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POV: Jessica

Ich saß in meinem Büro, meine Arme auf den Schreibtisch gestützt und mein Kopf in meinen Händen vergraben. Über meine AirPods hörte ich Musik und dachte über die vergangene Nacht mit Steven nach. - Wie konnte ich mich nur dazu hinreißen lassen? Es sollte nie so weit kommen. - Das Lied auf Spotify wechselte und die Stimme von ihm war zu hören.

"Und er sagt zu ihr
Guck mich nicht so an mit deinem Hundeblick
Nur ein Schritt trennt uns vom Lebewohl und dann wird wieder rumgefickt
Ich bin doch nicht blind, oder denkst du, ich bin dumm Schatz..."

Eine einzelne Träne rann über meine Wange und tropfte auf die Papiere, die vor mir lagen. Leicht zuckte ich, als ich eine zarte Hand auf meiner rechten Schulter spürte; ich blickte hoch und in das Gesicht meiner Angestellten Mary. Ich zog mir die Kopfhörer aus den Ohren und wischte mir über mein Gesicht.

"Jessie, ist alles...", begann sie mit großen Augen zu sprechen.
"Mary, lass bitte gut sein. Was ist los?", unterbrach ich sie.
"Der Wagen von deinem Kumpel ist fertig, du kannst die Rechnung jetzt schreiben.", sie legte mir einen Zettel mit der Arbeitszeit und den verbauten Teilen auf den Schreibtisch.
"Danke, wo ist Steven?"
"Er sitzt unten im Wartebereich, soll ich ihn zu dir schicken?"
"Ja, bitte.", nickte ich ihr zu, trank einen großen Schluck von meinem Kaffee und atmete tief durch.

Während ich die Rechnung für Steven vorbereitete, überlegte ich, was ich ihm sagen sollte.

"Hey, deine Kollegin meinte, es sei so weit alles fertig?"
"Ja, die Rechnung würde ich gleich noch mit dir durchgehen, durch die hohen Kosten des Kuriers und die zwei zusätzlichen Teile kann ich die Reparatur nicht einfach unter den Tisch kehren, tut mir leid."
"Ich hätte so oder so bezahlt, es ist immerhin eure Arbeit, die dahintersteckt. Sowas sind für mich keine Freundschaftsdienste.", Steven lächelte mich über beide Ohren an. Ich verwies auf den Stuhl, auf der anderen Seite meines Schreibtisches; er schloss hinter sich die Tür und nahm Platz.
"Danke... Du Steven, ich denke, wir müssten da aber noch über etwas reden.", nervös blickte ich auf meine Hände.
"Ja?", das Lächeln wich aus seinem Gesicht.
"Letzte Nacht... Also... Es tut mir leid, aber bitte... Bitte bilde dir darauf nichts ein, als ich mit euch näher in Kontakt gekommen bin, war das nie meine Absicht und ist es auch noch immer nicht. Ich habe mit der letzten Nacht wahrscheinlich mehr Schaden angerichtet, als ich wollte. Das soll jetzt auch nicht so böse rüberkommen, wie es wahrscheinlich klingt... Wie gesagt, es war und ist auch nicht meine Absicht, aber es ist wirklich gerade nicht einfach... Auch wegen... Ähm... Ich mag dich wirklich sehr, aber es sollte wirklich bei einer Freundschaft bleiben."
"Alles gut... Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Du bist wirklich eine klasse Frau und die letzte Nacht war echt der Wahnsinn, ich denke, ich kann das schon verkraften.", ich sah an seinem Blick, wie ich Steven gebrochen hatte.

~*~

Als ich mitten in der Nacht mit meiner Gitarre auf dem Aussichtspunkt Bratental saß und versuchte abzuschalten, entschied ich mich dazu Ena anzurufen und ihr von dem Vorfall mit Steven zu erzählen.

"Maus? Habe ich dich geweckt?", fragte ich vorsichtig, als sie sich verschlafen am Telefon meldete.
"Ja, hast du. Aber alles gut."
"Das tut mir leid."
"Was ist los, du würdest sonst nicht um solche Zeiten anrufen und du klingst, als wärst du den Tränen nah."
"Ich glaube ich habe riesige Scheiße gebaut..."
"Was hast du getan?", sie klang hellwach.
"Ich... Also ähm... Ich habe letzte Nacht mit Steven geschlafen?"
"Steven? Sudden, Steven? Lukas' Kumpel Steven?", fragte Ena geschockt.
"Ja, Lukas' Kumpel Steven..."
"Was, aber... Wie..."
"Er hatte seinen Wagen gestern zu mir in die Werkstatt gebracht, ich musste das Ersatzteil per Overnight bestellen und ich hatte ihm auf seine Nachfrage hin mein Gästezimmer angeboten. Nachdem ich am Abend vom Balkon in mein Wohnzimmer gefallen bin, haben wir uns geküsst und eins führte zum anderen. Mensch, Ena, was habe ich da getan? Lukas empfindet mehr für mich und ich... Also... Steig mit seinem Kumpel in die Kiste.", erklärte ich ihr und vergrub mein Gesicht in meiner freien Hand.
"Ich sag' dir das wirklich nur ungern, aber du musst das Lukas erzählen... Aber am Telefon ist das wirklich keine Option."
"Das weiß ich selbst, ich suche doch bald Möglichkeiten für einen weiteren Standort in Berlin..."
"Ähm... Bitte was?!", geschockt wurde mein Satz von ihr unterbrochen.
"Shit... Stimmt, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt. Ja, meine Eltern werden nächstes Jahr wieder zurückziehen. Mein Vater wird früher in Rente gehen müssen, durch seine baldige Operation, und meine Mutter ist als Lektorin schon immer flexibel gewesen... Ich hätte ja dann keinen mehr hier in meiner Nähe, von meiner Familie."
"Aber du siehst doch deine Eltern eh nur einmal im Monat, du fährst so gern Auto, da kannst du doch auch ein paar Tage im Monat mal rüberfahren."
"Ja schon... Ähm... Aber sie werden ja auch nicht jünger... Und... Ähm... Vielleicht brauchen sie dann ja auch meine Unterstützung...", ich suchte mir irgendeine Erklärung zusammen, die nicht mal für mich Sinn ergab.
"Gut, das klingt plausibel. Wenn du dir Standorte in Berlin zeitnah anschauen solltest, kannst du ja Lukas besuchen und es ihm schonend beibringen."
"Ich werde das schon irgendwie klären... Schlaf jetzt erstmal weiter, ich werde jetzt auch wieder heimfahren und mich in mein Bett legen."
"Bratental?", Ena kannte mich einfach zu gut.
"Bratental!", bestätigte ich.
"Fahr bitte vorsichtig, wir sehen uns, Maus."
"Mach' ich, Schlaf gut."

Nach dem Telefonat mit Ena packte ich meine Gitarre in den Kofferraum meines Wagens, lehnte mich gegen meine geschlossene Heckklappe und zündete mir noch eine Zigarette an. - Ich kann Lukas nicht einfach so mit einem Besuch überraschen, sagen dass ich Sex mit seinem Kumpel hatte, aber wahrscheinlich nächstes Jahr wieder nach Berlin ziehe und wir dann wieder mehr unternehmen könnten in der Freizeit. Wie soll ich ihm das bloß sagen?

Wie zuhause - 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt