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POV: Jessica

"Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen à zweihundertfünfzig Euro verurteilt. Ebenfalls wird dem Anklagten untersagt, sich der Geschädigten auf mehr als einhundert Metern zu nähern.", sagte der Richter. Kreidebleich saß ich neben meinem Anwalt, ließ die Entscheidung des Gerichts auf mich wirken und schluckte. - Würde mir das Niklas wirklich von Hals halten? Allein, wie er mich die ganze Zeit schon ansieht, als würde es ein Nachspiel haben. Pff... Wegen Drogenkonsum als unzurechnungsfähig eingestuft und sowas kommt dann dabei raus... 'Keine Straftat bleibt unbestraft' - Die Blicke von Niklas bohrten sich in meine Seele.
Die Türen des Gerichtssaals öffneten sich und in Begleitung meines Anwalts verließ ich den Saal. Ich bedankte mich bei dem Herren für seine Unterstützung und verabschiedete ihn noch im Treppenhaus. Noch immer mit leichten Magenschmerzen ging ich die Treppen herunter, suchte in meinem leichten Mantel nach der Zigarettenschachtel, sowie meinem Autoschlüssel. Ich öffnete die Tür des Amtsgerichts. Wie angewurzelt blieb ich stehen, als ich in das vertraute Gesicht sah; ein leichtes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.

"Lukas?", sagte ich froh und lief auf ihn zu. Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. "Was machst du denn hier?", fragte ich und blickte ihm in seine Augen.
"Ich wusste ja nicht, was hier heute herauskommen würde und wollte für dich da sein, solltest du zu sehr enttäuscht werden.", sagte er und ich zog ihn wieder an mich heran, es bedeutete mir unglaublich viel, dass er in diesem Moment bei mir war. Doch die Freude war nicht von Dauer, sofort kam mir wieder die Nacht mit Steven in den Sinn. - Was bin ich denn bitte für ein Mensch? Wie konnte ich das Lukas nur antun? Wie soll ich ihm das nur sagen? -

"Herrlich, wirst du jetzt schon von deinem Bodyguard hier abgeholt? Wie soll sich der Lappen denn bitte verteidigen, schau dir das halbe Hemd doch mal an?", rief Niklas von der obersten Stufe herab.
"Pass mal auf, mein Freund, wenn du mein bestes Pferd im Stall beleidigst, bekommst du es ganz schnell mit mir zu tun.", Basti kam gerade von der rechten Seite des Bürgersteiges auf uns zugelaufen und hatte die Aussage von Niklas schon von weitem vernommen.
"Was is'n das jetzt für'n Affe? Jess es ist echt traurig, auf was für Spasten du dich mittlerweile einlässt.", lachte Niklas.
"Als was hat der Proll uns gerade bezeichnet, Jungs?", Tim kam von der linken Seite und blieb ebenfalls an den Treppen des Gerichts stehen. Fassungslos beobachtete ich die Situation, oder doch eher froh. Noch immer lagen meine Arme um die Hüfte von Lukas und ich krallte mich in seiner Jacke fest, sein linker Arm lag über meiner Schulter.
"Bestehen die Teletubbies nicht eigentlich aus vier Witzfiguren?", setzte Niklas noch obendrauf.
"So du Pisser, jetzt...", begann Basti und setzte einen Fuß auf die erste Treppenstufe.
"Halt!!!", Ena stand plötzlich neben Tim und sah uns fünf abwechselnd an. "Niklas, du hältst jetzt einfach dein Maul und siehst zu, dass du Land gewinnst. Es ist vorbei und da brauchst du jetzt gar nicht mit so einem Gehabe anzufangen.", sagte sie zu ihm, Niklas zögerte kurz, sah Lukas und mich an und ging die Treppen runter. Er ging dicht an Lukas vorbei und rempelte ihn am Arm noch einmal an.

"Alter Jess, damit warst du wirklich verlobt?", fragte Tim und blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Wir reden jetzt bitte nicht mehr darüber, es ist vorbei. Was macht ihr eigentlich hier? Ist das auf deinen Mist gewachsen?", mit einem Lächeln blickte ich zu Lukas hoch, er nickte, ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Na ja, wie gesagt, ich wusste ja nicht, ob du aufgeheitert werden musst. Ich dachte, dass wir das dann schon hinbekommen würden. Steven ist aber leider nicht mit am Start, irgendwas Familiäres, meinte er."
- So wie Lukas mich ansieht, wusste er es noch nicht, aber jetzt die Bombe platzen lassen? -
"Also, worauf hat die Prinzessin bock?", fragte Basti und zog an seiner Zigarette.
"Puh... Ähm... Was haltet ihr von... Lasertag?", fragte ich lachend. Nach dem Austausch ein paar fragender Blicke, Schulterzucken und Nicken, begab sich jeder zu seinem Wagen. Ena, die mit Tim zusammen nach Göttingen kam, wurde meine Beifahrerin.

"Der Jüngling steigt den Berg mit Qual
Die Aussicht ist ihm sehr egal
Hat das Röslein nur im Sinn
Bringt es seiner Liebsten hin..."

"Du hast es Lukas noch nicht gesagt, oder?", fragte mich Ena während der Fahrt, ich schüttelte mit meinem Kopf und atmete tief durch.
"Jess, glaubst du, es wird besser dadurch? Was ist, wenn sich Steven vor Lukas mal verquatscht?", noch nie hatte ich einen ernsten Tonfall bei ihr gehört, bis jetzt.
"Ja man... Da kann ich Lukas, aber auch gleich den Gnadenstoß verpassen. Ich weiß, dass ich ihm das sagen muss, ich weiß nur noch nicht wie und wann...", ich parkte meinen Wagen ab. "Heute werde ich ihm das bestimmt nicht sagen, er hat morgen Geburtstag. Es ist schon schlimm genug, dass ich das so lange schon aufschiebe... Und jetzt ist das Thema für heute beendet."

~*~

In der Lounge der großen Anlage saßen wir auf den Ledersofas und machten eine Pause. Lukas und Tim begaben sich zur Toilette und Basti setzte sich neben mich.
"Weiß unser Goldkehlchen, von deinem Ausrutscher?", fragte er.
"Was?!", erschrocken sah ich ihn an.
"Sudden hatte es mir am Telefon erzählt, er wirkte ziemlich geknickt."
"Er ist deswegen heute nicht hier, oder?", fragte ich nach.
"Nein, es ist wirklich familiär. Was du mit wem in deiner Freizeit anstellst, geht mich nichts an, aber ich habe kein' Bock auf Beef, wegen 'nem Mädel. Redest du bitte mit Alli darüber, er sollte es wissen, sein Verhalten was dich angeht ist bald schon gruselig." Basti lachte zwar am Ende seiner Predigt, aber die Magenschmerzen machten sich wieder breit. Ich wusste selbst, dass ich mit Lukas darüber reden müsse, der Blick von Ena der auf mir lag, machte es nicht gerade besser. 

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt