Kapitel 47

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Der gestrige Abend hatte ein gutes Ende gefunden. Zwischen Nero und mir schien soweit alles geklärt zu sein. Jetzt hieß es nur noch abwarten, wie sich das entwickeln würde.

Soeben verließ ich mein Zimmer und die Nacht hatte ich überraschend gut geschlafen. Aber dank dem Mann mit den grünen Augen, hatte ich mich mit einem Lächeln ins Bett legen können.

Ich eilte den Gang entlang, weil ich es kaum erwarten konnte, ihn wiederzusehen.

Allerdings riss ich mich zusammen, als ich die Treppe hinunter ging. Ich sollte nicht zu viel von mir Preis geben, denn ein bisschen Diskretion konnte nie schaden.

Im Erdgeschoss musste ich nicht lange nach Nero suchen, denn er trat mit einem unverschämt gutaussehenden Lächeln aus dem Wohnzimmer. Schon am Morgen wurden meine Beine fast zu Pudding.

Wir gingen aufeinander zu und dabei erklärte er: "Ian ist unterwegs. Wir haben das Haus für uns alleine."

Oh, das waren tolle Nachrichten. Aktuell gäbe es kein Versteckspiel, wenn wir schon alleine waren.

Vor Nero angekommen, grinste ich auf zu ihm und sagte: "Guten Morgen." Die Begrüßung hatte noch gefehlt, weshalb ich das schnell nachholte. Danach konnten wir uns dem eigentlichen Thema widmen. Er gab mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn und antwortete: "Guten Morgen Ever."

Ich legte den Kopf schräg und fragte: "Wie wurdest du Ian los? Hast du ihn aus dem Haus geworfen?" Er zuckte mit den Schultern und meinte: "Ich hab ihm einen Auftrag gegeben, den führt er gerade aus."

Ich sah ihn mit einem tadelnden Blick an, wobei ich den Kopfschütteln musste. "Er ist sowieso bald weg, dann sind wir ohne Gesellschaft. Die kurze Zeit könntest du problemlos abwarten."

An sich war es allgemein unhöflich, wenn man jemanden los werden wollte. Vor allem hatte ich Ian zuvor eine Weile nicht gesehen, da war ich unter anderem auch dankbar für seine Anwesenheit. Es gab nach allem vieles nachzuholen.

"Er macht seinen Job, der schläft nicht. Ian muss das erledigen, da gibt es keine Wahl." Damit hatte Nero sich gut gerettet, eher klang es logisch. Bei einem Job in dem Ausmaß gab es sicherlich genug zu tun.

Eine Hand legte ich auf seine Brust und stellte mich auf meine Zehenspitzen, um ihm näher zu sein. Dabei flüsterte ich: "Wir sollten die Zeit nutzen, bevor er wieder hier ist."

"Ja, das sollten wir."

Ich gab ihm einen kurzen Kuss, der ihm offensichtlich zu wenig war, denn Nero beugte sich zu mir. Ich lehnte mich etwas zurück, damit ich dem ausweichen konnte, denn ich musste ihm etwas mitteilen.

"Nero, sicher nicht mitten am Gang, wenn jeden Moment einer deiner Männer auftauchen könnte. Dieses Szenario hatten wir bereits, wenn ich dich an gestern erinnern darf."

"Nein, wenn es darum geht, musst du dir keine Sorgen mehr machen. Sie haben alle den Befehl bekommen, dass sie entweder mit Erlaubnis oder im Notfall das Haus betreten dürfen. Ansonsten müssen alle draußen bleiben."

Ich schlug ihm leicht gegen den Oberarm, denn das musste ein Scherz sein. Mein entsetzter Gesichtsausdruck dürfte bereits vieles ausdrücken, aber ich fragte zusätzlich: "Bist du bescheuert? Der Befehl ist viel zu auffällig, damit schreist du es den Leuten praktisch ins Gesicht. Die denken sich jetzt alle sonst was."

Nero hingegen fand das lustig, denn er hielt ein Lachen zurück. Dafür hätte ich ihn am liebsten erneut geschlagen, wenigstens konnte ich das unterdrücken.

"Ever, die denken sich nur, dass ihr Boss seine Ruhe haben will. Es ist ein stressiger Job, da braucht man auch mal Privatsphäre." Danach zuckte er mit den Schultern, als wäre es damit abgetan.

Meinem Geschmack nach nahm er das viel zu locker. Am Ende erreichte der Tratsch noch Ian, dann hatten wir ein Problem. Es von jemand anderen zu hören wäre falsch. Wenn dann sollte mein Bruder diese Neuigkeiten von uns erfahren.

Nero war fest von seiner Meinung überzeugt, denn er hob mich einfach hoch. Er rechnete wohl keine Sekunde mit unerwünschtem Besuch, der uns stören konnte. Dabei war Ian weiterhin eine realistische Möglichkeit. Dem hatte der Mafiaboss wohl kaum denselben Befehl gegeben. Alleine, weil mein Bruder aktuell genauso in diesem Haus wohnte oder übernachtete.

Meine Beine schlang ich automatisch um ihn, allerdings warf ich ihm einen ernsten Blick zu. Er konnte gerne wissen, was ich darüber dachte. Nero störte das kein bisschen, denn er lächelte mich frech an und sagte: "Entspann dich, Ever. Du nimmst das alles viel zu ernst."

Mit einem Grummeln fanden meine Arme um seinen Hals, denn eigentlich konnte ich es selbst kaum erwarten ihn endlich richtig zu küssen. Trotzdem könnte es bessere Umstände geben.

Ich gab mir den Ruck und drückte meine Lippen auf die seinen. Nero ging natürlich sofort auf den Kuss ein, da wir beide darauf gewartet hatten.

Bei den Gefühlen, die dieser Mann in mir auslöste, war unser Gespräch bald vergessen. Viel lieber konzentrierte ich mich auf diese Perfektion, die seine Lippen auf den meinen waren. Wir waren wie füreinander gemacht.

Den Kuss zogen wir in die Länge, bis wir Luft nötig hatten. Ansonsten hätte das sicherlich noch eine Weile gedauert, aber so mussten Nero und ich eine Pause einlegen.

Meinen Kopf legte ich in den Nacken, weshalb ich die Decke bewundern konnte. Nach einem tiefen Luftholen ging es schon etwas besser.

Nero meinte: "Wenn ich könnte, würde ich dich sofort heiraten. Scheidung ist keine Option, deshalb hätten wir einander für immer an der Seite. Das klingt schön."

Wie verrückt war ich, wenn ich ernsthaft darüber nachdachte?

Mit Calvin mag ich viel mitgemacht haben, aber Nero kannte ich seit ich klein war. Bei ihm war ich mir sicher, dass er mir nie weh tun würde. Diese Möglichkeit bestand nicht. Ich vertraute ihm vollkommen und fühlte mich unglaublich wohl bei ihm.

Die Gefühle, die ich seit langem für diesen Mann hatte nicht zu vergessen. Trotz dem langen Abstand voneinander hatte ich ihn nie vergessen können. Mein Herz hatte stets nach ihm gerufen.

Ich konnte mich sogar mit seinem Beruf abfinden, dabei war Mafiaboss weit vom Standard entfernt.

Langsam senkte ich meinen Kopf, damit ich in diese wunderschönen grünen Augen sehen konnte.

Nero wollte gerade ansetzen, aber ich kam ihm zuvor, in dem ich fragte: "Warum machen wir das nicht wirklich?"

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