Neues Heim, Glück allein

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Am Ende der Lichtung angekommen sah ich ein großes Gebäude. Allerdings sah es sehr verwittert aus. Ich trat näher an das Gebäude heran um mich umzusehen. Es war leer. "Das Gebäude kenne ich nicht mal. Seit wann steht das hier?", fragte ich mich selbst. Ich betrat vorsichtig das Gebäude über den Haupteingang und stand in der Haupthalle mit der Rezeption. Es war auf jeden Fall verlassen. Ich ging zur Rezeption und suchte nach Anhaltspunkten. Auf einer alten Zeitung stand das Jahr 1961. "Cool!", dachte ich mir und legte die alte Zeitung zur Seite. Es musste ja ein Dokument über das Gebäude geben. Also suchte ich die ganze Rezeption ab. Unter dem ganzen Gerümpel fand ich eine Akte über einen Arzt - genauer gesagt über die Leitung der Psychiatrie. Ich blätterte die Akte durch und fand eine Zimmernummer: E016. "Der Buchstabe wird für Erdgeschoss stehen. Aber wo stehen die Richtungen der Zimmer?", dachte ich mir und schaute mich wieder um. Keine Tafeln an der Wand. Ich drehte mich um und ging den Flur hinter der Rezeption entlang. Es gab mehrere verschlossene Türen und die Atmosphäre wurde immer unheimlicher. Endlich fand ich Zimmer E016. Vorsichtig betätigte ich die Türklinke und stemmte mich gegen die Tür. Sie öffnete sich zwar schwer und mühevoll, dennoch bekam ich die Tür auf. Ich musste erstmal etwas husten vor lauter Staub der sich dort über die Jahre hinweg angesammelt hatte. Nach der kleinen Hustenattacke ging ich zum Schreibtisch und durchsuchte alle Schubladen. In einer Schublade fand ich einige Unterlagen zum Grundstück. "Das wäre meine Chance es für mich zu beanspruchen. Es wird Zeit einen alten Freund anzurufen: Charles Laurent, der beste Notar in Paris.", flüsterte ich mir zu und zückte mein Handy. "Hey Charles, altes Haus. Hast du Zeit mir einen Gefallen zu tun? Ich habe etwas gefunden was ich mein Eigen nennen möchte. Es ist die Psychiatrie petit oiseau (Psychiatrie kleiner Vogel) am Stadtrand. Kannst du da was herausfinden?", telefonierte ich mit ihm. "Hey Billy. Klar ich schau mal schnell, warte kurz.........die Psychiatrie petit oiseau hat keinen Besitzer im Grundbuch eingetragen und steht seit Jahren von der Stadt Paris zum Verkauf. Keiner wollte es haben.", antwortete er mir. "Wieviel Charles?", fragte ich ihn neugierig. "Das Grundstück kannst du für läppische 20.000 Euro erwerben. Für heutige Verhältnisse ein Schnäppchen.", informierte er mich. "Kannst du heute alles abwickeln? Bezahle sofort versteht sich.", sagte ich grinsend. "Bleib mal am Apparat Billy", gab er mir als Antwort und stellte mich auf Halten. Nach zehn Minuten war er wieder da. "Die Stadt will nichts dafür. Sie hatte mir gesagt, das Grundstück steht nicht mehr im Inventar der Stadt und kann somit sofort auf dich übergehen. Habe denen natürlich nicht gesagt wer du bist. Also soll ich dich als Eigentümer eintragen? Die schenken es dir sogar!", sagte Charles lachend. "Was nicht meins ist, wird jetzt meins! Trag mich ein und schick mir die nötigen Unterlagen zur Adresse der Psychiatrie. Ich liebe mein neues Leben als Schurke und Wohltäter!", gab ich als Antwort. "Ich mache alles fertig Billy und herzlichen Glückwunsch zum geschenkten Grundstück der Stadt. Meine Arbeit kostet dich auch nichts mein Freund. Lass uns mal wieder treffen.", sagte Charles und legte auf. Ich steckte mein Handy wieder in die Hosentasche und machte vor Freude einen Rückwärtssalto. "Und jetzt heißt es erkunden!", dachte ich mir und machte mich auf dem Weg das Gebäude zu erkunden.

Im Erdgeschoss gab es mehrere verschlossene Türen. An der Rezeption fand ich eine Brechstange die mir sicher dabei helfen könnte die Türen aufzubrechen. Also nahm ich es mit und brach die erste Tür auf. In dem Raum standen zwei Schreibtische und mehrere Schränke. Ich durchwühlte alles aber fand nichts interessantes. Der Raum nebenan war nicht verschlossen und ich betrat das Zimmer. Dort standen nur mehrere Untersuchungsliegen herum. "Nichts von Interesse.", dachte ich mir und verließ das Zimmer wieder. Um ins dritte Zimmer zu gelangen benötigte ich wieder die Brechstange. Ich brach die Tür auf und musste mich mit meinem ganzen Körpergewicht dagegen stemmen. Im Raum lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich bekam Gänsehaut. Ich sah mich um und fand ein Laken auf dem Boden was anscheinend etwas verdeckte. Vorsichtig ging ich darauf zu und deckte......ein Skelett auf. Ich erschrak mich gewaltig und rannte schreiend aus dem Zimmer raus. Ich brauchte etwa 5 Minuten um mich wieder zu beruhigen und durchsuchte nochmals die Rezeption nach einer Taschenlampe. Mit der Taschenlampe in der Hand trat ich nochmal an die dritte Tür heran und leuchtete in den Raum. Es war tatsächlich ein menschliches Skelett und kein Modell. "Dieses Zimmer werde ich meiden. Ich muss es markieren und mit Holzbrettern vernageln.", dachte ich mir und ging langsam ein paar Schritte zurück.
Gegenüber der drei geöffneten Türen waren drei weitere Türen. Auch diese brach ich nacheinander auf um sie mir anzusehen. In Zimmer E004 waren mehrere Spinde mit Ärztekittel zu finden. "Auch nichts interessantes dabei.", dachte ich mir und ging in das Zimmer Nummer E005. Dort war auch wieder ein Schreibtisch mit mehreren Schränken und einem Spind mit Arztkittel darin. Ich durchsuchte zuerst die Schränke und fand einen kleinen silbernen Schlüssel. "Wo passt du hin?", fragte ich mich und schaute mich um. An der Wand oder im Arztkittelspind war nichts zu finden wo der Schlüssel passen könnte. "Dann vielleicht in einer der Schreibtischschubladen!", dachte ich und durchsuchte die Schubladen. Ich fand eine kleine silberne Schatulle mit den Initialen "AT" darauf. "Das sieht doch mal interessant aus. Mal sehen was da drinnen ist.", sagte ich leise zu mir und steckte den kleinen silbernen Schlüssel in das Schlüsselloch. Ich schloss es auf und fand ein silbernes Armband im Inneren. Auf dem Armband stand der Name: Arnold Thomas. "Wer ist denn das?", dachte ich mir und suchte in den Schränken nach einer Personalakte über einen Arnold Thomas. Nach längerer Suche fand ich tatsächlich eine Personalakte über einen Dr. Arnold Thomas, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Ich las mir die Akte durch und fand heraus, das er eine Tochter hatte: Lucy Thomas. Plötzlich rief mich eine fremde Nummer an. Ich ging zwar ran, sagte aber kein Wort.
"Hallo? Ist da Billy Shadow?", fragte der Fremde am anderen Ende der Leitung. "Ich bin ein alter Schulkamerad von ihm und suche ihn. Hallo? Ist da wer?" Ich sagte wieder nichts. "Hallo? HALLO?", fragte der Fremde wieder. "Wer sind Sie?", fragte ich einfach. "Ich bin Lucas Tanner. Billy?", antwortete der Fremde. Ich traute meinen Ohren nicht. Lucas rief mich an und wollte mit mir sprechen? Aber warum? Wollte er was von mir?
"Was willst du von mir Lucas? Hat es dir, Ben und Julian nicht gereicht mich fertig zu machen?", fragte ich wütend. "Hör zu....ich weiß Ben und ich haben Fehler gemacht. Aber wir haben daraus gelernt und selbst erkannt wie du wirklich bist. Können wir uns treffen?", erklärte mir Lucas am Telefon. "Psychiatrie petit oiseau!", gab ich als Antwort und legte einfach auf. Ich glaubte nicht daran das die beiden hierher kommen. Es war einfach zu schmerzhaft denen überhaupt zu verzeihen. Zu sehr tat es weh wo sie mich in der Berufsschule und in der Ausbildungsstätte fertig gemacht haben. Selbst als wir fertig waren mit der Ausbildung hatte der Terror kein Ende.
Ich packte die Akte und die Schatulle zusammen und verließ Zimmer E005. In der Eingangshalle setzte ich mich an die Rezeption und wartete einfach ab was passierte. Ich war doch etwas neugierig ob die beiden wirklich auftauchten. Und siehe da, es kamen tatsächlich zwei Männer zur alten verlassenen Psychiatrie.
Sie betraten die Eingangshalle und sahen sich mit einer Taschenlampe um. "Hallo? Ist da wer? Billy?", rief Lucas durch die Eingangshalle. "Er wird sicher nicht da sein.", sprach Ben etwas verängstigt. "Bestimmt ist er hier. Sonst hätte er es nicht gesagt!", antwortete Lucas forsch.
"Was wollt ihr von mir?", fragte ich in die Dunkelheit. Beide erschraken sich und ließen dabei ihre Taschenlampen fallen. "Geister!", rief Ben ängstlich und versteckte sich hinter Lucas. Lucas hingegen schaute sich aufmerksam um, konnte mich aber durch die Dunkelheit nicht entdecken. "Lass uns verschwinden!", drückte Ben sich ängstlich aus und zog an Lucas Arm. Ich hob die Taschenlampen auf und reichte sie den beiden entgegen. "Ben, da ist er doch.", gab Lucas grinsend von sich. Ben kam langsam hinter Lucas hervor und schaute mich an. Ich stand vor den beiden mit verschränkten Armen da. "Wir wollten dich nicht stören.....aber wir möchten gerne mit dir reden.", gab Ben ängstlich von sich. "Kommt mit. Aber macht keinen Ärger. Hier habe ich schon Fallen erstellt wo ich euch nur reintreten lassen muss. Finden wird euch hier keiner.", drohte ich den beiden an und ging in das Büro E005.
"Ok, was wollt ihr von mir?", fragte ich die beiden misstrauisch und setzte mich mit verschränkten Armen auf den Schreibtisch. "Wir beide haben uns letztens mit Ella getroffen und uns über dich unterhalten. Ella hatte uns erzählt wie du wirklich warst und wie die schönen Momente mit ihr zusammen gekommen sind. Ben und ich sind zum Entschluss gekommen unsere Freundschaft zu Julian aufzugeben und dich besser kennen zu lernen. Wir wissen wir waren nicht nett zu dir und haben dich fertig gemacht unter Julians Anweisungen. Die Zeit können wir leider nicht mehr rückgängig machen und bitten dich daher um Vergebung unserer Taten. Wir wollen mit dir Freundschaft schließen weil wir erfahren haben was für ein toller Mensch du in Wirklichkeit bist. Wir hoffen inständig das du uns verzeihen kannst und uns eine neue Chance gibst. Egal für was du dich entscheiden wirst, wir werden deine Antwort akzeptieren und damit leben.", erklärte Lucas hoffnungsvoll. Bei Ben hatte ich gemerkt wie beschämt er war wegen der schrecklichen Vergangenheit die er mir mit angetan hatte. Auch Lucas Körpersprache sagte Scham aus und den Worten nach zu urteilen bereuten sie ihre Taten. "Es tut uns leid Billy. Und dein Geheimnis, das du die Krähe bist, ist bei uns sicher.", formulierte Ben versprechend. Beide sahen mich vielversprechend an. Ich stand vom Schreibtisch auf, verschränkte meine Arme erneut und fragte ernst: "Kein falsches Spiel?" Beide schüttelten den Kopf. "Um mein volles Vertrauen zu erlangen müsst ihr euch noch beweisen ob ihr es auch wirklich ernst meint! Aber fürs Erste habt ihr mich mit eurer Entschuldigung überzeugt. Das was in der Vergangenheit passiert ist, bleibt Vergangenheit und ich verzeihe euch. Aber sollte das ein falsches Spiel von euch sein, werde ich euch zeigen wozu ich wirklich fähig bin. Ich habe nämlich einiges gelernt und wollt nicht wissen was es ist.", erklärte ich ihnen im ernsten Ton. Beide nickten. "Du hast unser Wort!", gaben beide ernst von sich. "Na dann.....herzlich willkommen in meinem neuen Versteck außerhalb von Paris meine neuen Freunde!", begrüßte ich Ben und Lucas. "Das ist dein neues Heim?", fragte mich Ben irritiert. Ich nickte ihm grinsend zu und nahm einen alten Karton der im Raume stand. Dort packte ich all den Krempel ein der nicht gebraucht und weggeworfen wird. Selbst Ben und Lucas packten mit an ohne das ich sie um Hilfe gebeten hatte. Das fühlte sich einfach super an Freunde zu haben.

Der Schatten der KrähenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt