Kapitel 56

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In einem Moment dachte man, dass man bald heiraten würde, im nächsten fragte man sich, ob man sterben würde. Die aktuelle Situation in diesem Lift ließ die Frage berechtigt werden.

Der abrupte Ruck nach unten hatte mein Herz für einen Schlag aussetzen lassen, denn eigentlich hatte ich mit einem vollkommenen Absturz gerechnet.

Johnny und Phil hielten mich jeweils an einem Arm fest, damit ich nicht mein Gleichgewicht verlor. Ich hätte es zwar halten können, aber bei meinen hohen Schuhen war das ein lieber Gedanke. 

Mein Blick landete auf Johnny, der kein bisschen beunruhigt wirkte. Er musste praktisch seine Emotionen überspielen, denn das konnte niemanden kalt lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir abstürzten stieg meiner Ansicht nach mit jeder weiteren Sekunde, die wir hier drinnen verbrachten. 

Ich selbst schloss langsam mit meinem Leben ab, denn man sollte auch mal realistisch bleiben, egal wie gerne man optimistisch war. Aber dieser Mist hier hatte zu viele negative Umstände. 

Phil sagte in einer leicht angespannten Stimme: "Das haben sie sicher bald behoben und die Fahrt geht weiter." Da ich vermutlich ausgerastet wäre, wenn ich etwas erwidert hätte, hielt ich meinen Mund. So gut es ging sollte ich versuchen gefasst zu bleiben, damit diese Situation nicht vollkommen eskalierte. 

Gerade als mich die beiden Männer losließen, war ein lautes Krachen zu hören, welches mich zusammenzucken ließ. Sofort hielten mich beide wieder fest.

Bei diesem Geräusch war es für mich besiegelt, dass wir diesmal wirklich abstürzen würden, allerdings setzte der Aufzug seine Fahrt fort als wäre nichts gewesen. Es ging in einer normalen Geschwindigkeit für einen Lift nach unten, von den vorherigen ruckartigen Bewegungen war nichts mehr zu spüren. 

Richtig erleichtert war ich noch nicht, weil ich unbedingt hier raus wollte, dabei war es mir vollkommen egal in welchem Stock wir uns befanden. Nach unten konnte man genauso gut zu Fuß über die Treppe gehen. Ich wollte einfach nur aus diesem verdammten Lift. 

Phil hatte wohl denselben Gedanken, denn er drückte sofort auf die Taste mit der Eins darauf. Scheinbar waren wir mit den ruckartigen Bewegungen vorhin bis in den zweiten Stock gekommen, wenn mittlerweile der erste Stock der nächste Halt war. 

Es war dasselbe laute Geräusch zu hören als der Aufzug zu einem Halt kam. Einen Schrei vor Schreck konnte ich gerade noch halten. Diese gesamte Situation überforderte mich maßlos.

Ansonsten sagte niemand irgendetwas, denn jeder dürfte angespannt sein. Auch Johnny, egal wie gelassen er sich gegeben hatte. 

Mittlerweile war ich ganz auf die Türen fokussiert, denn ich ersehnte es mir, dass sich diese öffneten und wir uns in einem Stockwerk befanden, bei welchem wir aussteigen konnten. Ich würde es dem Lift zutrauen, dass er mitten im Schacht erneut stecken blieb. 

Ein positives Zeichen war das Ping, welches ertönte wenn man ein Stockwerk erreicht hatte. Mit einem Quietschen öffneten sich die Türen einen Spalt. Draußen war Licht zu erkennen, also waren wir nicht mitten im Schacht wie ich es befürchtet hatte. 

Phil und Johnny ließen ab von mir und gingen auf die Türen zu. Der Spalt war groß genug, dass sie mit der Hand dazwischen kamen, somit diese vollständig öffnen konnten. Die zwei Männern hatten nicht mal Probleme damit und hatten uns in kürzester Zeit den Weg frei gemacht. 

Trotzdem drehten sich anschließend beide zu mir, um mich zuerst nach draußen zu schaffen. Sie dachten nicht mal an sich selbst. Das wies wohl auf ihre Treue Nero gegenüber hin, denn um seine Zukünftige kümmerten sie sich zuerst. Oder wie die meisten anderen hatten sie Angst vor meinem Verlobten. 

Während wir auf den Gang hinaustraten, meinte Johnny: "Wir haben es geschafft, da ist nochmal alles gut gegangen." Phil stimmte dem zu und die anderen beiden Männer, die hinter uns gingen, genauso. 

Wir entfernten uns ein paar Meter von dem Lift und ich holte dabei ein paar Mal tief Luft. Ich musste mich zuerst ein bisschen beruhigen, danach konnte ich mich einer Unterhaltung stellen. 

Alleine wegen der heutigen Hochzeit hätte ich diesen Tag nie vergessen können. Mit diesem Erlebnis dazu, erst recht nicht mehr. Auf ewig wäre all das in mein Hirn eingebrannt und vermutlich mied ich in Zukunft Aufzüge. Sicher war sicher, man musste keine unnötigen Risiken eingehen. 

Als wir stehen blieben, drehte mich Johnny zu sich herum, um mich von unten bis oben zu mustern. Er wollte sich wohl nochmal vergewissern, dass alles in Ordnung war. Dabei hatte er die ganze Zeit direkt neben mir gestanden. Ihm dürfte bewusst sein, dass ich soweit ok war. Körperlich hatte ich keinen Schaden genommen. 

Ich hob meine Hände und erklärte: "Mir geht es gut, wie du weißt ist im Grunde nichts passiert." Meine Worte hielten ihn nicht davon ab mich skeptisch anzusehen. Mir kam eine Idee, weshalb ich zum Treppenhaus deutete. "Wie wäre es wenn wir nach draußen gehen? Uns allen täte frische Luft sicherlich gut." Es hatte wohl kaum nur ich das Gefühl hier drinnen zu ersticken. 

Außerdem war mir bereits das Hotelpersonal aufgefallen, welches genau aus dieser Richtung auf uns zu eilte. Die wollten zwar helfen, aber das war längst geschehen. Nun sollten wir uns alle von dem Schock einigermaßen erholen, danach konnten wir uns dem Rest widmen. 

Johnny bot mir seinen Arm an und antwortete: "Gerne." Ich hakte mich bei ihm unter, während ich antwortete:  "Danke, eigentlich für alles. Ihr habt alle vier da drinnen gut die Fassung gewahrt." 

Später sollte ich Nero darüber informieren was für tolle Männer er hatte. Gute Angestellte sollte man zu schätzen wissen. Und mich zu beschützen nahmen sie sehr ernst. Die Jungs waren definitiv qualifizierte Bodyguards. 

"Nichts zu danken, dafür sind wir da." Dennoch empfand ich es nicht als selbstverständlich. Ich wusste es zu schätzen und war dankbar. 

Das Personal war nur noch ein paar Meter von uns entfernt und ich war schon vorab von diesem Gespräch genervt. Vielleicht war es gemein, aber ich hoffte, dass das einer der Jungs übernahm. Die frische Luft hatte ich nämlich dringend nötig. 

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