Kapitel 27;1 - Zusammenhalt unter Gegnern

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Dolunay hasste, wie langsam die Tage vergingen, wie sie sich in Wochen erstreckten und nichts geschah, das auf eine Verbesserung der Lage hindeutete.

Wärme tauchte die Wiesen in frisches Grün, Vögel bauten im Dorf ihre Nester — allgemein kam der Frühling mit der freudigen Eindringlichkeit, die man von ihm gewohnt war.

Daher verbrachte sie die Tage häufiger draußen, um Felder anzulegen, oder am Fluss die Wäsche zu waschen. Die Abende verbrachte sie mit Oryn — anfangs eher zwanghaft, aber sie hatte sich an ihn gewöhnen können. Mittlerweile hatte sie ihn sogar lieb gewonnen, sodass sie das Alleinsein nicht mehr ertragen konnte.

Ihr persönliches Leben wurde besser —und Dolunay behauptete, tatsächlich zufrieden zu sein, wären dort nicht die Themen, die ihr nie aus dem Kopf gingen.

Es kamen in den letzten Wochen zwei kleine Gruppen Infizierter in das Dorf. Sieben waren es insgesamt — alle davon waren in Brus gebissen worden. Außerhalb der Stadt breitete sich ihre Mutation nicht aus. Solange sie niemanden mutwillig angriffen, waren sie daher keine Gefahr dafür, dass sich die Mutation bei ihnen ausbreitete.
Obwohl die Menschen bei vollem Verstand waren, hatte man ihnen vorsichtshalber ein separates Haus zur Verfügung gestellt.

Man sah die Monster oft in den Wäldern. Die Anzahl der Infizierten und Flüchtlinge stieg rasant — und es gab kaum etwas anderes, über das man reden konnte.

Jede Freude auf den Sommer wurde von Zukunftsängsten beschattet. Der Aart-Priester war in der Lage, sie zu beruhigen, indem er von seinen Visionen erzählte, wo angeblich alles in Ordnung sei.

Jeden Abend erzählte er davon — und jedes Mal konnte sie ihm weniger glauben.

Dolunay lief morgens barfuß durch das Haus. Sie rieb sich die trägen Augen, kämmte mit den Fingern durch ihre Haare und drehte beim Gehen eine Perle in ihre vordere Strähne.

Als sie Oryn an einem Tisch sitzen sah, gesellte sie sich zu ihm. Der Sohn des Priesters spähte wie erstarrt aus dem Fenster — und blinzelte nicht einmal.

»Träumst du wieder?«, fragte sie, während sie in den Korb griff, der neben ihr auf einem Stuhl stand. Wolle, Kleidung und Gemüse lagen in wilden Haufen im Inneren. Oryn sortierte ihre Ware nie, weshalb es Dolunays tägliche Aufgabe wurde, seine Kreationen zu falten.

»Hm, ja«, summte er. »Ich genieße die Sonnenstrahlen. Es ist schön draußen.«

»Dann geh doch raus.«

»Nachher.«

Dolunay musste die Augen zusammenkneifen, um nicht von Oryns Lichtkegel geblendet zu werden. »Wo ist der kleine Junge?«, fragte sie, während sie ein gewebtes Tuch in den Korb legte.

»Klein Namenlos ist bei dem Vieh.«

Die Hühner als Vieh zu bezeichnen schien Dolunay übertrieben, doch sie nickte. »Wie sieht es mit der Nachtwacht aus? Habt ihr etwas gesichtet?« Wenn sie selbst Nachtwache schob, saß sie auf den Dächern des Hauses und studierte die Umgebung jedes Mal aufs neue. Sie verbrachte Stunden damit, Katastrophen auszumalen und wie sie auf diese reagieren würde. Bislang war nichts vorgefallen — die Infzierten wagten sich zwar in das Dorf, aber niemals in großen Mengen — sie wäre dennoch jederzeit vorbereitet.

Die Infizierten zu töten war nicht mehr so tragisch, wie am Anfang. Dolunay hatte die Bewohner des Dorfs kennengelernt und als ihre Leute akzeptieren können. Besonders die wenigen Aart, die sich unter ihnen befanden, fühlten sich fast wie Freunde an.

Sie hatte so lang ihre eigene Art vermieden, dass ihr der Kontakt mit ihnen vorkam, als würde sie eine neue Familie finden können. Sie würde unter allen Umständen vermeiden, dass sie infiziert werden würden.

Seele eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt