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POV: Timi

"Musst du wirklich schon los, Babe?", mit großen Augen stand Ena vor mir, ihre Arme hatte sie hinter ihrem Rücken verschränkt.
"Ja, morgen kommen meine Kids, Gustavo und Heisenberg muss ich auch noch bei Marcel abholen und ich fahre jetzt erstmal zu Steven nach Braunschweig. Ich habe wirklich ein ungutes Gefühl, wenn er jetzt wieder in seine Depression rutschen sollte... Er geht nicht an sein Handy, geschweige denn reagiert er auf Nachrichten von einem der Jungs.", ich strich Ena über ihre Wange und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich weiter meine Tasche packte. Vier Tage waren vergangen, seit Steven bei Lukas war und ich das letzte Mal von ihm gehört habe.
"Soll ich mit dir fahren?", fragte Ena besorgt.
"Süße, du musst dann zur Arbeit...", mit großen Augen sah sie mich an, "Wir sehen uns am Wochenende wieder, versprochen."
"Ach man... Aber...", ich zog sie in einen langen Kuss.
"Kein aber, mir fällt der Abschied ebenso schwer. Wir beide haben Verpflichtungen, Schatz." Ich gab Ena noch einen Kuss, nahm meine Tasche und ging in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen.
Mit einem traurigen Blick öffnete sie mir die Tür ihrer Wohnung und ich trat in den Hausflur. Ena packte mich an den Kragen meiner Jacke und zog mich wieder an sich, um mich zu küssen. Ich ließ meine Tasche auf den Boden fallen und legte meine Hände an ihre Hüfte. Wir lösten uns aus dem Kuss, ich blickte ihr tief in die Augen "Ich liebe dich, Ena." Es war das erste mal, dass ich diese Worte zu ihr sagte, wie ein verliebter Teenager grinste ich sie dabei breit an. "Ich liebe dich auch, Tim.", sagte sie mit geröteten Wangen und einem Lächeln auf den Lippen.

~*~

"My bum is on your lips, my bum is on your lips
And if I'm lucky you might just give it a little kiss
And that's the message that we deliver to little kids..."

Auf dem Weg nach Braunschweig, versuchte ich immer noch Steven ans Telefon zu bekommen, ohne Erfolg.

Als ich nach über zweieinhalb Stunden Fahrt, meine Wagen hinter dem von Steven abgeparkt hatte, las ich eine Nachricht von Jessica.

"Hey Tim,
hast du in den letzten Tagen
etwas von Steven gehört?
Ich wollte mit ihm nochmal
sprechen, er tut mir so leid."

"Stehe bei Sud vorm Haus
und will mir selbst ein Bild
machen. Melde mich später."

Ich antwortete kurz, da ich nicht wusste, was mich bei Steven erwarten würde.

Ich stieg aus meinem Wagen und ging zu der Haustür. Steven öffnete nicht die Tür, als ich versuchte zu klingeln. Aus der Zigarettenschachtel in meiner Jackentasche zog ich mir eine Kippe heraus und lehnte mich gegen die Hauswand.
Als ich den Stummel der Zigarette weg schnippte, öffnete sich die Haustür und ein junges Pärchen trat heraus. Ich hielt die Tür auf, betrat das Treppenhaus und lief in die zweite Etage. Wieder klingelte ich, doch Steven öffnete mir nicht.
"Sud? Alter? Bist du zu Hause?", rief ich und schlug mit der Faust gegen die Tür.
"Is' off'n", hörte ich Steven nach kurzer Zeit betrunken durch die Wohnung rufen.
"Witzig, du Sackgesicht! Mach mir auf, Alter."

Fünf Minuten stand ich vor seiner Tür, bis er mir diese öffnete. Er sah grausam aus, seine Haare waren ungewaschen, der Bart nicht gestutzt, vom Schweißgeruch ganz zu schweigen.

"'s machst'n hier?", sein Atem glich einer Brennerei.
"Mich davon überzeugen, dass du noch lebst. Du reagierst auf keine Anrufe, antwortest nicht auf Nachrichten von uns und machst mir jetzt so die Tür auf..."
"Bin n'ch am Leb'n, war's d's?", langsam wollte er die Tür schließen. Ich setzte meinen Fuß dazwischen, hielt mit meiner Hand die Tür fest und legte Steven meine andere Hand auf die Schulter, so verschaffte ich mir Zutritt zu seiner Wohnung.

Ich ging durch bis zum Wohnzimmer, im Fernseher lief Pokémon, seine Bettdecke und sein Kopfkissen lagen auf dem Sofa und neben dem Sofa stand ein Eimer.
Auf dem Couchtisch, standen leere Bierflaschen, eine fast leere Flasche Jonny Walker und eine große Flasche Jägermeister, diese war bereits leer. Es roch nach kaltem Rauch und in einem Plastikbecher lagen Zigarettenstummel, Steven rauchte bekanntlich nie in seiner Wohnung.

"Tim, w's soll d's?", fragte er als er sich auf das Sofa fallen ließ.
"Das fragst du mich? Schau dich mal an... Schau dich mal um... Du trittst dich jetzt wegen Jessie in die Tonne oder was?"
"Sag nicht dies'n Name... Das hier ist Jeee...", er beugte sich über den Eimer, um sich zu übergeben. Kreidebleich blickte er mich an, "D's is' Jessie-Freie-Zone! Hier bin ich sicher, vor diesem Todesengel..."
"Steven, du bist dreiunddreißig und lässt dich von einer Frau so runterziehen? Du bist mein Kumpel, aber das ist echt traurig.", er senkte den Kopf, "Wann hast du das letzte Mal was gegessen?", Steven zuckte mit den Schultern. Schlagartig war sein Blick klar, er sah zu mir hoch.
"Ich liebe diese Frau... Du weißt ich habe das lange nicht mehr gesagt. Es tut einfach so verdammt weh. Ich hatte solche Hoffnungen und dann steht sie halb nackt bei diesem Lauch in der Wohnung... Das hat mich so kaputt gemacht... Dann sagt sie mir, dass sie ihn liebt... Eine AK wäre zärtlicher gewesen..."
"Und Jonny ist jetzt dein neuer bester Freund und der Hirsch dein Patronus, oder was? Alter, du trinkst jetzt die Flasche Wasser dort, gehst duschen und ich besorg' dir was zu Essen und wenn ich die ganze Nacht hier bleiben muss. Wir bekommen dich wieder hin.", Steven atmete tief durch, blickte mich an und nickte.

Während Steven unter der Dusche stand, stellte ich wieder Ordnung in seinem Wohnzimmer her und rief nebenbei Jessica an.

"Tim? Wie geht es ihm?", begrüßte sie mich nervös am Telefon.
"Jess, es geht ihm beschissen. Du setzt dich jetzt bitte sofort ins Auto und kommst hier her, ich will, dass er dich wieder anschauen kann."
"Gib mir eine Stunde.", ohne auch nur eine weitere Frage zu stellen, legte sie auf.

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt