Kapitel 28;4 - Letzte Worte blinder Richter

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»Da!«, schrie er in den leeren Raum; mit den unwirklichen Wänden, die in die Dunkelheit führten und wo das Licht einen Thron erhellte. »Da haben Sie mich endlich wieder!«

Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, die Stufen hinab fühlten sich an, als trete er in Leere. Die plötzlich kalte Luft im Raum konnte selbst der Mantel nicht von seiner Haut fernhalten.

Mit den Erfahrungen des letzten Mals schaute Rhun auf den Thron, der sich aus dem dunklen Gestein hervorhob. Er wollte sich nicht hinsetzen — sich nicht angreifbar machen, für die Monster, die wieder an seinen Füßen sitzen würden.

Und doch folgte er der Erfahrung.

Er ließ sich auf den Stuhl sinken; die Augen nach vorn gerichtet; Mimik geschürt. »Ich bin hier«, wiederholte er flüsternd.

Rotes Licht umringte den Thron; das einem Nebel gleich vor ihm waberte und Wellen schlug, als versuche es die wirkliche Welt zu imitieren, die Rhun erst kürzlich kennenlernen durfte.

Es freut uns, zu sehen, dass dir etwas an deiner Heimat liegt.

»Meine Heimat gibt es nicht mehr. Brus wird nie wieder so sein, wie es einst war.« Er könnte nichts verpassen und würde nichts vermissen.

Die kargen Wänden, leeren Straßen...
Rhun hasste Menschen — er war selbst einer — aber in Brus fehlten die Ansammlungen der Bewohner. Sie hatten der Stadt — die er ebenso gehasst hatte — ihr Leben verliehen.

»Sie sagten, Sie wollen verhandeln«, fuhr er fort, schüttelte dann den Kopf und blickte durch den roten Mantel, der den Thron umringte. »Das wollen Sie gar nicht. Ich wüsste nicht einmal, was es zu verhandeln gibt.«

Wieso bist du dann zu uns gekommen? Die Stimme war direkt an seinem Ohr — und kam nicht mehr aus dem Inneren seiner Gedanken.

Rhun fuhr seine Hörner mit den Fingern entlang. »Es gibt nur eine Möglichkeit, die Stadt zu retten. Ich bleibe bei Ihnen, und Sie ziehen die Monster zurück.«

Du wirst die Monster zurückziehen, sagte die Stimme. Es ist deine Aufgabe, deine Heimat zu retten. Wir geben dir lediglich den Raum, dies zu tun. Du musst uns zusammenhalten.

Rhun wartete darauf, dass direkte Anweisung kam. Er wollte nicht nachdenken und auf dem Thron verharren, bis seine Angst überhand gewann.

Der Raum hatte nichts einladendes. Es war ohnehin kein Raum — mehr eine ewige Unberechenbarkeit, deren Ende er nicht einmal erkennen konnte. Es gab keine Wände, nur rote Lichter.

Plötzlich würde Rhun gern erfahren, wie dieser Platz errichtet wurde. Doch manchmal musste er damit leben, dass Fragen besser unausgesprochen blieben.

»Ich weiß nicht, worüber ich mit Ihnen reden kann. Ich bin nun hier«, sagte er stattdessen.

Du hast Angst. Wovor fürchtest du dich?

»Sagen Sie mir, was ich tun kann, um dieses Unheil aufzuhalten«, lenkte er ab.

Das wirst du spüren. Sprich, wovor hast du Angst?

»Ich werde das nicht spüren. Bitte erklären Sie es mir. Was muss ich tun, wenn ich bei Ihnen bleibe?«

Cruor, du hast Gefühle. Wovor fürchtest du dich?

»Nein.« Gefühle — ja. Aber ein Cruor war er nicht.

Auch ein Mensch nicht. Rhun war eine Seele unter vielen — und als solche sollte er sich benennen.

Wir wollen deine Angst hören.

»Ich bleibe bei Ihnen. Helfen Sie mir endlich.« Rhuns Herz trommelte wild; Panik brodelte in seiner Kehle und Schwindel trübte seine Wahrnehmung.

Seele eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt