Zweifel zerstreuen

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Am Montag nach der Arbeit habe ich den Termin beim Gynäkologen, um mir die neue Spirale legen zu lassen und bin danach ganz froh, Lilly zu mir nach Hause bestellt zu haben. Doch trotz der leichten Unterleibsschmerzen will ich nicht länger warten, Lilly von den neuesten Entwicklungen zu berichten.

Nachdem sie da ist und ich ihr erklärt, warum ich eine Wärmflasche an meinen Bauch halte, lasse ich die Bombe platzen. "Marco und ich sind jetzt ein Paar."

"Endlich!" Lilly grinst. "Das war ja wohl mehr als überfällig!"

Nachdem ich Lilly erzählt habe, wie es dazu kam, frage ich sie: "Sei ehrlich, denkst du, dass das eine gute Idee ist?"

"Hast du dich mal im Spiegel gesehen? Natürlich ist das eine gute Idee! Ich kann mich nicht erinnern, wann es dir das letzte Mal so gut ging, bevor du ihn kennengelernt hast! Und das, was bisher zwischen euch war, war von Anfang an so vertrauensvoll und so" sie sucht nach einem passenden Wort "so ehrlich. Ich glaube eine bessere Basis für eine Beziehung kann man sich nicht vorstellen." Sie umarmt mich. "Das ist eine gute Idee und du weißt das ganz genau!"

"Aber er ist so viel älter. Und..."

"Und?" hakt Lilly nach. "Warum denkst du, das Alter wäre ein Problem?"

"Ich weiß nicht."

"Okay, du willst unbedingt ein Problem sehen? Die einzigen potentiell problematischen Themen, die ich sehe sind zum einen die Wohnsituation und zum anderen das Thema Kinder. Er hat ein Haus und du eine Mietwohnung. Das heißt, sich gemeinsam etwas Neues zu suchen, ist wohl nicht so einfach und ob du in das Haus ziehen willst, das er mit seiner Ex gebaut hat?"

"Wir planen erst mal nicht, zusammenzuziehen. Glaube ich."

"Okay, Problem geklärt. Was ist mit Kindern. Aus seiner Vergangenheit schließe ich, dass er gerne welche hätte. Was ist mit dir? Also nicht jetzt, sonst hättest du dir die Spirale wohl nicht nochmal einsetzen lassen, aber generell? Du warst ja von der Idee, Kinder in diese Welt zu setzen, bisher eher weniger überzeugt."

Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung. Du hast schon Recht, ich wollte ja eigentlich keine Kinder. In Zwischenzeit, und zwar nicht erst seit Marco, bin ich da nicht mehr so sicher. Vielleicht ist das auch einfach die normale 'Hilfe, ich bin jetzt über dreißig'-Panik. Aber ich glaube, zwischen Marco und mir ist das erstmal kein Thema."

"Gut, dann würde mir jetzt absolut nichts mehr einfallen, was an einer Beziehung zwischen euch problematisch sein sollte. Oder fällt dir noch was ein?"

"Ich weiß nicht." Ich erzähle ihr von Marcos Wunsch nach einer offenen Beziehung.

"Und, ist das ein Problem für dich?"

"Ich weiß es nicht, ich habe ja noch keine Erfahrungen mit so was."

"Mit einer offenen Beziehung nicht direkt, aber das mit Ben und dir geht doch in die Richtung."

"Hm, aber es ist trotzdem was Anderes. Für Ben habe ich keine Gefühle. Doch, habe ich schon, aber nicht so. Irgendwie... Ach, ich weiß auch nicht."

"Könntest du dann vielleicht erst mal abwarten, ob du tatsächlich ein Problem damit hast, bevor du schwarz siehst? Freu dich doch einfach!" meint Lilly lächelnd.

Ich muss auch lächeln. "Danke. Und sorry, dass ich so intensiv nach dem Haken an der Sache suche. Ich kann es nur einfach nicht glauben, dass ich gerade wirklich so glücklich bin und das echt ist."

Lilly umarmt mich nochmal, seufzt dann aber. "Schön, wenn du jetzt von Luft und Liebe leben kannst, ich habe Hunger. Wollen wir was bestellen?"

Von Luft und Liebe kann ich definitiv auch nicht leben und so bestellen wir etwas beim Asiaten.

"Was ist eigentlich aus Nick geworden?" will ich wissen.

Lilly winkt ab. "Der ist wirklich total nett und so aber er wurde letztes Jahr von seiner Ex verlassen und hängt noch total an ihr. Davon lasse ich lieber die Finger."

"Schade, er hat echt einen sympathischen Eindruck gemacht."

"Ja, sympathisch ist er auf jeden Fall. Aber ich denke, wenn, dann wird das eher was Platonisches oder etwas Lockeres. Mal sehen."

"Hast du von Sven eigentlich nochmal was gehört?"

Lilly lacht. "Und ob. Danke nochmal, dass du mich überzeugt hast, ihn zu ignorieren. Es war wirklich interessant, zu beobachten, wie er von Beleidigungen übergegangen ist zu Gejammer, dass es ihm so schlecht geht, zu dem Vorwurf, dass ich egoistisch sei, wegen so einer Kleinigkeit die Beziehung aufzugeben, bis zu dem Vorschlag, es nochmal miteinander zu versuchen."

Sie zeigt mir die Nachrichten. Eine Menge Nachrichten.

"Wie willst du weiter mit ihm umgehen?"

"Ich werde ihn weiter ignorieren. Auch, wenn ich ihm nochmal begegnen sollte. Er hat mir zu deutlich gezeigt, dass ich mit ihm nichts mehr zu tun haben will."

In dem Moment wird das Essen geliefert und Lilly beendet damit das Thema Sven.

Während wir essen, erzählt sie von ihren Überlegungen bezüglich eines Tattoos und irgendwie lasse ich mich auch ein bisschen von dem Thema anstecken. Ich habe schon immer mal wieder darüber nachgedacht und auch schon ein oder zwei konkretere Pläne gehabt, aber umgesetzt habe ich es nie.

Lilly hätte gerne ein großflächiges, aber filigranes Motiv auf dem Schulterblatt. Vielleicht etwas Florales. Ich verspreche ihr, bei unserer nächsten Shopping-Tour in der Stadt nach Tattoo-Studios Ausschau zu halten und ihr ehrliches Feedback zu ihren Ideen zu geben.

Wir fantasieren über mögliche Tattoos, Piercings und Reaktionen darauf und leeren dabei eine Flasche Wein. Heute ist Lilly die Vernünftige, die gegen elf Uhr anmerkt, dass es Montag ist und wir noch vier Arbeitstage bis zum nächsten Wochenende überstehen müssen. Seufzend geben wir der Vernunft nach, versprechen uns, uns mal wieder an einem Wochenende zu treffen, damit nicht jedes Treffen mit Vernunft endet und verabschieden uns dann voneinander.

Als Lilly weg ist, sehe ich eine Nachricht von Ben auf dem Handy.

Hey, wollen wir uns mal wieder zu zweit treffen? Nach der ganzen Weihnachts- und Silvester-Action wäre mir mal wieder nach einem entspannten Abend mit dir.

Ich: Gerne! Wie wäre es am Freitag?

Ben: Freitag ist gut. Kommst du zu mir?

Ich: Okay. 19 Uhr?

Ben: Perfekt. Ich freu mich.

Die Woche vergeht angenehm schnell und mit Vorfreude auf das Treffen mit Ben und Nervosität vor dem Treffen mit Marcos Bruder.

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt