Kapitel 10;3 - Schnitte für die Liebe

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In Asches Augen brannte mehr als Hass. Ihr Blick schien tiefer zu sein als das Meer; und doch trüb wie ein See im Wald. Die Haut war bleich von starkem Fieber, die Stirn voller Schweiß und doch hielt sie sich aufrecht. Ihre Stimme schwankte zwischen Wut und Kraftlosigkeit: »Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen, oder...?«

Harding saß kraftlos in einem Stuhl — so, wie es ein Schuljunge tat. Er hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und drehte seinen Ehering um den Finger. Nichts war von dem Mann geblieben, der zuvor die Entscheidungen getroffen hatte. Stattdessen hatte er alles abgelegt, das ihn dominant wirken ließ. Nicht einmal den Blick konnte er heben. »Sichel. Es tut mir Leid.«

»Krass. Krass. Das kannst du sagen?« Sie beugte sich von der stützenden Wand vor. Einen Finger streckte sie vor, um auf ihn zu deuten. »Nachdem du mein Leben riskiert hast?«

»Ich wusste, dass du nicht sterben würdest. Aber Dolunay wäre-«

»Erzähl mir nicht, dass du das alles kalkuliert hast. Du hast mich ins Schwert fallen lassen. Ich hätte aufgespießt werden können! Und du hättest es nicht bereut!«

Dolunay stand an der Wand. Der Kampf im Dorf hatte geendet — irgendwie. Sie hatte weder bei den Berichten zugehört, noch bei Kengas erbärmlichen Versuchen, die Situation zu erheitern.

Seit einigen Stunden saßen sie im Haupthaus des Aart-Priesters. In einer kleinen Kammer hatten sich Harding, Oryn und Asche abgesetzt. Dolunay war irgendwo dabei — doch einmal mehr fühlte die Aart sich nicht, als sei sie fester Bestandteil des Geschehens. Dennoch hauchte sie: »Asche. Du hast Fieber. Lass uns das ein anderes Mal-«

»Es wird kein anderes Mal geben! Für keinen von euch beiden!« Die Frau gestikulierte zwischen Harding und Oryn umher.

Letzterer nickte. »Das verstehe ich. Vielen Dank für Ihren Einsatz.«

»Wie viele meiner Leute sind gestorben?«, fragte Asche donnernd.

»Etwa-«

»Nicht etwa!«

Oryn spannte die Schultern an. Für einen Moment sah er zu Dolunay. »Ich...«

Harding fiel dazwischen: »Sichel. Es tut mir Leid.«

Diese winkte ab. »Ich gehe jetzt schlafen, oder- Ich weiß nicht. Ich gehe nachhause — dahin schaffe ich es alleine. Ihr verschwindet. Mir egal wohin.«

»Es- Sichel.« Er lehnte sich zurück. »Lass dich behandeln.«

»Tu nicht so, als würde dich mein Leben interessieren. Du hattest nie ein Gefühl dafür, wie es ist, in Freiheit zu leben. Oder wie sehr man Menschen schätzen kann. Zumindest nicht, seitdem ich dich kenne.« Sie spannte den Kiefer an. »Ich weiß, dass du viel durchgemacht hast. Ich weiß, dass dein Leben nicht einfach war. Aber meines auch nicht! Ich habe gelernt, aus Brus zu verschwinden, noch ehe diese Stadt meine Gedanken verseucht hat! Ich habe Vertrauen gelernt.«

»Es tut mir Leid, ich habe nicht nachgedacht.«

»Es war dein Fehler.«

»Ich weiß.« Harding knackte mit dem Daumen.

Sie hielt sich den Kopf; schloss die Augen, ehe sie sich aufstellte. Sie hangelte sich am Tisch entlang; taumelte und schien mit jedem Schritt blasser zu werden. Als Dolunay ihr helfen wollte, schlug sie ihren Arm weg.

Das, was Asche im Raum zurückließ, war anders, als alles, was Dolunay erlebt hatte. Die Stille war leerer; die Gedanken in einer geballten Masse — doch sie fand keinen Begriff für ihre Eindrücke.

Dolunay schaute ihr nach — irgendwo in den Gang, der sich hinter dem Türspalt auftat. Sie suchte in Harding eine Antwort; doch da standen nur mehr Fragen. »Also gehen wir nach... Weyfris?«, hakte sie nach.

Seele eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt