Verantwortung übernehmen

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Diese und nächste Woche sind fast täglich Besprechungen mit Sarah angesetzt, damit sie sich Ende nächster Woche entspannt in den Mutterschutz verabschieden kann und ich das Team dann alleine führen kann. Noch macht mir die Vorstellung zwar keine Angst, aber ich weiß, dass der Zeitpunkt kommen wird.

Die Projekte kenne ich in Zwischenzeit alle, doch mit Themen wie Urlaubsplanung für ein ganzes Team, Notfallplänen für Krankheitsfälle, Organisation von Deadlines und damit, dem Chef regelmäßig über die Performance des Teams zu berichten, habe ich mich bisher wenig beschäftigt. Im Laufe der Woche wird mir klar, warum der Job einer Teamleiterin so viel besser bezahlt ist, als der einer Sachbearbeiterin.

Am Dienstag Abend treffe ich mich mit Lilly und erzähle ihr von meiner Erkenntnis, wie groß meine Verantwortung in Zukunft sein wird und der latenten Angst, zu versagen.

Lilly beruhigt mich. "Das ist sicher total normal. Und irgendwie ist es ja auch gut, dass du Respekt vor der Aufgabe hast und sie ernst nimmst. Ich bin mir sicher, dass du das gut machst. Und du bist ja auch nicht alleine, das Team wird dich sicher unterstützen und ich denke, wenn du Fragen hast, wirst du Sarah ja auch kontaktieren können."

Ich bedanke mich bei Lilly, dass sie mich beruhigt und frage dann, wie es ihr geht.

"Gut, ich habe tatsächlich gestern meine erste Bewerbung losgeschickt. Das wäre übrigens auch eine Teamleitung, deshalb finde ich es gar nicht so schlecht, wenn du da erst durch musst und mir dann helfen kannst." sie grinst mich an und erzählt dann von den Stellen, auf die sie sich bewerben will und dem Wunsch nach Veränderung.

Sie weiß, was sie will und was sie kann und ich bin wirklich stolz auf sie, dass ihr Selbstbewusstsein seit der Trennung von Sven so gewachsen ist.

Dann erzähle ich ihr von meinem Plan bezüglich des Tritthockers, den ich auf dem Flohmarkt gekauft habe und zeige ihr Bilder und Skizzen. Nachdem ich ihr erklärt habe, was ich mir vorstelle, meint sie: "Ich frage mich gerade, ob ich nachfragen soll, warum du da Polster drauf haben willst." sie schaut mich kritisch an.

"Sagen wir mal, ich will vielleicht nicht unbedingt drauf stehen, sondern eher knien oder liegen?"

"Okay, okay. War mir klar, dass das in die Richtung geht." sie verdreht lachend die Augen. "Soll es denn eher bequem werden oder nur ein bisschen Stoff, damit es sich nicht so kalt anfühlt."

"Bequem wäre schön."

"Soll ich Marco fragen, ob er das auch so sieht?" grinst sie mich an.

"Mach dich nur lustig. Mein Geschenk an ihn, meine Entscheidung, wie bequem es für mich wird."

"Macht Sinn. Ich kann dir gerne helfen, so schwierig ist das nicht."

"Vielen Dank, das ist echt toll von dir!"

Ich bedanke mich mit dem Webband, welches ich auf dem Flohmarkt für sie gekauft habe.

"Oh, wie süß ist das denn? Vielen Dank! Da steigt doch gleich die Motivation, dir zu helfen." grinst Lilly und steht auf. Sie verlässt das Wohnzimmer und kommt kurz darauf mit einem schwarzen Stoff zurück, den sie mir in die Hand gibt. "Der ist noch von irgendwelchen Vorhängen übrig. Hundert Prozent Baumwolle und daher auch bei 60°C waschbar." sie zwinkert mir zu.

Ich streiche über das fest gewebte, aber weiche Material. "Der fühlt sich gut an. Brauchst du den nicht?"

"Im Moment nicht. Und falls ich irgendwann mal wieder einen schwarzen Stoff brauche, habe ich schon einen Grund, in das Stoffgeschäft zu gehen." sie lächelt.

Wir diskutieren einige Details, Lilly erklärt sich bereit, die passenden Schaumstoffpolster zu besorgen und wir verabreden uns für übernächste Woche, um die Polster zu nähen.

"Wenn du magst, kannst du natürlich auch mitkommen, wenn ich die Polster besorge. Nächstes Wochenende zum Beispiel."

"Nächstes Wochenende fahre ich mit Ben zu seinen Eltern, sorry."

"Kein Problem, so spannend ist das auch nicht. Dann besorge ich die Polster alleine. Und viel wichtiger ist auch, warum fährst du mit Ben zu seinen Eltern? Ich dachte, das Thema ist durch?"

"Das dachte ich auch. Aber du weißt, wie überzeugend Ben sein."

"Überzeugend? Wohl eher nervig, bis man nachgibt."

"Naja, er... okay, du hast Recht. Auf jeden Fall hat er mich überredet, nochmal mitzukommen. Aber seine Eltern wissen, dass wir kein Paar sind."

"Warum sollst du dann mitgehen?"

"Weil seine Eltern mich mögen und er wohl moralische Unterstützung braucht."

"Mit der Betonung auf 'moralisch'!" Lilly verdreht die Augen. "Versprich mir aber, dass du dich nicht mehr in seine Lügen reinziehen lässt und ihn da einfach sitzen lässt, wenn er scheiße zu dir ist! Wenn er es nochmal wagt, dich mies zu behandeln, nimmst du einfach sein Auto und fährst heim, okay?"

Ich lache und nicke. Die Vorstellung, ihn ohne Auto seinen Eltern auszuliefern, ist wirklich verlockend, aber ich hoffe inständig, dass das nicht notwendig ist.

Seufzend blickt Lilly zur Uhr und wir erkennen, dass wir mal wieder vernünftige Erwachsene sein müssen und unseren Abend beenden. Wir versprechen uns, bald mal wieder einen langen, lustigen Abend gemeinsam zu verbringen und verabschieden uns dann.

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt