Kapitel 62

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Verlust.

Ihr bisheriges Leben wurde Emilia immer wieder damit konfrontiert. Öfter als manch anderer.

Ihre Eltern. Ihr Bruder. Ein Teil ihrer Selbst, nachdem sie bereits als Kind durch den Unfall und das darauffolgende Koma viele schöne Kindheitserinnerungen verlor.

Auch der vermeintliche Tod ihrer Freunde vor mehr als fünf Jahren und vor wenigen Monaten beim Kampf eben diese wieder zurück zu holen zeigte einmal mehr, wie schwer es ihr fiel, damit umzugehen.

Es war nicht so, dass sie nicht wusste, dass es dazu gehörte. 

Doch der Schmerz und dieses Gefühl der Leere war jedes Mal zu groß, als dass sie es ertragen wollte. Die innerliche Weigerung ihn zuzulassen war in dem Moment am größten, als sie nicht nur Bucky, sondern auch das Kind verloren hatte.

Wie ein Schlag ins Gesicht, der alles in ihr auslöschte.

Josephine tat ihr für diese Zeit gut. Sie half ihr, mit Allem klarzukommen. Dennoch war es nicht wirklich der richtige Weg, wie Emilia nun dank des Rituals feststellte.

Seit vier Tagen war sie nun schon alleine und auf sich gestellt in der kleinen Berghöhle. Einer der Stammesältesten der Jabari führte die kleine Zeremonie durch, bevor er sie zurück ließ.

Ganz alleine war sie nicht wirklich. Stück für Stück und mit jeder weiteren Schicht kam sie dem näher, was ihr die Erlösung bringen sollte.

Hanuman, Gott der bedinungslosen Liebe und Hingabe, wies ihr während alle dem den Weg.

Denn genau das war es, das sie verstehen musste: es gab keine bedingungslose Liebe und Hingabe ohne Verlust und Trauer. 

Und das hieß auch, hin und wieder egoistisch zu sein. Nicht nur, um sich selbst vor diesen Emotionen zu schützen. Vielmehr, um das zu bewahren, was einem am meisten bedeutete. 

Wie sehr sie sich gegen ihre eigenen Gefühle gewehrt hatte, war Emilia bis zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Josephine es umgekehrt nun auch endlich verstand.

"Ich wollte dich nur beschützen. So wie du nicht ohne mich leben kannst, kann ich auch nicht ohne dich existieren. Es tut mir Leid. Ich habe nicht sehen wollen, wie sehr dich das alles gequält hat. Ich habe geglaubt, nichts zu fühlen wäre die einzig richtige Lösung."

Das leise Knistern des Feuers durchbrach die nächtliche Stille. 

Durchsichtig, fast schon unsichtbar erkannte Emilia sich selbst in dem Flammenschein vor sich.

"Ist schon okay. Ich habe es dir auch nicht leicht gemacht, so sehr, wie ich mich dagegen gesträubt habe."

Ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen.

"Mir ist nun klar, dass es Augenblicke im Leben gibt, in denen man den Verlust akzeptieren muss. In denen man auch über seinen Schatten springen und handeln muss, um die zu schützen, die man liebt. Selbst wenn es bedeutet, dass man einen Teil seiner selbst dabei verliert."

Mit gesenktem Kopf sah Emilia in das lodernde rote Meer vor sich. Raphas Gesicht erschien vor ihren Augen. Sein Tod war das Mahnmal, welches sie von nun an mit sich tragen würde.

Nicht als Bestrafung, sondern als Warnung. Es gab Dinge, vor denen man nicht davonlaufen konnte - und sie wollte es nicht mehr tun.

Langsam glitten ihre Augen zurück zu Josephine. In ihren eigenen Augen erkannte sie, dass es Zeit war loszulassen, um wieder eins zu werden.

THE FADING FALLEN ● Bucky Barnes X OC ● 18+ ● DEUTSCH [BEENDET]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt