[E] Freiheit

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Die Adresse, bei der ich das Auto am Dienstag morgen abhole, befindet sich in einem Wohngebiet am Stadtrand. Großzügige alte Ein- und Zweifamilienhäuser, alte Bäume und Blumenbeete in den Vorgärten und in den meisten Einfahrten neuere, hochwertige Autos. Ich erreiche die Adresse und klingle.

Mir öffnet ein Mann in typischem Büro-Outfit mit dünner werdendem Haar, der wahrscheinlich nicht viel älter ist als ich. Im Hintergrund höre ich Kindergeschrei.

"Mina?" Ich nicke und er nimmt einen Schlüssel vom Haken neben der Tür, tritt aus dem Haus und bedeutet mir, ihm zu folgen.

Wir gehen zur Garage, während er mir erklärt, was ich tanken muss und dass ich den Tank nicht ganz voll machen muss, sondern nur das ausgleichen, was ich verfahren habe. "Die Fahrzeugpapiere liegen im Handschuhfach, Warndreieck und Verbandskasten im Kofferraum und wenn es irgendein Problem gibt, ruf als erstes mich an." Er dreht sich zu mir und hält mir lächelnd den Schlüssel hin. "Schon mal so einen gefahren?"

Ich schüttle den Kopf.

Er zuckt mit den Schultern und lächelt. "Funktioniert wie jedes andere Auto auch, hat nur ein paar mehr PS unter der Haube. Also sei vorsichtig mit dem Gaspedal. Noch Fragen?"

"Wie öffnet man das Dach?"

Er erklärt mir den Mechanismus.

"Danke, alles klar." Ich gebe ihm die 150 Euro. Er steckt sie in seine Hemdtasche und lächelt: "Na dann, viel Spaß und gute Fahrt. Und morgen stellst du ihn einfach vor dem Haus ab und wirfst den Schlüssel in den Briefkasten. Ich komm sowieso erst abends heim, du kannst ihn bringen, wann du willst."

"Danke nochmal!"

Er öffnet das Garagentor. Als ich den Zündschlüssel drehe, höre ich das tiefe, weiche Brummen des Motors. Ich fahre vorsichtig aus der Garage und bin dankbar, dass in dem Wohngebiet wenig Verkehr ist. Ich fahre heim, um mich umzuziehen.

Der kleine Kofferraum des Cabrios füllt sich schnell, als ich eine Tasche mit Sachen für Marco und mich für eine Nacht, ein paar Snacks und Getränke darin verstaue. Dann ziehe ich mich um und schminke mich wesentlich aufwändiger, als ich es sonst an einem Dienstag tun würde.

Eine Stunde später, Marcos Termin müsste demnächst beendet sein, stehe ich vor dem Amtsgericht. Ich freue mich über den freien Parkplatz direkt vor dem kleinen Platz vor dem Gerichtsgebäude. So kann mich Marco nicht übersehen. Zum Fahren hatte ich Sneakers an, doch jetzt tausche ich sie gegen die schwarzen High Heels.

Dank des frühlingshaften Wetters kann ich sogar das Verdeck aufmachen und meine Jacke ausziehen und warte dann, wie geplant, lässig an das Auto drapiert, bis Susi im dunklen Kostüm das Gebäude verlässt. Sie unterhält sich mit einem älteren Herrn im Anzug. Wahrscheinlich ihr Anwalt. Dennis in Jeans und Pullover folgt dem Duo mit einem Kinderwagen. Einige Sekunden später treten auch Marco, im Anzug und mit Aktentasche in der Hand, und ein weiterer älterer Mann, der nach Anwalt aussieht, aus dem Gerichtsgebäude.

Marco wirkt auf den ersten Blick gelassen und ich bin erleichtert. Es scheint alles gut gegangen zu sein. Dann sieht er mich und ein ungläubiges Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Er kommt zu mir, während Susi und ihre Familie einige Schritte entfernt stehen bleiben und mit Susis Anwalt sprechen.

Er küsst mich demonstrativ und fragt dann leise: "Was machst du denn hier? Was ist das für ein Auto?"

Ich flüstere ihm theatralisch zu: "Ich bin hier, um Träume wahr werden zu lassen." Ich halte ihm den Schlüssel hin, den er zögerlich annimmt.

Ich ermutige ihn: "Komm schon, du hast es dir verdient. Details erkläre ich unterwegs. Lass uns die Show abliefern, von der du geträumt hast."

"Wow, danke. Ich kann nicht glauben, dass du das gemacht hast! Ich muss nur noch kurz mit meinem Anwalt sprechen. Und du siehst übrigens echt heiß aus."

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt