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POV: Lukas//Alligatoah

Gedankenversunken saß ich mit einem Tee auf der Terrasse meiner Wohnung und blickte stumm in den Himmel. Jessica fehlte mir sehr, obwohl wir täglich telefonierten und uns Nachrichten schickten, war es nicht dasselbe. Seit dem Nachmittag an meinem Geburtstag hatten wir uns nicht mehr gesehen, in den letzten Tagen fehlte mir auch die Zeit einfach mal nach Göttingen zu fahren. Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken.

"Hey Tim, alles gut so weit?", sagte ich zur Begrüßung.
"Hey, ja bei mir ist alles bestens. Ich habe gerade mit Basti telefoniert, er wird nächste Woche Mittwoch wieder kommen und dann treffen wir uns alle im Studio, es geht quasi um eine Hinterlassenschaft von uns als Trailerpark an unsere Fans. Wie geht es dir?"
"Gut so weit, danke. Um welche Uhrzeit sollen wir denn im Studio sein?", ich sprach immer gern mit Tim, aber mir war momentan nicht danach.
"Das kann ich dir noch nicht sagen, da meldet er sich nochmal. Äh... Lukas? Gut?"
"Ja, Tim, gut."
"Was ist los, Alter?", fragte er nach einer kurzen Pause.
"Das übliche halt... Feinschliff der Tour nächstes Jahr... Neue Produktionen... Und, und, und..."
"Und Jessie?", ich atmete tief durch, als er ihren Namen sagte.
"Sowieso... Ich habe momentan keine Zeit einfach mal 'schnell' nach Göttingen zu fahren, wir sind beide mit unseren Sachen beschäftigt. Kann ich nicht auch so ein Glück haben wie du?", ich lehnte mich tiefer in das Rattanmöbel.
"So ein Glück, wie ich? Wie darf ich das verstehen?"
"Bei dir und Ena läuft wohl nichts mehr? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Jedenfalls kannst du sie so oft sehen, das ist ja nun wirklich keine Entfernung, wenn man es so betrachtet..."
"Oh... Ähm...," Tim lachte auf.
"Tim? Na los, erkläre mir doch mal deinen Tonfall."
"Hey Lukas.", durch den Lautsprecher des Telefons hörte ich die Stimme von Ena.
"Hallo Ena, na geht es dir gut?", ich freute mich für Tim, aber meine Laune hob es nicht.
"Sehr gut, danke der Nachfrage. Ich habe diese Woche Urlaub und bin die Tage bei Tim."
"Freut mich sehr für euch, hast du heute schon etwas von Jess... Sekunde, es hat gerade geklingelt."
Mit dem Handy am Ohr lief ich zur Gegensprechanlage und öffnete die Tür des Wohnhauses.
"Wer ist es denn?", fragte Ena neugierig.
"Wahrscheinlich die Post, keine Ahnung.", es klopfte an meiner Wohnungstür.

POV: Ena

"Lukas?", sagte Tim in das Mikrofon seines Handys, "Zentrale an Strobel!"
Ich legte meine Hand auf den linken Oberschenkel von Tim und lächelte ihn zufrieden an.
"Was machst... Leute... Ich glaube ich muss mal auflegen.", Lukas beendete den Anruf.

Tim standen Fragezeichen im Gesicht und er sah mich erwartungsvoll an, er wollte eine Erklärung von mir. Ich begann ihm zu erzählen, dass Jessica mit mir gesprochen hatte, da sie überlegte einen zweiten Standort zu eröffnen und das vielleicht in Berlin. Ihre Eltern würden nächstes Jahr wegen ihrer Verwandtschaft wieder zurückziehen, daher hätte sie keinen Familienangehörigen mehr in der Nähe. Als sie mir davon erzählte, hatte sie mir gesagt, dass sie Lukas mit einem Besuch überraschen würde, wenn sie sich mögliche Standorte in der Hauptstadt anschaut. Ich drehte die Geschichte etwas, da ich nicht unbedingt die Person sein wollte, durch die Tim von der gemeinsamen Nacht von Jessica und Steven erfährt.

"Und davon hast du mir die ganze Zeit nichts erzählt?!", lachte Tim.
"Ja auch wir Frauen können schweigen, wie ein Grab.", erwiderte ich lachend, "Ich hoffe nur, dass sie Lukas gegenüber ehrlich ist.", mir rutschten dennoch die falschen Worte heraus.
"Wie meinst du das?", Tim blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ich verstummte und kratzte meine Stirn. - Shit... - "Süße... Was hat Jess getan?" Ich senkte meinen Blick in meinen Schoß. "Ena... Bitte...", sagte Tim.
"Jess... Hatte...", mein Blick war noch immer in meinem Schoß, ich hatte einen mächtigen Kloß im Hals und wollte nicht weitersprechen.
"Ja... Jess hatte..."
"Jess hatte Sex mit Steven.", flüsterte ich. Die Enttäuschung stand Tim ins Gesicht geschrieben. Er griff zu seiner Bong, die vor uns auf dem Tisch stand, um einen Kopf zu rauchen. Tim atmete den Rauch aus, stellte die Bong zurück und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.
"Sag mir bitte, dass das gerade ein schlechter Scherz ist.", er blickte mich an, ich schüttelte mit dem Kopf. "Wann? Wie kam es dazu?"
"Vor ein paar Wochen, noch vor der Verhandlung. Steven hatte einen kaputten Querlenker und seinen Wagen zu Jessie gebracht, als der Defekt festgestellt war, hat sie sofort per Overnight ein Ersatzteil bestellt. Auf seine Nachfrage hin hat sie ihm ihr Gästezimmer angeboten. Als sie vom Balkon wieder in die Wohnung gehen wollten, ist Jess über die Stufe vom Balkon gestolpert, Steven hat sie aufgefangen und aus dem Affekt heraus kam es zu einem Kuss, der immer intensiver wurde und eins führte zum anderen.", ich griff nach der Zigarettenschachtel auf dem Tisch, nickte Tim kurz zu und ging auf die Terrasse. Tim blieb auf dem Sofa sitzen und blickte zu mir durch das Fensterglas, mein Handy vibrierte in der Tasche meines Hoodies. Jessica hatte mir eine Nachricht geschickt.

"Eni...
Ich kann es ihm nicht erzählen...
Lukas hat mir gesagt,
wie sehr er mich vermisst hat
und nur an mich denkt...
Ich kann ihm nicht so in die
Fresse schlagen...
Was bin ich bitte für ein Mensch?!"

Ich wusste nicht, ob ich von meiner besten Freundin enttäuscht sein sollte. Als sie mir davon erzählte, hatte ich die ganze Situation gar nicht überdacht. Der Fakt, dass sie dadurch eine jahrelange Freundschaft zerstören könnte, wurde mir in diesem Moment erst bewusst.

"Du musst es ihm sagen!
Kannst du dir vorstellen,
was passiert bzw. wie
schlimm es wird,
wenn du das totschweigst?"

Tim kam zu mir raus, mein Handy steckte ich wieder in die Tasche des Hoodies.
"Ich hatte dir gesagt, dass ich Angst habe, dass der Knall noch kommt. Jess muss es Lukas sagen, wo soll denn das bitte hinführen?", ich sah ihn an und nickte stumm. "Wird sie es ihm sagen?"
"Tim, ich hoffe es. Soll ich jetzt nach Berlin fahren und Mäuschen spielen? Ich habe Jess genauso gesagt, dass sie es ihm sagen muss, eben weil Lukas so für sie empfindet. Sie hat mir gesagt, dass sie mit Steven darüber gesprochen hat, dass er sich darauf nichts einbilden soll und für ihn war das anscheinend okay. Es wird sich alles einrenken, glaub mir."
"Dein Wort in Gottes Ohr!"

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt