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POV: Jessica

Mit einem hochgebundenen Zopf und einem leichten Make-up stand ich etwa eine Stunde später vor dem Kleiderschrank. Ich wühlte mich durch meine Trailerpark-Shirts – Warum habe ich denn auch wirklich alle eingepackt? - und suchte nach dem richtigen Outfit. Schlussendlich betrachtete ich mich in dem großen Spiegel des Hotelzimmers, ich trug eine ausgewaschene blaue Skinny Jeans, das Shirt mit Coke-Busters-Aufdruck und dazu schwarze Air Max. In meine kleine Crossbody packte ich zuerst den Backstage-Pass, den Sudden mir am Rastplatz gab. Nachdem ich um 18:00 Uhr das Hotel verlassen hatte, ging ich zum naheliegenden REWE, um Zigaretten zu holen und lief danach zehn Minuten zur Waldbühne.

Die Ordner öffneten um 19:00 Uhr die Tore und ich drängelte mich immer weiter nach vorn. Nachdem meine Tasche kontrolliert wurde und ich den Eingang passiert hatte, holte ich mir schnell ein großes Bier und begab mich nach unten vor die Bühne. Durch die Masse drängelte ich mich zur ersten Reihe durch und platzte bald vor Freude.
Meine Erwartungen für das letzte Konzert von Trailerpark waren schon recht hoch.

Kurz nach 20:00 Uhr kam ein Mann, mit Sonnenbrille, in Begleitung von zwei Krankenschwestern auf die Bühne. Er war mir nicht bekannt und bei den ersten gesungenen Worten wusste ich warum.

"Elektriker, ich arbeite als Elektriker
Elektriker (so hier müssen wir aufpassen)
Elektriker, ich arbeite als Elektriker
Elektriker (hier unterschreiben bitte)..."

- Wäre der mal lieber Elektriker geworden. - "Ich bin Alexander.", hallte es durch die Boxen. - Danke, jetzt hat das Grauen wenigstens einen Namen. -
Als ich nach rechts blickte, sah ich die Jungs von Trailerpark. Basti redete mit Vortex, Sudden und Timi unterhielten sich ebenfalls und lachten, Alligatoah stand sehr gehalten auf das Geländer gestützt in seinem orangenen Anzug und blickte zur Bühne.

Gegen dreiviertel neun ertönte ein bekanntes Pfeifen und der Vorhang fiel.

"Sexualethisch Desorientiert, check!
Und brutal vom Tabletten konsumieren, check!
Meine Mum ist mit Krätze infiziert
Und in der Fresse tätowiert
Wir sind Trailerpark..."

Die Jungs hatten es geschafft, den Schock vom Anfang vergessen zu lassen. Bei jedem Lied schrie ich mir die Stimmbänder aus dem Leib und sang mit.

Als Alligatoah zusammen mit Sudden 'Hitler töten' performte, gab es einen Moment, der mich verstummen ließ. Sudden sah mich mit einem unbeschreiblichen Blick an. Er wirkte erst glücklich, gefolgt von Traurigkeit, kurzzeitig war sein Blick leer. Sudden zwinkerte, setzte seine Sonnenbrille wieder auf und sang den Song weiter. - Vielleicht habe ich mir das aber auch nur eingebildet. -

Das Konzert neigte sich dem Ende, die Jungs standen auf der Bühne, es ertönte 'can you feel the love tonight' und das Feuerwerk startete.
Als die Jungs von der Bühne verschwunden waren, gingen auch schon die ersten Fans. In aller Ruhe trank ich mein Bier aus und rauchte eine Zigarette, danach ging ich zur Security und zeigte meinen Backstage-Pass vor. Der hochgewachsene Mann winkte mich vorbei. Hinter der Waldbühne lief ich den Weg entlang, aus der Ferne hörte ich die intensive Stimme von Basti.

POV: Steven//Sudden

- Oh Mann, das war es jetzt also mit Trailerpark?! Für mich war es auf jeden Fall ein gelungenes letztes Konzert. Ich bin mir noch immer nicht sicher, aber ich glaube, die Kleine von heute Morgen, in der ersten Reihe gesehen zu haben. Jedenfalls hoffe ich, dass sie es war und ich nicht irgendeiner Alten zugezwinkert habe. - Mit einem Joint in der Hand stand ich am geöffneten Fenster und träumte vor mir hin. Das Klopfen an der Eingangstür holte mich aus dem Tagtraum, Vortex ging zur Tür und öffnete sie.

"Sudden anscheinend musst du jetzt deinen Umhang abgeben, unsere Heldin ist angekommen.", rief Igor in den Raum und Jessica trat ein. Sie sah atemberaubend aus. Die eng anliegende Kleidung schmeichelte ihrem Körper, das leichte Make-up und der hochgebundene Zopf, es war ein wunderschöner Anblick.
"Ey man, gib mal die Tüte... Sud? Ey...", Timi boxte mir gegen die Schulter.
"Was?!", ich sah ihn streng an und hielt ihm den Joint entgegen.
"Was ist dir denn über...", er verfolgte meinen Blick, der wieder auf Jessica lag. "Dein Ernst? Du stehst auf Jessie? Na los, geh zu ihr rüber und biete ihr ein Bier an. Vielleicht kommt ihr ja ins Gespräch. Ich denke, Igor kann sie entbehren, worüber soll er denn bitte mit ihr reden?", lachte Timi.
"Bist du sicher?"
"Seit wann hat Sudden, der sexy Ficker, Angst eine Frau anzusprechen?"
"Seit wann kontern Frauen, dass es dir die Sprache verschlägt? Was ist, wenn ich es mit meinem Verhalten von heute Morgen schon versaut habe?"
"Jetzt halt mal die Luft an... Hier nimm noch einen Zug, schnapp dir vom Tisch zwei Flaschen Bier und geh zu ihr hin."

POV: Lukas//Alligatoah

- Hat das gerade geklopft oder bekomme ich schon Halluzinationen? Ob das jetzt schon Jessie war? - Ich ging aus der Kabine der Toilette, wusch mein Gesicht mit etwas kaltem Wasser ab und blickte mich im Spiegel an. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, öffnete ich die Tür und blickte durch den Raum. Jessica stand nahe dem Eingang und blickte in die Richtung von Steven, der mit zwei Flaschen Bier in der Hand auf sie zulief. - Vor dir ist auch keine Frau sicher, Sudden... - Ich beobachtete, wie sie anstießen. Nach dem ersten Schluck ging ihr Blick kurz durch den Raum.

POV: Timi

Ich blickte zu Steven, der sich ein Herz gefasst hatte und auf Jessica zuging. Nachdem ich das Fenster geschlossen hatte, setzte ich mich auf die Couch und baute mir noch einen Joint. Alligatoah kam aus der Toilette, er blickte durch den Raum und blieb bei Jessica und Sudden hängen. Jessicas Blick ging durch den Raum und als sie bei Alligatoah hängen blieb, konnte man ein leichtes Lächeln ihrerseits erkennen, welches er erwiderte. - Oh nein, das habe ich bei ihm noch nie gesehen... Der steht doch jetzt nicht auch auf sie, oder? - Ich nahm eine Flasche Bier vom Tisch und ging auf ihn zu.

"Na Kroko, alles gut bei dir? Hier, Onkel Timi hat dir was mitgebracht.", mit einem Lachen überreichte ich Lukas die Bierflasche.
"Klar, danke man.", er sah die Flasche an und trank einen ordentlichen Schluck. Sein Blick senkte sich, als er wieder zu Jessica sah, die sich mit Steven unterhielt. 

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt