Kapitel 41

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Mit Nero und meinem Bruder hatte ich es mir im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Ich hatte sogleich die Couch beschlagnahmt und Nero hatte sich neben mich gesellt. Ian hatte einen der Sessel auserwählt und damit bildeten wir eine nette Runde. 

Die Kopfschmerzen ließen mit jeder Minute mehr nach, was ein Segen war. Der Hammer in meinem Kopf schlug immer weniger fest zu. Das ließ einen klarer denken, trotzdem waren die Erinnerungen verloren gegangen, obwohl ich mir mein Hirn zermarterte. Es interessierte mich brennend was passiert war, weshalb ich Nero gemieden hatte. 

Was bitte könnte das sein?

Beim besten Willen fiel mir nichts ein, was vorgefallen sein könnte. Scheinbar war es ein schlechtes Thema gewesen, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit er auf den Tisch gebracht hatte. Mit Glück erreichte mich demnächst ein Geistesblitz und ich wusste es wieder. Oder Nero wäre so freundlich und klärte mich auf. 

Ian fragte gerade: "Hattet ihr wenigstens einen netten Abend, wenn Ever solche Folgen davon ertragen muss?" Natürlich lachte er dabei, weil es für ihn so unfassbar witzig war. Schadenfreude, das war ganz sein Gebiet.

Nero nickte und kam mir mit einer Antwort zuvor: "Ja, das hatten wir. Allerdings muss ich anmerken, dass deine Schwester die Idee mit dem Alkohol hatte. Ich habe sie sicherlich nicht abgefüllt." 

Mein Bruder warf ihm einen empörten Blick zu und meinte: "Mir ist bewusst, dass Ever ein schlechter Einfluss sein kann. Dir könnte ich nie etwas Schlechtes anrechnen."

Aja, einem Mafiaboss könnte er nie etwas Schlechtes anrechnen. Bei dem Gedanken könnte man lachend von der Couch fallen. Was für ein Glück, dass ich mich gut im Griff hatte und still blieb. Seine Aussage klang einfach vollkommen absurd und realitätsfern. In diesem Job konnte man praktisch kein Engel sein. 

Neros Blick landete auf mir, also erwiderte ich diesen. Er sah mich so erwartungsvoll an, etwas das mich unter Druck setzte. Offensichtlich wartete er auf den Moment, dass ich alles wieder wusste. Dabei standen die Karten schlecht, dass es mich erreichte. 

Ich hob eine Augenbraue als stille Frage, die Antwort war ein Kopfschütteln seinerseits. Er wollte es einfach nicht glauben, dass ich es vergessen hatte. Ich betrachtete es eher als ein Wunder, dass er ein vollständiges Gedächtnis an den letzten Abend hatte. 

Scheinbar wollte Nero mir auf die Sprünge helfen, denn an meinen Bruder gewandt, erzählte er: "Ever ist eine erwachsene Frau, daher habe ich sie gestern frei wählen lassen. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich sie vermutlich aufhalten sollen. Ich durfte sie sogar die Treppe hochtragen, da sie Probleme mit den Stufen hatte. Wenigstens war sie kooperativ was das betraf und ich konnte sie auf ihr Zimmer bringen."

Soso, die Treppe hochgetragen und die Stufen waren für meine Ungeschicktheit zu einer Bedrohung geworden. Man musste ihm lassen, dass es nett war das er mich aufs Zimmer getragen hatte. Ein selbstloser Akt, um mich vor meiner betrunkenen Unfähigkeit zu retten. 

"Danke, das muss ausgesprochen werden." Wieder bekam ich diesen gewissen Blick von ihm zugeworfen, der hundert Fragezeichen in meinem Kopf auftauchen ließ. Er wollte mir auf die Sprünge helfen, nur hatte das nicht den gewünschten Effekt.

"Kein Problem. Ich habe es gerne getan und dich ins Bett gebracht."

Der arme Mann hatte wirklich etwas mit mir mitgemacht. Er hatte mich sogar ins Bett bringen müssen, weil ich unfähig gewesen war. Nero tat mir leid, wenn ich das hörte.

"Tut mir leid. Das war definitiv zu viel Alkohol. Ich hoffe, dass du es mir verzeihen kannst, wenn man meine Vergangenheit kennt. Eine kleine Auszeit und Party musste praktisch sein." "Das mit Sicherheit, außerdem war es sehr angenehm." Da blitzte es in seinen Augen auf, nur konnte ich es kein bisschen zuordnen. 

Ian meldete sich zu Wort, in dem er sagte: "Endlich bist du weg von Calvin. Ich war unendlich erleichtert, als ich hörte, dass du bei Nero bist." Er klatschte in die Hände, womit er unsere volle Aufmerksamkeit bekam. "Wie genau geht es weiter? Steht bereits ein Plan?" 

Diese Entscheidung würde ich den Jungs überlassen. Die beiden dürften am besten wissen, wie man vor einem psychotischen Exverlobten floh, der ein Mafiaboss war. Ich würde ihnen mein volles Vertrauen schenken.

Nero ließ keine Sekunde auf die Antwort warten, denn er hatte bereits eine Vorstellung. "Fürs erste sollte Ever in meiner Nähe bleiben. Ich will nicht mal das kleinste Risiko eingehen, dass ihr etwas passiert."

Es mag sehr nett von ihm sein und auch gut gemeint. Nur war ich hoffnungslos in ihn verliebt und Abstand täte mir gut. Ansonsten himmelte ich ihn an und hätte ihn ständig vor der Nase. Das würde mir auf Dauer schlecht tun. 

Ich wollte schon meinen Mund öffnen und Ian als Bodyguard vorschlagen, nur antwortete er: "Das klingt vernünftig. Du bist die ideale Wahl, wenn es um einen Beschützer geht. Ich bin dir sehr dankbar dafür. Vor allem, weil ich weiß, dass du stets sehr gut auf sie aufpassen wirst. Dabei muss ich keine Bedenken haben." 

Da hatte mein Bruder einen Punkt. Der Mafiaboss neben mir hatte Ahnung von diesem Job. Für den Anfang würde ich es in seiner Nähe überleben. Trotzdem würde ich es kurz halten. Das mit dem Verliebtsein konnte eine wahre Grausamkeit sein. 

Während Ian aufstand, meinte er: "Wir sind auch Familie und die passt aufeinander auf. Meine Schwester ist für dich, wie deine eigene." 

Nein, da musste ich ihm Unrecht geben. Wenn Nero mein Bruder wäre, dann wäre ich niemals in ihn verliebt. In diesem Fall könnte ich ihn niemals als einen Verwandten bezeichnen. Dennoch würde ich das ums verrecken niemals aussprechen. 

Nero erwiderte genauso wenig etwas darauf und Ian deutete zur Tür, als er anmerkte: "Ich hole mir etwas zu trinken. Habt ihr auch Durst?" Beide schüttelten wir den Kopf und mein Bruder machte sich auf den Weg aus dem Raum.

Kaum verschwand er aus unserem Sichtfeld, widmete Nero sich mir, weshalb ich das genauso tat. Mit Glück bekam ich endlich die Aufklärung. 

Nero musterte mich und flüsterte: "Wenn er wüsste, was ich in meinen Gedanken mit dir mache, dann würde Ian dich nicht mal im nächsten Leben als meine Schwester betiteln." Das klang stark zweideutig. Außer es lag an meinem Hirn, welches offiziell durchdrehte. Oder der Tatsache, dass ich diesen Mann unbedingt wollte und das nur für mich. 

Doch, das war zweideutig gewesen.

Mein verdatterter Gesichtsausdruck wechselte kurz darauf in leicht geschockt um, denn das war der Moment in dem mir alles wieder einfiel. Der ersehnte Geistesblitz traf mich mit einer starken Wucht.

Wir hatten uns geküsst...

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