kompliziert machte. Er war damals in dem Alptraum verwickelt gewesen und das war mir klar. Wenn ich daran dachte, wurde ich wütend, aber genauso hegte ich die Hoffnung, dass mein Leben besser wurde, falls Nero den wirklich helfen konnte.

Es war das pure Gefühlschaos.

Das größte Problem dürfte sein, dass ich es kaum leugnen konnte, was für einen Effekt dieser Mann auf mich hatte und das störte mich am meisten.

Trotz allem war es verlockend sein Angebot anzunehmen, damit ich endlich von Calvin los war. Aber am Ende würde ich sicherlich wieder bei ihm landen und Nero hätte tausende Probleme.

Wobei es die Frage gab, warum mich das stressen sollte, wenn Nero es von sich aus anbot. Offensichtlich wollte er diese Probleme freiwillig auf sich nehmen, außer er hatte keine Ahnung in was er sich verwickeln würde.

Mein Ziel war das Wohnzimmer, welches ich schnell erreicht hatte. Einen Film zu sehen wäre eine Ablenkung, die ich gebrauchen konnte. Ich musste wenigstens irgendwas tun und vielleicht schaffte ich es mich darauf zu konzentrieren.

Nach drei weiteren Schritten in den Raum hinein, hörte ich die Haustür aufgehen, weshalb ich inne hielt.

Mein Herz fing zu rasen an und die Angst meldete sich. Nun war es soweit, dass ich erfahren würde, wie seine Laune wirklich war.

Ich riss mich zwanghaft zusammen, unterdrückte mit Mühe ein Zittern und drehte mich um, denn ich wollte ihm entgegen gehen. Es war wichtig, dass ich meine Rolle perfekt spielte, damit Schlimmeres verhindert werden konnte. Also setzte ich ein Lächeln auf und verließ das Wohnzimmer wieder.

Mit einer begeisterten Stimme sagte ich: "Calvin, endlich bist du Hause." Er kam in mein Sichtfeld und zog sich soeben die Schuhe aus. Mein Herz sprang mir nebenbei beinahe aus der Brust.

Seltsamerweise klang er gut gelaunt, als er antwortete: "Ja, ich habe mich genauso gefreut." Warum auch immer, aber das machte mich noch unruhiger. Es fühlte sich einfach falsch an, wenn mein Verlobter nach so etwas nett war.

Gerade als er sich aufrichtete, kam ich bei ihm an, weshalb ich ihn umarmen konnte, was erwidert wurde. Damit versuchte ich meine vorherigen Worte zu unterstreichen und zu beweisen, dass ich diese ernst meinte.

Calvin drückte mich fest an sich und meinte: "Es tut mir wirklich leid. Du hattest recht damit, dass wir deine Eltern nicht hätten besuchen sollen. Es war der pure Reinfall."

Er sah es mittlerweile so und ich fragte mich, ob ich meine Freikarte gefunden hatte. Manchmal war es faszinierend, wie schnell sich die Dinge ändern konnten.

"Ja, das war es wirklich."

Falls er bereits von dem Geschenk wusste, sollte ich das sofort ansprechen und hinter mich bringen. Also erzählte ich: "Jemand hat mir einen Strauß Blumen geschickt. Dir wird nicht gefallen wer."

Calvin löste sich von mir, um mir ins Gesicht sehen zu können, dabei hätte ich lieber nicht in seine Augen gesehen. Wenn man die Wut darin sah, konnte das unfassbar gruselig sein. Ich mag ein Angsthase sein, aber manchmal war es besser, wenn man es nicht direkt vor Augen hatte.

 Dennoch erwiderte ich den Blick und gab mir große Mühe, weder ängstlich noch leicht panisch auszusehen. Dabei fühlte ich das innerlich zu hundert Prozent.

Mein Verlobter musterte mich und scheinbar hatte er es doch nicht gewusst. Dabei wäre es gut möglich gewesen, dass er das irgendwie erfahren hatte. Entweder durch einen seiner Tricks, immerhin hatte er sogar gewusst, dass ich zu Hause war oder dank dem Portier. 

In einer verwirrten Stimme fragte Calvin: "Wer?"

Theoretisch konnte er sich das denken.

Ich musste mich räuspern und mir innerlich einen Ruck geben, um diese Antwort überhaupt erst über die Lippen zu bekommen. "Nero. Ich habe die Blumen gleich in die Mülltonne geworfen."

Calvin verdrehte seine Augen und meinte: "Wie erbärmlich er doch ist. Jetzt schickt er schon meiner Verlobten Blumen." Er gab mir einen kurzen Kuss und fuhr danach fort: "Keine Sorge, mit diesem Geschenk will er mich nur ärgern. Er wird dir nie wieder zu nahe kommen."

Bitte was?

Kein Drama? Keine Wut?

Das sollte so einfach gelöst werden?

Ich musste im falschen Film sein oder ich war doch eingeschlafen und das war ein Traum, welcher mir das Gefühl von einem halbwegs schönem Leben geben wollte.

Ich nickte, da es mir an Worten fehlte, und umarmte ihn erneut, ansonsten müsste ich ihn vermutlich küssen, was ich vermeiden wollte.

Calvin legte seine Arme fest um mich und sagte: "Dieser Mann kennt wirklich keine Grenzen, aber die werde ich ihm beibringen und das du mir gehörst, muss ich ihm scheinbar auch verdeutlichen." 

Mir schien, dass Nero längst mitten drin war. Einerseits tat er mir leid, andererseits hatte er selbst dran schuld. 

Ob ihm wohl klar war, was auf ihn zu kam, wenn man meinen Verlobten verärgerte?

Das könnte sehr böse enden.


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