Kapitel 9

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Seine Wohnung machte wirklich was her. Sie war hochmodern und auf den ersten Blick fehlte es an nichts. Zumindest bei den Räumen, welche ich bis zu diesem Zeitpunkt begutachtet hatte.

Mittlerweile saß ich mit Ian auf der Couch im Wohnzimmer mit einer Tasse Tee in der Hand. Dieses Getränk und seine beruhigende Wirkung halfen hoffentlich ein bisschen. Diese Hoffnung ließ ich mir nicht nehmen und klammerte mich an ihr fest.

Ich war ziemlich nervös, ob Nero auftauchen würde, da hatte man das Gefühl, dass man 20 Tassen mit Tee bräuchte, um halbwegs zur Ruhe zu finden. Meine Nerven machten zu viel mit. Keine Ahnung, wann davon der letzte riss. 

Ich betrachtete die Tasse und die Flüssigkeit darin war eigentlich kein bisschen spannend, aber es war besser als meinen Bruder in die Augen zu sehen. Das wagte ich aktuell nicht, ansonsten erkannte er vielleicht die Wahrheit darin, welche ich verbergen wollte. 

Ian stupste leicht mein Knie an, um meine Aufmerksamkeit zu erhalten. "Falls dich das mit Nero belastet, dann lass ich ihn nicht in die Wohnung. Wie klingt das?"

Für diese Aussage könnte man ihm direkt den Schädel abreißen, denn mir war bewusst, dass diesen Mann kaum jemand aufhalten konnte. In seiner jugendlichen Rebellion hatte Nero sich bewiesen, dass er keine Probleme hatte ein Schloss zu knacken. 

Das hatte die arme Schule zu spüren bekommen. Ein Randalierer war eingebrochen, aber sie hatten nie aufklären können, wer das war. Ian und er hatten ein paar verrückte Sachen in ihrer Jugend gemacht. 

Allerdings war es ein Wunder, dass sie clever genug waren, weshalb man sie nie erwischt hatte. Egal was die zwei Idioten angestellt hatten. 

An sich waren das Erinnerungen bei denen man lächeln oder lachen könnte. Denn es waren wirklich ein paar witzige Aktionen dabei, nur hatte sich viel zu viel geändert.

Ich hielt den Griff der Tasse fester und zog meine Lippen zu einer dünnen Linie. Eine Antwort wäre vieles, aber niemals freundlich, da sollte ich die Klappe halten. Ian tat mir nämlich einen Gefallen damit, dass ich aktuell bei ihm sein konnte. An der Stelle sollte ich höflich bleiben und vor allem nett. 

Ian seufzte und schien zu verstehen, dass keine Antwort folgen würde. "Was wollte Nero von dir? Er hatte bestimmt einen Grund dich aufzusuchen." 

"Vielleicht war ihm langweilig. Scheinbar ist ihm nichts Besseres eingefallen, also ging er mir auf die Nerven. Calvin fand das eher weniger toll, dann war ich noch in einer Bar. Wir hatten zuvor gestritten, deshalb bin ich abgehauen." 

Vielleicht kam er dadurch von der Idee ab, dass ich vor meinem Verlobten Angst hatte. Mittlerweile war ich mir sicher, dass mein Leben schlimmer werden würde, wenn ich den Mund öffnete. Das war der Grund, warum ich meinen Mund halten wollte.

Um abzulenken fragte ich: "Wie war es mit unseren Eltern in letzter Zeit?"

Seine Stimme wurde überraschend kalt als er eine Gegenfrage stellte: "Wie soll es denn gewesen sein?" 

Stimmt, eigentlich konnte ich mir das selbst beantworten. Die zwei konnten die reinste Plage sein und terrorisierten ihre Mitmenschen gerne. 

An dem Punkt konnte ich meinen Bruder kein bisschen verstehen. Er hätte gehen können und sich irgendwo ein neues Leben aufbauen. 

Aber nein, er war geblieben. Nero konnte er nie als Ausrede verwenden, denn er hatte überall seine Unternehmen. In dieser Gegend festgewachsen war er genauso wenig. Sie könnten praktisch von überall aus arbeiten, außer es hatte sich etwas geändert. Vermutlich sollte ich kein Urteil fällen, denn vielleicht waren mittlerweile andere Umstände vorhanden. 

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