[E] Musik in meinen Ohren

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"Hey, schön, dass du da bist. Ich muss noch kurz Wäsche aufhängen, dann bin ich bei dir."

Als ich ins Wohnzimmer gehe, fällt mir sofort die E-Gitarre auf dem Sofa auf. Von der Bauweise eine Stratocaster, doch die Tatsache, dass sie mit verschiedenen Aufklebern beklebt ist und offensichtlich jemand mehr oder weniger gekonnt an den Tonabnehmern gebastelt hat, lässt mich vermuten, dass es wohl kein Original, sondern ein günstiger Nachbau ist. Und obwohl sie schwarz ist, muss ich an die Gitarre im Video zu Self Esteem von The Offspring denken. Während ich mich noch frage, wem so etwas gefällt, kommt Marco ins Zimmer und nimmt sie breit grinsend vom Sofa.

"Ist das deine?" will ich wissen. Etwa noch ein Relikt aus Punk-Zeiten? Aber hat er mal erwähnt, dass er spielen kann? Ich erinnere mich nicht daran.

Er nickt. "Ja. Aber erwarte nicht, dass ich spielen kann."

"Was machst du dann damit?"

"Midlife Crisis." Er zuckt mit den Schultern.

Oh nein, ich hoffe, er hat sich das Teil nicht überteuert von irgendjemandem andrehen lassen.

Doch Marco löst auf: "Das war ein Spaß. Ich habe sie von meinen Eltern mitgebracht. Was ich dir noch nicht erzählt habe ist, dass ich tatsächlich mal in einer Band war. So eine richtig schlechte Punk-Band, als ich noch in der Schule war. Wir waren 'The Creeping Chaots'. Spielen konnte keiner von uns so wirklich und Englisch offensichtlich auch nicht, aber wir kamen uns schon ziemlich gut vor und waren überzeugt, dass wir mit unseren Texten die Welt revolutionieren."

Ich muss lachen. "Sorry, aber als Punk kann ich mir dich so gar nicht vorstellen!"

"Sagt die mit der Gothic-Phase!"

"Touchée. Sorry, ich wollte dich nicht unterbrechen."

"Ach, viel gibt es da nicht zu erzählen. Wir haben im Endeffekt auch mehr Bier getrunken, als Musik gemacht und uns nach zwei Jahren oder so aufgelöst. Ich habe die beiden anderen nach dem Abi auch total aus den Augen verloren. Ich weiß nur, dass der eine, unser Drummer, Arzt geworden ist und der Bassist in Zwischenzeit Polizist. So viel zum Punk. Auf jeden Fall bin ich dadurch, dass du Ukulele spielst, auf die Idee gekommen, das Teil hier auch mal wieder zu aktivieren. Falls sie nicht auseinanderfällt. Mein Budget als Schüler war nicht gerade groß, qualitativ ist die Gitarre wohl maximal mittelmäßig."

"Passend zur Punkband."

Er setzt sich und nimmt die Gitarre in die Hand, um ein paar Akkorde zu spielen. "Ich spiel dir bald mal etwas vor." verspricht er, bevor er sie zur Seite legt.

"Hast du Hunger?" fragt Marco.

"Ja. Ich habe heute noch nicht so viel gegessen, mein Magen musste sich von gestern erholen."

Während wir in die Küche gehen, fragt Marco: "Was hast du denn gestern wieder angestellt?"

"Ich habe gar nichts angestellt. Ich war nur mit Lilly unterwegs."

"Soso, Lilly. Die hat auf mich eigentlich nicht den Eindruck gemacht, ein schlechter Einfluss zu sein. Ich dachte, du bist in der Konstellation die, die die Andere mitzieht." lacht Marco, während er einige Dinge aus dem Kühlschrank und seinem Vorratsschrank nimmt.

"Wir sind selbstständige Frauen, die alleine bestimmen können, wann sie sich betrinken wollen! Außerdem waren wir erst auf der Demo."

"Demo?"

"Gestern war internationaler Frauentag." erinnere ich ihn.

"Ich wusste gar nicht, dass du dich da engagierst."

"Das ist schon fast sowas wie eine Tradition bei Lilly und mir, am 8. März demonstrieren zu gehen. Hin und wieder muss das mal sein. Und wenn mal wieder eine Demo gegen Nazis ist, werde ich auch da sein. Nur, damit du das weißt."

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt