Violett
Das Vibrieren meines Handys riss mich unsanft aus dem Schlaf. Blinzelnd öffnete ich meine Augen, nur um sie im nächsten Moment wieder zu schließen. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Kopf und zwang mich, schmerzerfüllt aufzustöhnen. Mein Körper fühlte sich bleischwer an und gleichzeitig wie ein Pudding. Verdammt, ich war ein verfluchter Vanillepudding! Erneut versuchte ich, meine Augen zu öffnen, was diesmal glückte. Vorsichtig tastete ich nach meinem Handy auf dem Nachttisch, bemüht, nicht wieder den Wecker vom Tisch zu stoßen. Ein weiteres Mal würde er mit Sicherheit nicht überleben. Auf dem Display erschien der Name meiner besten Freundin: Blue.
"Guten Morgen?" Meine Stimme klang schlimmer als die von Mrs. Brooks. Edith Brooks war unsere 83-jährige Nachbarin, die immer noch die Sau rausließ. Wein und Zigaretten waren ihre ständigen Begleiter, was man ihrer Stimme deutlich anhörte. Sie glich einer sterbenden Kreissäge. Wirklich grausam.
"In der Küche steht eine Tablette und ein Glas Wasser bereit. Ich wäre ja eigentlich daheim, aber es kam zu einem kleinen Zwischenfall, den ich noch erledigen muss," sprach Blue mit mir, als würde ich nicht sterbend im Bett liegen.
Wenn ihre Stimme nicht selbst so rauchig wäre, könnte man meinen, ich hätte mich alleine abgeschossen. Aber ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie wir gemeinsam an der Bar gesessen und danach zuhause eine Flasche Wein nach der anderen geleert hatten. Diese Frau war nicht nur die beste Anwältin, sie war der beste Trinker, den ich kannte. Vielleicht hatten ihre Eltern das bei ihrer Geburt bereits gespürt und sie deshalb Blue genannt. Der Name entsprach voll und ganz ihrer Persönlichkeit.
"Danke, du bist die Beste," brummte ich unwillkürlich in den Hörer.
"Die Beste bin ich erst, wenn ich uns gesund und glücklich nach Bakewell verfrachtet habe," Blue ignorierte mein Brummen gekonnt, weil sie wusste, dass es nur an meiner alkoholreichen Nacht lag.
Ihre Worte erinnerten mich prompt an den Grund, weshalb ich zum Alkohol gegriffen hatte. Hätte mein Bruder uns gestern gesehen, hätte er uns mit Sicherheit eine Predigt gehalten. Gabriel machte sich immer Sorgen um uns. Genau deshalb war er auch immer streng gewesen, wenn es um den übermäßigen Konsum von Alkohol ging. Vielleicht hatte es mit seinem Job zu tun, denn er war Polizist. Doch anders als ich war er nicht in eine Großstadt gezogen, sondern hatte sich entschieden, in der Kleinstadt zu arbeiten, in der unsere Tante gelebt hatte. Tante Flora. Vor zwei Tagen war sie einfach so von uns gegangen.
Ohne uns etwas zu sagen. Ohne mir etwas zu sagen, obwohl ich sie Anfang der Woche erst angerufen und nach ihrem Wohlbefinden gefragt hatte. Der Gedanke, dass eine der wichtigsten Personen in meinem Leben von dieser Welt gegangen war, traf mich hart. Und als mein Bruder mir das gestern Morgen gesagt hatte, konnte ich es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Gott, ich wollte ihr diesen Sommer von meinem Buch erzählen, das ich endlich veröffentlicht hatte. Dass es wundervoll war.
Dass es gut ankam und großartige Verkaufszahlen hatte, obwohl es mein erstes Buch war. Sie war wie eine Mutter für uns, hatte an uns geglaubt und uns unsere Träume leben lassen. Nur durch sie konnte ich mich für kreatives Schreiben begeistern und das Studium durchsetzen. Und Gabriel konnte den Beruf ausüben, den er schon immer machen wollte. Unsere Mutter hatte dazu eine ganz andere Meinung.
Für sie war Karriere, wenn man eines der drei großen Fächer studierte: Jura, Wirtschaft oder Medizin. Und wir hatten sie enttäuscht, weshalb unsere Beziehung nicht mehr so rosig war. Unser Vater hatte das ganze Chaos von Streit und Diskussionen nicht mehr miterlebt, da er vor zwölf Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. Ich war mir sicher, er hätte uns bei allem unterstützt. Manchmal fragte ich mich, wie die beiden sich ineinander verlieben konnten.
Seit dem Tod unseres Vaters hatte uns Mom nur noch selten nach Bakewell gelassen, weil Tante Flora uns angeblich Gespenstergeschichten in den Kopf setzte. Erst seit meinem 18. Lebensjahr war ich regelmäßiger gekommen, aber auch nur kurz im Sommer, da ich meistens für mein Studium arbeiten musste. Meine Mutter wollte nichts zahlen. Tante Flora und mein Vater waren sich ziemlich ähnlich, wobei seine Schwester ein noch größerer Freigeist war als er selbst.
Denn sie war Künstlerin, und ihre Gemälde waren wunderschön. Dass sie bereits mit 58 Jahren von uns gegangen war, war schrecklich. Es war nicht fair. Innerlich wusste ich bereits, dass ich gar nicht wissen wollte, wieso sie starb, denn mein Bruder wollte es mir nicht per Handy sagen.
"Es tut mir leid, das hätte ich nicht so sagen sollen. Tante Flora hätte noch leben sollen. Sie hätte dein Buch lesen sollen und ... sie war die Beste," sprach Blue mitfühlend. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. Blue und ich kannten uns schon seit Kindertagen. Ihre Eltern waren im Gegensatz zu meinen ein wundervolles Paar.
Camilla und Xander waren lustig, bodenständig und vor allem herzlich. Bevor das ganze Desaster mit dem Besuchsverbot losging, waren wir oft mit ihnen gemeinsam zu Tante Flora gefahren.
Deshalb zogen wir gemeinsam nach Bakewell, obwohl Blue dort Schwierigkeiten mit der Ausübung ihres Berufes haben würde. Andererseits sagte sie, es wäre eine tolle Auszeit, da sie mit ihren 27 Jahren schon ziemlich gefragt war. Bereits während ihres Studiums hatte sie viele Praktika gemacht und sich einen Namen gemacht.
Und in den letzten zwei Jahren hatte sie einen Fall nach dem anderen bearbeitet, nur um mich so gut wie möglich zu unterstützen und uns diese tolle Wohnung finanzieren zu können. Dabei muss man beachten, dass sie selbst auch keine leichte Jugend hatte.
Denn anders als bei meinem Vater starben ihre Eltern bei einem Autounfall, als sie 16 gewesen war. Und ihre Tante väterlicherseits war keine Tante Flora. Mütterlicherseits gab es leider keine Verwandten. Um dieser Hölle so schnell wie möglich zu entkommen, lernte und arbeitete Blue so hart wie niemand anderer.
"Das war sie wirklich. Aber ich freue mich. So können wir Gabriel jeden Tag sehen und ein bisschen ärgern," witzelte ich, um die Stimmung zu lockern.
"Oh ja, das wird wirklich ein Spaß. Deshalb musst du jetzt diese verdammte Tablette schlucken und dich aus dem Bett werfen, um langsam deine Sachen zu packen. Wir ziehen um!"
Willkommen zu dem ersten Kapitel von Flirting with the Vet. Ein schönes Einstiegskapitel, wie ich finde. Ich freue mich, da mit diesem Kapitel eine kleine, aber schöne Reise beginnt, die euch hoffentlich raus aus der Realität befördert.
Also hopp hopp! Holt eure flauschige Decke, zieht euch etwas bequemes an und vergisst nicht die Kuschelsocken. Die dürfen natürlich nicht fehlen!
LG Fantasyideas :)
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Flirting With The Vet || Band 1
RomanceIn der malerischen Kleinstadt Bakewell kehrt Violett Craig nach Jahren der Abwesenheit gemeinsam mit ihrer besten Freundin zurück. Der Anblick von Connor, dem charmanten Tierarzt mit einem Lächeln, das jeden verzaubert, weckt in ihr Gefühle, die sie...