Kapitel 3;3 - Kalte Umarmung

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Seit diesem Ereignis waren die Tage verschwommen. Eine halbe Woche verging, ohne dass Dolunay den Eindruck hatte, die Welt zu berühren.

Jeder Atemzug schien durch ihren Körper zu sacken; kein Gespräch blieb in ihrem Ohr und die Finger waren so taub, als sei sie im Schlaf.

Die Nächte waren von Diskussionen eingenommen worden. Chase und Asche hatten sich komplett abgeschottet — nur vereinzelt sah man sie, wenn beide am Lagerfeuer spielerisch kämpften.

Je mehr die Zeit verging, umso angeregter wurde das Thema "Brus und seine Monster". Erste Leute, die zu Asches Gruppe gehörten, waren auf Dolunay zugegangen und hatten sie mit Fragen belagert. Doch die Aart wusste nicht, was sie erwidern sollte. Sie hatte sich mit dem Gedanken abgefunden, dass ihre Heimat erobert wurde... Stattdessen kämpfte sie mit Zweifeln; Überlegungen an den Tod und Fragen über das Leben.

Mittlerweile hatten sie einen Rückzugsort zugeschrieben bekommen, in dem sie unter sich waren.

Sie tappte in die Hütte, die auf der offenen Wiese stand. Innen war sie fein eingerichtet worden: altes Holz, Kamin und Trophäen an den Wänden.

Caden und Kenga saßen dort meist bis spät in die Nacht. Beide Männer hatten einen makaberen Humor angenommen. Je mehr sie miteinander redeten, desto anspruchsloser wurden die Unterhaltungen. Sie schienen sich nicht daran zu stören, dass Dolunay neben ihnen saß.

Dolunay war fast immer anwesend, doch fühlte sich, als sei sie nie tatsächlich ein Teil der Konversation.

Der Cruor wurde nie angesprochen.

Rhun verschwand daher auch oftmals. Caden und Kenga kümmerten sich vereinzelt um den kleinen Jungen — was sich als Katastrophe herausstellte.

Umso erleichterter war sie, dass das Kind nicht bei ihnen in der Hütte saß.

Dolunay lächelte, als Kenga zur Begrüßung die Hand hob.

»Na, steigst du heute ein?«, fragte er und deutete auf die gute Marmelade, um die er sich mit Caden jeden Morgen stritt.

»Ich würde gewinnen. Das wollt ihr nicht«, war ihre Antwort.

»Wir würden für dich nochmal anfangen.«

Sie schaute über seine Schulter, um in Kengas Karten zu schauen. »Du willst doch nur nochmal anfangen, damit du bessere Chancen hast.«

Sie ignorierte seine mürrische Antwort.
Mit müden Augen beobachtete sie stattdessen das angeregte Geschehen, bis Caden gewonnen hatte.

Gerade als dieser sich triumphierend zurücklehnte, wurde die Tür zur Hütte geöffnet.

Rhun stand im Rahmen und begegnete ihren Blicken. Das erste, was Dolunay ihn seit Tagen sagen hörte, war: »Hat Harding bereits geäußert, was er mit euch machen will?« Seine Stimme klang merkwürdig-hallend, metallisch, aber klar, als schreie man in einem leeren Treppenhaus.

Dolunay versteifte den Rücken.

»Mit euch?«, wiederholte Kenga. »Wieso nimmst du dich da raus? Willst du abhauen?«

»Es wäre unpassend, wenn ich mich als Teil eurer Gruppe bezeichne«, erwiderte Rhun. »Ich werde sehen, wann ich mich von euch trenne. Zumindest, wenn Harding mich bis dahin nicht umbringt.«

»Ich weiß noch nichts von einem Plan. Chase redet nicht mit uns.« Caden lehnte sich im Stuhl zurück. Die Marmelade hielt er triumphierend mit beiden Händen geschlossen. 

»Hatte Asche nicht gesagt, dass sie mit einem Angriff rechnet? Sie meinte doch, dass Soldaten über ihre Bekannten hergefallen sind? Die letzten Tage waren erstaunlich ruhig.«

Seele eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt