24 | nur ein (wahrer) Mythos

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Am Ufer stand Josie und zählte die Sekunden mit. Nach sechzig war sie schon nervös, aber hielt es noch für möglich, dass Dean so lange unter Wasser bleiben konnte. Und mit jeder Sekunde, die sie zählte, trat sie einen kleinen Schritt weiter ins Wasser. Als er nach neunzig Sekunden immer noch kein einziges Mal aufgetaucht war, stand sie schon bis zu den Schultern im See. Einundneunzig. Zweiundneunzig. Dreiundneunzig. Vierundneunzig. Fünfundneunzig. Sechsundneunzig. Siebenundneunzig. Achtundneunzig. Neunundneunzig. Sie schwamm los. So schnell sie konnte, bahnte sie sich den Weg zur Stelle, wo sie Dean das letzte Mal sah, sie steckte immer wieder den Kopf unter Wasser und vergewisserte sich, dass sie nicht an ihm vorbei schwamm. Dann entdeckte sie den aufgewirbelten Seeboden und holte ein letztes Mal tief Luft. Sie dachte gar nicht darüber nach, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben tauchte, aber das Adrenalin und die Angst weckten die Urinstinkte in ihr. Sie sah die zwei Körper umhertreiben. Die Frau hatte ihre Arme um Deans Mitte geschlungen und seine Arme waberten kraftlos hin und her. Josie schnappte nach seinem Handgelenk und zog an ihm. Aber die beiden bewegten sich kein Stück. Natürlich nicht, denn das Monster hielt sich mit seinem langen Aalschwanz am Boden fest. Die Jägerin schätzte ab, ob sie wenigstens einen der Beiden retten konnte und entschied sich dafür, erstmal Dean an die Oberfläche zu schaffen, vielleicht wäre ja schon jemand unterwegs um ihnen zu helfen. Sie tauchte noch etwas weiter hinunter und versuchte die Arme um Deans Körper zu lösen, aber stellte fest, dass der Griff doch fester war, als von einer Bewusstlosen zu erwarten war. Josie machte allerdings nicht denselben Fehler wie Dean. Sie strampelte nach oben, holte Luft und schrie um Hilfe. Ein Badegast, der nicht weit weg war, hörte sie und schwamm auf sie zu, während sie erneut abtauchte und gerade sah, wie Dean davon zu treiben schien. Panisch ruderte sie hinab und sah, dass an der Frau etwas komisch war. Bei Dean erkannte sie seine nackten Füße, aber die Bewusstlose schien keine zu haben. Da realisierte Josie, dass die Frau kein Mensch sein konnte. In ihrer Hand hatte sie immer noch Deans Klappmesser, mit dem sie nun blind in die Dreckwolke stach und hoffte ihren Geliebten nicht versehentlich zu treffen. Plötzlich hörte sie ein Geräusch, das wie ein Schrei klang und das beige Wasser färbte sich grünlich-schwarz. Josie war sich nicht sicher, ob es die Angst, der Sauerstoffmangel oder die Wirklichkeit war, dass ein langer Schwanz nach ihr Peitschte. Oder ob es vielleicht doch der Mann war, der ihre Hilfeschrei gehört hatte und nun nach ihr griff. Hastig schüttelte sie den Kopf und zeigte auf Dean, den das Monster vor schreck losgelassen haben musste. Er verstand und schwamm auf ihn zu, während Josie auftauchte und keuchend nach Luft schnappte. Eine Sekunde später tauchten neben ihr zwei Köpfe auf. Am Ufer war inzwischen Hektik entstanden, jemand hatte ein Rettungsteam gerufen und der Bademeister kam gerade mit Rettungswesten und einer Boje angeschwommen. Josie packte erleichtert das rote Ding und hielt es fest an ihre Brust gedrückt. Sie hatte kaum noch kraft, schließlich war sie es nicht gewöhnt zu schwimmen, geschweige denn jemanden im Wasser zu retten. Zusammen mit dem Rettungsschwimmer wurde Dean ans Land gebracht und vor den Augen der Schaulustigen wiederbelebt. Mit Tränen in den Augen schlang Josie ihre Arme um Dean, als dieser von den Sanitätern zur Weiterbehandlung vorbereitet wurde.

"Ich liebe dich", brachte sie nur heraus, da ihr die Worte fehlten.

Sie war nur froh, dass er am Leben war und sie ebenfalls. Immer noch benommen nickte er und versuchte trotz seiner schmerzenden Brust etwas zu erwidern, aber dazu fehlte ihm die Kraft.

Im Krankenhaus wurde Dean kurz nachbehandelt, ehe Josie zu ihm durfte.

"Es war wirklich das Lochness-Monster", berichtete die Jägerin ungläubig und setzte sich zu ihm.

"Ich weiß", hauchte Dean, dessen Stimme kratzig klang.

"Was tun wir jetzt?", fragte die Brünette ratlos, "Ich werde sicher nicht zu lassen, dass du noch einen Fuß in diesen See setzt"

"Hab ich auch nicht vor", erwiderte er und hustete, "Was sagt Sam?"

"Er ist grad dabei rumzutelefonieren, um mehr über dieses Ding herauszufinden. Aber eines weiß ich, es hat einen Schwanz und es blutet. Also kann man es töten"

"Vielleicht müssen wir das nicht", meinte Dean plötzlich und Josie runzelte die Stirn, "Wir müssen einfach dafür sorgen, dass niemand mehr in diesen See geht"

"Und wie willst du das machen? Den See zubetonieren?"

"Wenn es sein muss, ja. Aber vielleicht geht es auch anders"

Dean hatte schon einen Plan im Kopf, aber dazu musste er erstmal aus dem Krankenhaus entlassen werden. Dann würde er mit Sams Hilfe ein Dokument erstellen, welches besagt, dass sich in dem See irgendein Giftstoff befindet und die Stadt zwingt den Badesee zu schließen, solange bis sie einen Weg gefunden hätten dieses Monster zu töten, oder die Stadt herausfinden würde, dass die Dokumente gefälscht waren. Aber vielleicht hatte Josie das Ding auch genug verletzt, dass sich das Problem von alleine lösen würde.

Weder Sam noch sonst irgendjemand wusste etwas über ein Monster aus dem Wasser. Es schien, als wäre es einfach ein Mythos, aber immerhin konnten sie erreichen, dass niemand den See je wieder betreten würde. Denn es befanden sich tatsächlich Giftstoffe in dem Wasser, welche ein Labor dort regelmäßig entsorgte. Das war allerdings nicht mehr der Job der Jäger, die sich nun einem neuen Fall widmen konnten.

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