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POV: Lukas//Alligatoah

An einer roten Ampel entsperrte sie ihr Handy, stellte die Anlage auf Bluetooth um und reichte mir ihr Telefon. Sie meinte, dass ich die Musik aussuchen durfte. Ich sah ihre Spotify-Playlisten und las 'on the road', 'Werkstatt', 'Mixtape' bei dieser Playlist sah ich mein Cover von 'Rotz und Wasser', das Bild von 'Superkräfte' von Sudden, von Timi war 'Zwei Zimmer Küche Bong' zu sehen und das Cover von 'TP4L', allerdings öffnete ich ihre Lieblingssongs.

"Wow, deine Lieblingssongs beinhalten ja wirklich... Guano Apes? Ist dir gerade danach?", erwartungsvoll blickte ich sie an.
"Klar immer, aber bitte 'Lose yourself', ich liebe dieses Cover und kannst du vielleicht 'Can you feel my heart' von..."
"'Bring me the Horizon' in die Warteschlange?", beendete ich den Satz.
"Ja... Danke."

Die restliche Fahrt wurde zum Metal-Konzert, wir beide schrien in ihrem Auto und sangen ein Lied nach dem anderen. Ich genoss die Zeit mit Jessica sehr, sie ließ mich meinen Alltag vergessen.

"So, wir sind da.", sagte sie zu mir.
"Du kennst dich wirklich gut aus in Berlin, kommst du ursprünglich von hier?"
"Ich bin hier bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr aufgewachsen, wir sind damals umgezogen, da mein Vater einen guten Job in Waake bei Göttingen gefunden hat. In Berlin kenne ich mich gut aus, nur brauche ich für die Strecke nach Berlin immer noch das Navi. Ich komme oft im Jahr in die Landeshauptstadt, seitdem ich volljährig bin, auch um meine Verwandtschaft hier zu besuchen.", erzählte sie.

Wir stiegen aus dem Wagen, nahmen die Becher und die Tüte mit den Muffins und liefen in Richtung des Sees. Am See spazierten wir meiner Meinung nach ohne Ziel entlang, bis Jessica einen Abzweig nahm. Sie setzte sich auf eine Bank unter drei großen Bäumen mit Blick auf den See.

"Ich hoffe, das ist in Ordnung, hier sitze ich immer. Selten habe ich hier jemanden gesehen, es kommen kaum Menschen an dieser Stelle vorbei.", sie zog die Zigarettenschachtel aus ihrer Jackentasche hervor.
"Nein, alles gut, das gefällt mir. Jetzt weiß ich, warum ich die Bank nicht kannte, sie ist zu gut versteckt.", lachend setzte ich mich neben sie. Ich blickte zu meiner Linken, Jessica sah gerade auf ihr Handy und fing an zu lachen.
"Möchtest du mich nicht was fragen?", mit großen Augen sah sie zu mir und lächelte mit einem hochgezogenen Mundwinkel.
"Bitte?", das große Fragezeichen in meinem Gesicht war nicht zu übersehen.
"Gut, dann gebe ich Tim mein 'OK', dass du meine Nummer haben kannst.", sie öffnete ihre Kontakte und reichte mir ihr Handy. Mit Röte im Gesicht nahm ich es ihr aus der Hand, schmunzelte und gab meine Nummer ein.
"Warum hast du mich nicht einfach am Freitag gefragt?"
"Ich habe es einfach vergessen, ich war zu sehr in unser Gespräch vertieft und als du weg warst, war mir aufgefallen, dass ich wohl das Wichtigste vergessen hatte.", mit meiner linken Hand fuhr ich mir durch die Haare. "Wie lange bist du eigentlich in Berlin?"
"Ich bleibe bis Dienstag in Berlin, danach fahre ich für zehn Tage hoch nach Usedom."
"Es ist wirklich sehr schön dort oben, da wünsche ich dir einen schönen Urlaub."
"Danke, danach fahre ich kurz nach Hause, hole meinen anderen Koffer und fahre weiter nach Kufstein. Meine Eltern besitzen an den beiden Orten ein Ferienhaus.", lachte sie.
"Wie lange hast du dir denn Urlaub genommen? Willst du deine Werkstatt nicht mehr sehen?", lachte ich sie an.
Jessica schluckte und senkte ihren Blick, schlagartig änderte sich ihre Laune. - Hatte ich etwas Falsches gesagt? -
"Ich habe mir eine Auszeit von etwa vier Wochen genommen.", sie hob wieder ihren Kopf. Jessica sah mich nicht an, ihr Blick lag auf dem See.
"Ist etwas passiert? Dein Blick verheißt meiner Meinung nach nicht gutes.", ich blickte sie an und betrachtete noch immer ihr Profil.

"In den letzten Monaten ist viel passiert...", Sie fing an mir ihre Geschichte zu erzählen, von ihrem Ex-Freund beziehungsweise ehemals Verlobten. Ich hatte schon viel gehört oder auch erleben müssen, von oder mit Menschen, die auf ihren Trip nicht klargekommen waren, aber das war mit Abstand das Schlimmste. Während der Geschichte hielt sie inne und blickte mich mit Tränen in den Augen an.

"Hatte er dich in der Nacht zu Samstag angerufen? Warst du deshalb so aufgelöst?", fragte ich vorsichtig. Aber sie schüttelte den Kopf, zog wieder ihr Handy aus der Tasche und zeigte mir ein Bild, von einer braunhaarigen Puppe, die in einer Werkstatt von der Decke hing. "Was?! War er das?"
"Ich weiß es nicht, mein Teilhaber hatte mich an dem Abend versucht anzurufen und als er mir das Bild sandte, blieb mir die Luft weg.", bei ihr brachen alle Dämme und Tränen liefen über ihr Gesicht, dieser Anblick zerriss mir das Herz.

Ich rückte an Jessica heran und zog sie fest an mich. "Jessie, mir fehlen die Worte, es tut mir leid, dass du durch die Hölle gehen musstest. So wie ich dich in ein paar Stunden kennenlernen durfte, hast du das nicht verdient." Ich streichelte ihr über den Rücken, bis sie aufhörte zu weinen. Wir saßen eine Ewigkeit auf der Bank und ich hielt sie in meinem Arm. Als sie ruhiger wurde, hob sie ihren Kopf und blickte mir direkt in die Augen, da war es um mich geschehen. Genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich mich bereits in sie verliebt hatte. Ich kam ihr näher, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und drückte sie wieder an mich. Wir verweilten noch etwas am See, die ganze Zeit hielt ich sie im Arm und letztendlich beobachteten wir den Sonnenuntergang.

"Wollen wir langsam los?", sie brach das stundenlange Schweigen.
"Ich richte mich nach dir, aber würdest du mich heimfahren?", lachte ich auf und fuhr mir wieder mit Röte im Gesicht durch meine Haare. 

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt