Kapitel 7;2 - Feinde im Vertrauen

22 8 8
                                    

Als Rhun am nächsten Morgen aufwachte, fühlten sich die Ereignisse der letzten Nacht wie ein Traum an. Alles lag abgelegen und taub in seinen Erinnerungen. Selbst, wenn er sich anstrengte, konnte er nichts mehr erreichen.

Nach einigen Minuten des Überlegens wurde das Gefühl der Schlaftrunkenheit zu stark und er brach den Vorgang ab. Es war ihm egal. Im Kern wollte er nur seine Ruhe haben.

Einen klaren Kopf konnte er erst wieder haben, wenn er Declan vollständig los war.

Ganz davon abgesehen; das Dorf war in heller Aufruhr.

Das Streitgespräch unter Asches Leuten wurde nahtlos fortgeführt.

Sie kamen durch Schätzungen auf das Ergebnis, dass die Lebensmittel knapp wurden.

Rhun war der Meinung, dass diese Erkenntnis kein Grund war, wie auf einem Marktplatz herumzuschreien... Doch das — zusammen mit Beschimpfungen auf Brus und seine Einwohner — genügte, um die Menschen zu beschäftigen. Möglicherweise benötigten sie etwas, um die kalte Herbstluft zu erhitzen.

Sie standen im schüttenden Regen und diskutierten. Es musste später Morgen sein — die Sonne stand bereits am Himmel und bereitete sich auf einen kurzen Tag vor.

Trotzdem es donnerte, standen Chase und Asche unter einem Baum.
Wie es von der Dummheit der Menschen zu erwarten war, ignorierten sie die Blitze gänzlich. Das zwischen ihnen sah aus wie eine Verhandlung — Asches große Gesten ließen die Frau fast wahnsinnig erscheinen. Beide hatten sich von der Menschenansammlung entfernt, so, dass man sie nicht mehr sehen konnte.

Rhun stand irgendwo zwischen den Konfliktfeldern. Seine Gedanken waren noch träge vom Schlaf und Morgengeschmack lag auf seiner Zunge.

Als er Caden und Kenga bemerkte, hätte er beinahe erleichtert aufgeatmet. Beide hatten verwirrte Mienen aufgelegt. Als der Nachtschwärmer Rhun bemerkte, hob er nur ahnungslos die Schultern.

Er setzte sich neben sie auf die nasse Bank.

Die Gespräche der Siedlungsbewohner waren zu verwirrend, laut und ungehalten, als dass man etwas verstehen konnte.
Möglicherweise gab es sogar einen neuen Grund, dass sie in Panik gerieten.
Möglicherweise waren die drei Männer zu abgestumpft, um die Ernsthaftigkeit der Situation nachzuvollziehen.

Andererseits; Panik hatte nie einen guten Grund. Es war nichts innerhalb der Nacht passiert, was ihr Leben sofortig beenden würde.

Rhun beugte sich auf seinen Knien vor; starrte die rote Kleidung herab, die er jeden Tag trug. Er musste sie selbst waschen — am Fluss, stundenlang, weil niemand anderes es tun würde, oder zu seinen Ansprüchen könnte.

»Guten Morgen«, brummte er nun erst.

Caden drehte verwundert den Kopf. »Was ist hier los?«

»Ich hoffe nichts, wofür Declan verantwortlich ist.«

Kenga schaltete sich ein: »Der andere Cruor? Wo kommt der eigentlich auf einmal her?«

»Aus dem hintersten Loch.«

Der Nachtschwärmer schnaubte amüsiert. »Ich glaube aber nicht, dass der dafür verantwortlich ist. Er soll sich sehr ruhig verhalten, haben die Ärzte gesagt.«

»Er hinterlässt immer einen guten Eindruck. Niemand versteht, wie er wirklich ist«, gab Rhun zurück.

»Das müsst ihr auch. Sonst würde Harding euch wahrscheinlich nachts erwürgen.«

Rhun überlegte lange, bis er sich traute, seinen Gedanken auszusprechen: »Ist Harding tatsächlich gefährlich? Er wirkt bisher - nun... Wie sagt ihr Menschen? Als würde er bellen und nicht beißen.«

Seele eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt