Kapitel 65 - Stets vorwärts gehen, aber auch mal stehen bleiben

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Der Tag nach eurer Umkleide-Aktion verläuft wiederum relativ entspannt.
Die Lehrer tauschen ihre Erlebnisse des gestrigen Tages am Frühstückstisch aus und beraten sich über mögliche Unternehmungen für die restliche Zeit der Abschlussfahrt.
Kaum zu glauben, dass zwei Wochen so schnell vergehen können.
Du wirst die Zeit vermissen... die Tatsache, dass du jeden Morgen, ...fast jeden Morgen neben deinem Kumpel Lukas aufwachst, dann beim Frühstück deine Klassenkameraden siehst und beinahe täglich etwas mit ihnen erlebst. Du bist nicht wirklich mit denen befreundet und dennoch wirst du jeden aus deiner Klasse auf seine Art vermissen.
Du bist einfach ein Gewohnheitsmensch.
Dich von etwas so Vertrautem zu trennen, fällt dir immer schwer. Und trotzdem muss jeder seinen eigenen Weg gehen... Menschen kommen und Menschen gehen.
Du wirst wahrscheinlich zu den Wenigsten den Kontakt aufrechterhalten..., vor allem, weil die meisten umziehen werden zum studieren.
Die meisten haben bereits einen gesamten Lebensplan für die nächsten zehn Jahre entwickelt, während du nicht mal weißt, was du morgen machen wirst.
Somit hast du auch absolut keine Ahnung, wie es nach der Schule weitergehen soll. Wichtig ist für dich nur, dass du die Menschen um dich hast, die dir Kraft geben und auf die du dich verlassen kannst.
Dabei denkst du hauptsächlich an Steff..., was echt extrem krass ist, wenn du so darüber nachdenkst.
Noch vor knapp zwei Monaten war sie nicht mal in deinem Leben und jetzt kannst du dir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
Steff wird einfach die Person sein, die dir in jeder noch so schwierigen Situation Halt gibt und dich niemals alleine lässt.
Und bei all den Dingen, bei denen sie dir nicht wirklich helfen kann, wirst du einfach auf dein Herz hören.... Es ist das Beste, was du tun kannst. Immerhin hat das schon so oft funktioniert.

Und nun sitzt du unbemerkt immer noch beim Frühstück und wirst nur dank Steff aus deinen tiefen Gedanken gerissen: "Hey, ist alles gut?
Warum so nachdenklich?"
Du schüttelst deinen Kopf und blickst dich verwirrt um.
Alle Schüler scheinen das Restaurant bereits verlassen zu haben... auch Lukas, was recht untypisch ist, denn normalerweise wartet er immer auf dich.
"Hä, wo sind denn alle?", fragst du ungläubig. Steff lacht und streicht dir mit nachdenklichem Blick über dein Haar: "Naja, die meisten sind vor circa fünf Minuten wieder zurück aufs Zimmer gegangen und Lukas wollte dich eigentlich mitnehmen, aber ich hab ihm gesagt, dass er ruhig schon mal gehen soll und ich das mache."
Du gehst kurz in dich und kannst kaum verstehen, dass du so vertieft warst, dass du dein gesamtes Umfeld ausgeblendet hast: "Achso.", entgegnest du nüchtern.
Im nächsten Moment setzt sich Steff neben dich und legt zögerlich ihren Arm um dich: "Sagst du mir bitte, was los ist? Ich sehe doch, dass dich irgendetwas extrem beschäftigt."
Du kuschelst dich noch enger an sie und versuchst ihr die Sache zu erklären: "Weißt du, Steff... Ich denke, die Situation ist nicht so schlimm, wie sie aussieht. Ich hab nur in den letzten Tagen ständig diese Gedanken, dass diese Fahrt hier bald vorbei ist und ich die meisten ja danach nie wieder sehen werde.
Und auch, wenn ich mich mit kaum jemandem so wirklich gut verstanden habe, wird mir das alles fehlen und ich bekomme echt Bauchschmerzen, wenn ich an den letzten gemeinsamen Tag und den Abschied denke... weil der Kontakt wird dann eh abbrechen!" Steff stützt sich auf dem Tisch nach vorne und schaut dir interessiert beim reden zu: "Ach Süße... weißt du... ich verstehe dich ganz genau. Es wird jedem hier so gehen. Mir ging es damals auch nicht anders. Klar hat man einfach ein mulmiges Gefühl, wenn man weiß, dass man diese Leute, mit denen man teilweise 12 Jahre zusammen verbracht hat, mit denen man durch Höhen und Tiefen gegangen ist, plötzlich nicht mehr sieht. Natürlich ist das eine Umstellung, die man erstmal verkraften muss. Aber die Menschen, die wirklich weiterhin mit dir befreundet sein möchten, die Menschen, die es dir wert sind, weiterhin deine Zeit mit ihnen zu verbringen.... die werden sich melden.... und wenn nicht, dann lass sie einfach. Renn ihnen nicht hinterher!
Du kannst dir keine Freundschaft mit ihnen erzwingen, auch wenn du es noch so gerne möchtest. Das Leben geht weiter und du wirst neue Menschen kennenlernen. Du wirst neue Freunde finden und dein Leben neu gestalten können. Aber das Wichtigste ist, dass du nicht ständig in der Zukunft hängst, sondern nur im Hier und Jetzt lebst. Denn was bringen dir diese Gedanken über die Tage und Probleme, die irgendwann vielleicht mal kommen? Sie rauben dir nur deine Zeit, deine wertvolle Zeit von heute.
Du hast gerade gesagt, dass du jetzt nicht mehr viele Tage mit deinen Klassenkameraden hast... aber dann genieß doch die Zeit erst recht! Die Gedanken kannst du dir immer noch machen, wenn es so weit ist... die rennen dir nicht weg. Aber verbau dir nicht die Gegenwart mit so viel Gegrübel.
Ich bin ehrlich, ich erwische mich auch oft bei so etwas, und ärgere mich doch jedes Mal aufs Neue, dass ich so viel nachdenke.
[Dein Name], du bist so ein lebensfroher Mensch und du weißt doch selber, wie schnell die Zeit generell vergeht. Zeit wird wertvoller, je weniger es gibt! Und die Zeit wartet nicht auf dich... die vergeht stetig.
Insbesondere mit deinen liebsten Menschen!"

Steff grinst dich liebevoll an und du beißt dir verlegen auf die Lippe: "Steff, Schatz, du weißt, dass ich nur dich will den ganzen Tag. Wenn ich dich habe, hab ich alles! Du machst mich einfach glücklich, wenn du redest, wenn du lachst und auch, wenn du einfach existierst.
Ich möchte meine wertvolle Zeit so gerne nur mit dir teilen!"
Steff legt ihren Kopf auf deine Schulter: "Mir geht es doch auch nicht anders, Maus. Aber ich werde dir nicht wegrennen... die anderen wahrscheinlich schon. Also lasse ich dir die letzten vier Tage nun noch ganz allein mit den Schülern und danach können wir uns so viel Zeit füreinander nehmen wie wir wollen, okay?"
Du nickst und schlingst deine Arme um ihren Hals. Es ist dein liebster Anblick, wenn du Steff einfach so nah vor dir hast und ihr lediglich in die Augen schaust und ihren warmen Atem in deinem Gesicht spürst.
Es braucht nicht immer einen Kuss, um Liebe auszudrücken. So küsst ihr euch auch diesmal nicht, aber verharrt für einige Sekunden in dieser unglaublich sinnigen Position, bis ihr gemeinsam zurück auf eure Zimmer wandert.

Noch ein Küsschen auf die Wange und ein Zwinkern von Steff, da liegst du plötzlich schon auf deinem Bett neben Lukas und träumst vor dir hin.
"Was hat Frau Kloß jetzt schon wieder mit dir angestellt, dass du so gut drauf bist?", fragt Lukas neugierig und mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
"Nichts Besonderes, sie tut einfach nur atmen.", sagst du lachend.
Lukas verdreht gespielt die Augen: „Wie schön es doch wäre, wenn ich die Person sein könnte, die dir so einfach ein Lächeln jeden Tag auf die Lippen zaubern könnte."
Du steckst ihm die Zunge raus: "Tja, Lukas, was soll ich sagen... manchmal ist's blöd, mhh?
Kann man nichts machen."
Dein Kumpel schmeißt sich gespielt aufs Bett und strampelt wie ein kleines Baby. Ihr lacht beide und müsst euch sogar den Bauch halten vor Lachen.
"Ich bin verdammt froh, dass wir uns so gut ausgesprochen haben, dass du das ganze nun mit Humor nehmen kannst, weil du weißt, dass du leider eh keine Chance hast.
Und natürlich bin ich am allermeisten froh, dass wir weiterhin Besties sind und du mich und Steff so unterstützt. Ich bin so froh, dich zu haben, Doofi!"
Du boxt ihm leicht gegen die Schulter und ziehst ihn in eine feste Umarmung.
"Vermutlich ist es auch einfach gut, wenn wir nur Freunde bleiben. Und ich habe festgestellt, dass ich auch schon vollkommen glücklich bin, wenn du einfach nur glücklich bist. Das reicht mir aus!", erklärt Lukas.

Wenn du so darüber nachdenkst, ist es doch unglaublich, was in den letzten Wochen alles so auf einmal passiert ist.
Und dennoch hat sich alles wieder geklärt und all deine negativen Gedanken waren sinnlos. Vielleicht ist gerade das der beste Beweis für Steffs Worte von vorhin.

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