Zu viel Familie

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Als wir am nächsten Morgen aneinander gekuschelt im Bett liegen und dem unvermeidlichen Aufstehen noch ein wenig entgehen, lasse ich den gestrigen Tag nochmal Revue passieren.

"Was hat Moritz eigentlich mit der Frage gemeint, ob du heute kommst?"

"Ach, wir haben so eine Tradition, dass sich die Familie - außer das Brautpaar selbst - am Abend nach einer Hochzeit trifft und sich um die Reste des Essens kümmert. Heißt im Endeffekt, man kommt nochmal zusammen, futtert sich durch Kuchen und alles Mögliche und hat einen entspannten Abend. Eigentlich ganz nett."

"Okay, und da möchtest du heute nicht hin?"

"Ich will an so einem Abend keinen Streit provozieren und könnte die Aktion gestern aber auch nicht so einfach auf mir sitzen lassen. Daher nein, da gehe ich nicht hin."

"Okay, aber führt das nicht noch zu mehr Stress mit deiner Mutter?"

Er zuckt mit den Schultern. "Wahrscheinlich, aber das ändert auch nichts mehr an der Situation. Lass das mal meine Sorge sein, ich fahre in ein paar Wochen mal zu meinen Eltern, gebe mir den Streit und kläre das."

Wir stehen auf, duschen und setzen uns mit einem Kaffee aufs Sofa. "Was möchtest du denn heute machen?" fragt Marco, als das Festnetztelefon klingelt. Ich wundere mich kurz, dass er sowas überhaupt noch hat.

"Das ist sicher meine Mutter. Ich gebe ihr eine Chance für ein Gespräch, okay?"

Ich nicke, er steht auf und geht ans Telefon. "Guten Morgen Mutter... Nein, habe ich nicht... ja, natürlich... Ich weiß, aber wir werden nicht kommen... Nein, alleine sowieso nicht... Das ist nicht mein Problem... Dann hättest du sie wohl nicht drängen sollen, den Strauß zu fangen, sie wollte das nicht... Nein, ganz sicher nicht... Okay, Mutter, hör zu... Nein, hör mir bitte zu... Mutter!...Ich... Ach, vergiss es, ich melde mich nächste Woche wieder... Nein... Mach's gut."

Er legt auf und lässt sich aufs Sofa fallen. Dann öffnet er das Batteriefach des Telefons und lässt die Batterien herausfallen. "Die wird nicht so schnell aufgegeben." Er seufzt. "Also, Kurzfassung: Sie wollte erst, dass wir beide kommen und dann, dass ich allein komme, weil es ja ein Treffen der Familie ist und du da nichts zu suchen hättest und es stört sie, dass du den Strauß gefangen hast."

Ich muss lachen. "Mich stört das auch. Das kannst du ihr gerne sagen."

Marco steht auf, kommt mit seinem Handy zurück und zeigt mit den Bildschirm. Darauf werden drei verpasste Anrufe und 8 ungelesene Nachrichten angezeigt. "Das ist alles von heute Morgen. Gestern Abend habe ich noch geschrieben, dass wir gut daheim angekommen sind. Das wird heute auch so weitergehen und im Worst Case taucht sie hier auf." Er schaut auf die Uhr. "Die Fahrzeit ist eine dreiviertel Stunde, wenn wir also in einer halben Stunde hier weg sind, sind wir auf der sicheren Seite. Ich würde dann wahrscheinlich spazieren gehen und später irgendwo was essen. Ich würde mich freuen, wenn du mir Gesellschaft leistest, kann dich aber natürlich auch einfach heim fahren."

"Ein Spaziergang klingt gut, ich komme gerne mit."

Als wir in den Wald gehen, erinnere ich mich, wie ich Marco von meiner Vergangenheit erzählt habe und entscheide mich, dass er nach dem Tag gestern, heute damit dran ist.

"Darf ich dich mal ein paar Dinge zu deiner Familie und deiner Vergangenheit fragen?"

"Puh, klar darfst du."

"Erzähl mir doch erstmal von deiner Familie, ich glaube, so ganz habe ich das bisher nicht verstanden. Also du hast einen Bruder und eine Schwester? Und die Schwester hat Kinder? Und die haben auch schon Kinder? Aber einen Vater gibt's nicht zu allen der Kinder?"

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt