Am Sonntag verabschiede ich mich nach dem Kaffee von Marco. Ich brauche Zeit für mich, um den gestrigen Tag zu verarbeiten.
Nachdem ich einen langen Spaziergang alleine gemacht habe, ist mir klar, dass ich unbedingt mit Lilly über den Besuch bei meiner Schwester sprechen muss. Sie ist die einzige, die meine Eltern und das Dorf kennt.
Gleich am Montag nach der Arbeit treffe ich mich mit ihr bei ihr. Ich bringe eine Flasche Rotwein mit.
Als sie mich begrüßt, schaut sie skeptisch die Flasche an. "Alles in Ordnung?"
"Warum?"
"Weißwein ist für einen fröhlichen Abend, bei Rotwein wird es ernst. Oder Winter. Zumindest bei dir."
"Echt?"
"Du bist durchschaut." lächelt Lilly und holt die Gläser aus dem Schrank.
Ich erzähle ihr ohne weitere Umschweife von meinem Besuch in meinem Heimatdorf.
Als ich fertig bin, atmet sie durch. "Okay, krass. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Aber ich verstehe den Wein." erklärt sie und trinkt einen Schluck. Dann fragt sie: "Was hast du jetzt für ein Gefühl?"
"Ich schwanke zwischen 'Hoffentlich meldet sich Wilhelmine bei mir und ich kann ihr helfen' und 'Endlich kann ich damit abschließen.'. Ich weiß auch nicht."
"Verstehe." nickt Lilly. "Was schätzt du, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich meldet?"
Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung. Gering, würde ich sagen."
"Hättest du es dir anders gewünscht?" Lilly weiß wirklich, wie man die richtigen Fragen stellt.
"Ich glaube, im Endeffekt war ich nicht dort, um Kontakt zu suchen, sondern tatsächlich, um zu sehen, ob es ihr gut geht. Und da es das offensichtlich tut, ist es für mich in Ordnung, keinen Kontakt zu haben. Denke ich."
"Gut. Das ist eine gute Einstellung. Darf ich fragen, wie es dazu kam, dass Marco dabei war?"
"Er hat mir angeboten, zu fahren. Was wahrscheinlich ganz gut war. Ich glaube, ich hätte in dem Zustand, in dem ich war, nicht fahren können. Zumindest nicht so weit. Und er hat sich wirklich rausgehalten. War einfach nur da, als ich ihn gebraucht habe."
"Ich bin so froh, dass er dir so viel Halt gibt. Ich glaube, das zwischen euch ist echt was Ernstes, oder?"
"Ja, ich... auf dem Rückweg, als es mir nicht so gut ging, hat er angehalten und mich einfach in den Arm genommen. Da habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe."
Lilly quietscht vor Freude und umarmt mich. "Du sagst die magischen drei Worte? Dass ich das noch erleben darf! Was hat er gesagt?"
"Er hat es erwidert. Ich glaube, er wollte es schon vor ein paar Wochen mal sagen, hat es sich aber doch anders überlegt."
"Er wollte dich sicher nur nicht verschrecken. Glaub mir, wenn das für mich so offensichtlich ist, dass du jeder Verbindlichkeit ausweichst, wann immer es geht, wird ihm das auch klar sein."
Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich so durchschaubar für die Menschen um mich bin. Aber Lilly hat wohl mal wieder recht.
"Ich freue mich so für euch! Dass ihr euch gefunden habt, ist so toll!"
Mir wird das Thema zu kitschig, also frage ich Lilly stattdessen: "Wie geht es eigentlich deinem Piercing?"
"Super." strahlt sie. "Es ist schon verheilt und ich habe letztes Wochenende mit Emma zusammen die Vorzüge davon kennengelernt." Sie wird rot, grinst aber übers ganze Gesicht.

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Mina II
Ficción General[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Im letzten halben Jahr ist viel passiert! Neue Bekanntschaften, neue Erfahrungen, neuer Job. Ich habe begonnen, die Welt des BDSM für mich zu entdecken. Doch was macht das mit mir? Wie geht der Weg weiter...