Der Bekannte

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Nachdem ich am Samstagmorgen mindestens noch genauso geflasht von dem letzten Abend bin wie gestern, nehme ich Marcos Angebot an und verabrede mich mit Ben.

Am frühen Nachmittag klingle ich bei Ben, welcher mich grinsend begrüßt und mich dann umarmt. "Hey, na, wie geht's dir?"

"Gut, danke, und selbst?"

"Auch gut. Willst du was trinken?"

"Ja, gerne." Es ist eigentlich viel zu früh, Alkohol zu trinken, doch nüchtern will ich das Gespräch auch nicht führen.

Wir setzen uns auf den Balkon, Ben zündet sich eine Zigarette an und schaut mich an. "Willst du etwas dazu sagen oder soll ich?"

"Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich sagen soll." gestehe ich.

"Okay, dann fange ich an. Kannst du dich an die Zeit kurz vor dem Vorstellungsgespräch für meinen jetzigen Job - damals mein absoluter Traumjob - erinnern?"

"Klar, du warst so aufgeregt und verunsichert, dass du nächtelang nicht richtig schlafen konntest."

"Richtig. Das war in etwa das Level, auf dem ich in den letzten Tagen war."

"Wirklich? Warum? Und warum hast du das dann gemacht?"

"Warum?" Er lacht. "Weißt du, wie krass das für mich war? Ich soll da auftauchen, dir vorspielen, ein Fremder zu sein, dir weh tun und dir dabei zusehen wie du darunter leidest. Oder das genießt. Was auch immer. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das kann!"

"Warum hast du es dann gemacht?"

"Für dich! Ich wollte es dir ermöglichen, die Erfahrung zu machen. Marco hat mir erklärt, dass das die beste Lösung sei, und dass er das auf keinen Fall mit einem wirklich Fremden machen will. Damit es jemand ist, dem du vertraust, falls es dir zu viel wird und du das abbrichst. Verstehe ich total und ich finde es toll, dass er da so vorsichtig ist, aber letztendlich hieß das eben, dass ich entweder mitmache oder dir dieses Erlebnis vorenthalte. Und du kennst meine große Klappe, natürlich konnte ich nicht zugeben, dass ich Schiss davor hatte und habe wohl etwas vorschnell zugesagt. Marco hat das schon irgendwie gecheckt, aber ich habe ihn davon überzeugt, es trotzdem durchzuziehen. Den Schwanz einzuziehen, kam für mich nicht in Frage, du kennst mich ja."

"Krass. Danke, dass du das für mich gemacht hast. Und wie war es dann gestern für dich?"

"Krass. Richtig krass. Einerseits die ganze Situation, ich kam mir vor, wie ein richtig schlechter Schauspieler. Da ich mir so unsicher war, war alles vorher besprochen. Marco hat mich vorher aussuchen lassen, welche Geräte ich verwende. Das mit dem Rohrstock konnte ich nicht, das tut ja schon beim Zusehen weh." Er schüttelt verständnislos den Kopf. Wir haben echt alles besprochen; was genau passiert, was ich tun soll, wie ich auf was reagiere. Hast du gar nicht gemerkt, wie unsicher ich war?"

Ich schüttel ungläubig den Kopf. "Ich habe nichts davon gemerkt."

"Du warst wohl in der Situation auf andere Dinge konzentriert." grinst Ben. "So sollte es ja auch sein. Auf jeden Fall fand ich deine Reaktion echt krass. Auch wenn ich dich ja schon in vielen Situationen erlebt habe, das war anders. Dich einfach nur zu beobachten, wie du dich fallen lässt und das Ganze letztlich genießt und das ganze ohne, dass ich in dem Moment auf meinen eigenen Schwanz konzentriert war, war schon echt heiß."

Ich spüre, wie ich rot werde. Ich erinnere mich daran, wie ich ihm ausgeliefert war und das einfach nur genossen habe. Wie er mich gesehen hat.

Ich atme durch. "Danke, dass du das gemacht hast."

"Fürs nächste Mal müsst ihr euch aber einen anderen suchen."

"Ich weiß gar nicht, ob es ein nächstes Mal geben wird. Das war schon irgendwie gut, aber einfach so eine krasse Erfahrung, ich weiß nicht, ob ich das nochmal will. Vor allem war das ja eher ein Vorgeschmack, wirklich viel passiert ist ja nicht. Und wenn ich mir vorstelle, was ein Dritter noch so mit mir anstellen wollen könnte... ich weiß nicht."

Mina IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt