"Dean?", hakte die Vampirin nach und blickte kurz auf den Display, um sicherzugehen, dass er nicht schon aufgelegt hatte.
"Worüber willst du da reden? Ich bin Jäger, meinesgleichen tötet deinesgleichen", murrte er und konnte nicht verbergen, wie verletzt er war.
"Ach so weit sind wir jetzt? Wir unterscheiden in meinesgleichen und deinesgleichen? Meinesgleichen versucht gerade, deinesgleichen zu beschützen", zischte Josie, da Deans Antwort sie wie ein Schlag ins Gesicht traf.
"Ist das so, ja?"
"Bist du je von einem Vampir angegriffen worden, der mein Mal trug?"
"Dein Mal?", stutzte Dean und realisierte langsam.
"Ja, du hast bestimmt bemerkt, dass einige deiner Opfer ein Tattoo haben. Es ist das Zeichen meines Nests, das Immunität verspricht, wenn sie keinem Jäger und auch sonst keinem Menschen ein Haar krümmen. Nur leider hatte ich nicht gedacht, dass du deinen Jagd-Fokus neuerdings auf Vampire legst", konterte die Brünette klar und deutlich.
"Du klingst absolut nicht wie die Josie, die ich kannte", stellte Dean fest.
"Tja, wie du schon festgestellt hast, zähle ich offenbar nicht mehr zu 'deinesgleichen', aber dennoch versuche ich irgendwie Frieden zwischen uns zu finden, also bitte, komm mir wenigstens einen Schritt weit entgegen und hör auf meine Familie abzuschlachten"
"Deine Familie", wiederholte Dean und lächelte traurig.
Er war einst ihre Familie gewesen, aber nun zählte sie Benny und wahllose Monster zu ihrer Familie. Der Jäger konnte kaum fassen, wie es nur so weit kommen konnte. Ihretwegen hätte er beinahe die Jagd aufgegeben, um ein Leben zu führen, ähnlich wie Cliff mit Louisa und sogar Kinder hätte er sich vorstellen können.
"Gewährst du meinem Nest zu leben, verspreche ich dir, dass sie sogar an deiner Seite stehen werden, um einen Abtrünnigen zu jagen"
"In Ordnung, aber wenn ich doch einen von deinem Nest erwische, dann ist es nicht meine Schuld, ich habe keine Zeit mir jeden Hals anzusehen"
"Klar, ich werde das berücksichtigen. Ach und Dean. Höchstwahrscheinlich liegt in deinem Kofferraum Carly, ich hätte sie gerne wieder, um sie selbst zu bestatten", sprach Josie sanft.
Zum ersten Mal seit Wochen spürte Dean Reue. Josie klang traurig über den Verlust, ihm war nicht bewusst, dass die Vampire tatsächlich Bindungen untereinander hatten. Er überlegte, ob Josie und diese blonde Vampirin möglicherweise Freundinnen waren. Dean wusste, wie sehr sich Josie immer eine Freundin wünschte, weshalb sie sich auch mit Sams Partnerin so gut verstanden hatte. Es war was anderes, mit einer Frau zu quatschen, als immer nur mit zwei emotional abgewrackten Jägern.
"Ich werde sie bei Benny abladen", versprach Dean und legte auf.
Eine dichte Nebelschwade verließ seine Lippen, als er die angestaute Anspannung ausatmete. Mit einem letzten Blick auf Carly warf er den Kofferraumdeckel zu und fuhr wenig später zu Bennys Hütte. Der Winchester staunte nicht schlecht, als er sah, was die Vampire dort für Josie und ihren Freund aufgebaut hatten. Die Scheinwerfer des herankommenden Impalas sorgten für Aufmerksamkeit. Die Wachposten, die zum Schutz der Nest-Führerin da waren, schlugen Alarm, aber Josie ging persönlich nach draußen, um ihre ermordete Freundin in Empfang zu nehmen. Selbstbewusst ging sie auf den Chevy zu, aus dem Dean gerade ausstieg. Ihre Blicke trafen sich und für eine Sekunde vergaßen beide ihren Schmerz. Erst als Dean sich abwandte, um zum Kofferraum zu gehen, war die Kälte wieder zurück. Der Jäger hob die Leiche heraus und legte sie sachte vor Josie auf den Boden. Er konnte in ihren Augen die Trauer darüber sehen, weshalb er nicht achtlos mit der Toten umgehen wollte. Josie sank langsam auf die Knie und betrachtete die Blondine. Liebevoll strich sie ihr über die Wange und entfernte eine blutige Haarsträhne, die genau auf dem Tattoo klebte.
"Sie hatte gerade erst gestern die Erweiterung bekommen, weil sie eine Stelle im Krankenhaus angenommen hatte, um für das Nest Blut beschaffen zu können. Sie hatte einen wirklich großen Wert für die Familie", sprach Josie ohne zu Dean aufzusehen, "Danke, dass du sie her gebracht hast, jetzt können sich alle wenigstens von ihr verabschieden"
Wortlos stand der Jäger daneben und realisierte, was er getan hatte. Sein Zorn hatte ihn dazu getrieben, alles, was nur im Entferntesten mit Vampiren zu tun hatte, zu eliminieren. Aber blind vor Kummer begriff er nicht, dass Josie auf ihre Weise versuchte, die Monster in Schach zu halten. Er täuschte sich, sie war nach wie vor eine 'seinesgleichen'.
"Ich sag so vielen Jägern wie möglich Bescheid, dass sie deine Vampire in Ruhe lassen sollen", versprach Dean leise.
"Danke", lächelte Josie und sah kurz zu ihm auf.
Ihre Augen wirkten warm und voller Güte, dass es ihm nahezu den Boden unter den Füßen wegriss.
"Es tut mir leid, was ich gesagt habe, das mit 'deinesgleichen', ich hab's nicht so gemeint", murmelte Dean kleinlaut.
"Du hast nicht unrecht, ich bin ein Vampir, du ein Mensch, ich bin ein Monster, du ein Jäger. Das ist eine Tatsache, aber wir können wenigstens versuchen, nebeneinander zu existieren und uns zu vertragen, so sind meinesgleichen und deinesgleichen sicher", meinte die Brünette, und sprach dabei gleichzeitig über sich und Dean.
Wortlos streckte er seine Hand aus, um den Deal anzunehmen. Erleichtert seufzte sie. Sie dachte, es würde länger dauern, um Dean davon zu überzeugen, das Richtige zu tun. Sie griff nach seiner warmen Hand und ließ sich von ihm hoch helfen. Zögerlich zog Josie ihre Hand zurück und sah auf Carly hinab.
"Ich sollte sie rein bringen und vorbereiten", säuselte sie und mied Deans Blick, der so gefährlich nahe stand.
Sie durfte jetzt nicht schwach werden, denn damit würde sie ihm noch mehr weh tun. Er hatte schließlich den Schritt gemacht und sie gehen lassen, er brauchte einfach nur Zeit, um alles aufzuarbeiten. Diesen Fortschritt wollte sie nicht durch einen Fehler zunichte machen.
"Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass ihr euch so nahe standet", entschuldigte sich Dean aufrichtig, und Josie rang mit den Tränen.
Nicht wegen Carly, sondern wegen ihm. Sie war sich nicht sicher, aber es klang beinahe so, als hätte er ihr verziehen. Schwach nickte die Vampirin und kniff die Augen zu, um nicht in Tränen auszubrechen. Wochenlang hatte sie ihren Kummer unterdrückt und jetzt drohte es sie zu übermannen.
"Ich verschwinde, dann mal lieber. Sag Benny einen Gruß von mir", sagte Dean und öffnete die Tür zu seinem Auto.
"Und du, sag Sam, dass es mir gut geht", bat sie ihn und er nickte bestätigend.
"Das seh' ich", gestand er.
Er hatte insgeheim eigentlich gehofft, dass es ihr genauso dreckig ginge, wie ihm in der letzten Zeit.
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2 》Grund zum Leben - Zwischen Leben und Tod《
Paranormalder zweite Teil rund um das "Liebesspiel" zwischen Josie und Dean. Es erwarten die Jäger neue Fälle, neue Freunde und viel Chaos, aber es gibt immer einen Grund um weiter zu machen, nämlich den Grund zum Leben! dieses Buch knüpft an den ersten Teil...