6: Du bittest die Falsche, meine Liebe

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Violett

Ich war kein Feigling.

Bis jetzt hatte ich mich jeder Herausforderung gestellt, manchmal hatte es länger gedauert, doch am Ende hatte ich sie gemeistert. Vielleicht nicht immer perfekt und souverän, aber ich war nicht feige gewesen.

Selbst als Blue wegen einem Job übers Wochenende weg war und ich allein mit einer hässlichen Spinne im Wohnzimmer lebte, hatte ich mich zusammengerissen und das Ding entfernt. Zwar hatte ich gebrüllt und öfters seltsame, würgende Geräusche von mir gegeben, sodass am Ende unsere Nachbarin geklingelt hatte, aber ich hatte diese Herausforderung geschafft.

Warum also war ich nervös an diesem Morgen? Die Nacht war angenehm gewesen, ich hatte gut geschlafen und das Vogelgezwitscher hatte mich liebenswürdig geweckt. Und der morgendliche Ausblick auf Tante Floras Garten war wunderschön gewesen. Selbst der Tag startete wundervoll, die Luft war frisch und die Sonne strahlte bereits am Himmel, der in einem sommerlichen blau getunkt war.

Selbst als ich in die Küche kam und Blue bereits ihren Kaffee aufgesetzt hatte, der seinen Geruch ausgebreitet hatte, beruhigte ich mich nicht. Meine Nervosität war immer noch da.

„Morgen", murmelte Blue zwischen ihren Schlucken.

"Morgen! Gut geschlafen? Heute ist wirklich ein schöner erster Tag, nicht wahr?", babbelte ich vor mich hin, als ich mir nebenbei einen Tee zubereitete. Heute entschied ich mich für Blaubeere. Ein kleiner Löffel Honig und etwas Zitronensaft und schon war mein warmes morgentliches Getränk fertig.

„Bist du wegen morgen nervös?", Blue sah mich fragend an. Natürlich hatte sie meine Nervosität bemerkt.

„Morgen?"

„Morgen ist die Beerdigung von Flora. Gabriel hat es doch gestern, bevor er ging, nochmal gesagt"

„Ja! Also ich habe es nicht vergessen, aber verdrängt, denn...naja...ja", stammelte ich, doch im selben Moment wussten wir beide, dass ich gelogen hatte. Es stimmte, dass ich es verdrängt hatte, aber es war nicht der Grund für mein klopfendes Herz. Blue seufzte. Sie stellte ihre Lieblingstasse – eine gezeichnete Katze, die den Mittelfinger zeigte mit der Aufschrift Fluff you, you fluffin fluff – und lief auf mich zu. Ihre Hände legte sie auf meine Schultern und schüttelte mich sanft. Ihre eisblauen Augen sahen direkt in meine.

„Du musst dich ein bisschen entspannen. Connor wird dich nicht fressen", sprach sie und machte eine kurze Pause, „Jedenfalls noch nicht"

„Bitte was?", platzte es aus mir heraus, als ich ihre letzten Worte hörte. Hatte ich sie richtig verstanden?

„Du bittest die Falsche, meine Liebe", zwinkernd entfernte sie sich wieder von mir, um sich eine weitere Tasse der schwarzen Brühe zu holen. Ja, anscheinend hatte ich sie wirklich richtig verstanden. „Gott, Blue. So ist es doch gar nicht", ich verdrehte die Augen, als ich über ihre Worte kurz nachdachte. „Ich bin nervös wegen ihm, aber nur weil das gestern peinlich war. Und wir uns schon lange nicht gesehen haben"

Ich nahm meinen Tee und schlürfte an ihm. Ich wollte mir nicht meine Zunge gleich verbrennen.

„Natürlich, tut mir leid", schmunzelnd nahm sie sich ihre Tasse und verließ die Küche. Wahrscheinlich würde sie in den Garten gehen, um ihn zu genießen, was ich ihr gerne nachmachen wollte. „Es ist schon halb zehn! Connor wartet sicher schon!", rief sie mir noch nach. Ich stöhnte auf, sie lachte los.

Dennoch hatte ich mich beeilt und da es heute wirklich ein schöner Sommertag war, hatte ich mich für ein leichtes Kleid mit Blumenprint entschieden. Durch die Straßen von Bakewell zu laufen, bescherte mir ein wundervolles Gefühl. Einige der eng einander liegenden Häuser, die aus Backstein bestanden, waren von Efeu bewuchert und die einzelnen Blumen, die an den unterschiedlichen Terrassen hingen oder vor den kleinen Läden standen, gaben den alten Fassaden einen gewissen Farbstich.

Flirting With The Vet || Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt