Teil 1: Lost Smile | Daniel Ricciardo x Sergio Pérez

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Lost Smile



Monte Carlo, Monaco
29. Mai 2016



Nachdenklich. So wirkte er schon eine ganze Weile. In sich gekehrt und irgendwie auch verschlossen. Das Lächeln... Es war nur noch ein Schatten der strahlenden Fröhlichkeit, die er sonst immer bei ihm gesehen hatte und wenn man all diese Erkennungszeichen zusammennahm und sie ausgerechnet Daniel zuschrieb, dann konnte man wirklich Angst bekommen.
Da konnte etwas nicht stimmen. So viel war ihm klar, auch wenn er nur aus der Ferne beobachtete, aber er war nicht blöd und blind schon einmal gar nicht.
Nur, was sollte er machen? Er konnte schlecht einfach zu Daniel herüberspazieren, ihm auf die Schulter klopfen und sagen: „Wenn du ein Problem hast, dann immer raus damit, ich höre dir zu!" Oder konnte er das doch? War es vielleicht doch so einfach?
Nein, irgendwie ging das zu weit. Was hatten sie denn außer ein paar gemeinsamen Abenden in den angesagten Clubs dieser Welt schon miteinander zu tun? Oft waren sie sich wirklich nicht über den Weg gelaufen und überhaupt... Er wollte auf den Älteren nicht seltsam wirken, wobei wohl jeder lachen würde, wenn er das so sagte. Die schätzten ihn doch alle sowas von falsch ein!

Eigentlich müsste er auch nicht so viel über den Australier nachdenken. Schließlich waren sie weder eng befreundet, noch Teamkollegen oder sonst etwas. Aber irgendwie ging es einem schon nahe, wenn ausgerechnet Daniel so gar nicht mehr fröhlich aussah und er wollte einfach gerne wissen, woran das mit einmal lag.
Doch wohl nicht an seinem neuen Teamkollegen? Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Daniel sich viel daraus machte, dass er jetzt mit dem Holländer zusammenfuhr, auch wenn dieser plötzliche Wechsel wahnsinnige Wellen geschlagen hatte.
Er glaubte, der Ältere würde da trotzdem cool bleiben und sich nicht verrücktmachen lassen. Im Gegenteil. Eigentlich war er doch eher jemand, der sich über Herausforderungen freute und vor allem jemand, der Dinge nehmen konnte, wie sie waren. Wenigstens vermittelte er diesen Eindruck. Im Grunde konnte er selbst da auch nur spekulieren.

Und jetzt, wo er hier mit Daniel und Lewis auf dem Podium stand, fiel ihm noch so viel mehr auf. Daniel, dessen breites Grinsen zum ersten Mal, seit er ihn kannte, vollkommen unglaubwürdig und unecht auf ihn wirkte.
Er musste fast schlucken, aber versuchte, sich nach außen nichts anmerken zu lassen. Da waren immer noch Kameras und Presse. Das durfte man nie vergessen. Trotzdem stimmte da etwas nicht. Daniel wirkte ganz anders als sonst, verhaspelte sich so viel mehr, als für gewöhnlich und...
Gut, er warf nun keinen besonders dezenten Blick hinüber, aber bei ihm würde sich schon keiner wundern, dass er hier oben nicht den Iceman gab und stur auf einer Stelle stehen blieb, wo er geradeaus starren konnte. Und irgendwie konnte es doch kein Zufall mehr sein, dass Lewis so viele Seitenblicke auf Daniel warf.

Er wusste nicht genau, wie er das deuten sollte. Normalerweise interessierte Lewis sich nicht für die Fahrer, die um ihn herum auf dem Podium standen. Zumindest nicht so, dass er ständig so... Naja so gucken müsste. Er wusste nicht, wie er das nennen sollte, aber etwas an dem Blick war ganz klar störend. Wenn er nur wüsste, was genau das war...
Und wenn er nur wüsste, warum er gerade irgendwie den Wunsch verspürte, Lewis für diesen Blick eine zu verpassen... Es störte ihn irgendwie, dass der Brite Daniel so ansah. Warum auch immer. Unter solchen Umständen war es verdammt schwer, sich auf das ganze Theater hier zu konzentrieren.
Fast hätte er es verpasst, seinen eigenen Pokal für den dritten Platz entgegen zu nehmen. Da konnte er diesmal wohl nur froh sein, als sie damit fertig waren. Irgendwie war das alles ganz merkwürdig da oben gewesen. Fast schon unwirklich. Als hätte er diesen Augenblick nur geträumt. Er hatte fast das Gefühl, als habe das Rennen noch nicht stattgefunden und...

„Ich weiß Bescheid, Danny", hörte er Lewis mit gedämpfter Stimme.
Sie hatten das Pressegebäude erreicht. Schließlich standen noch die Interviews an, die sie nach dem Rennen immer so geben mussten. In diesem Teil waren sie komplett ungestört und wahrscheinlich war Lewis der Meinung, dass er schon weit genug vorausgegangen war.
Jetzt allerdings konnte er ja gar nicht mehr anders, als stehen zu bleiben und...
„Ach echt? Hast du mir ja noch gar nicht gesagt. Bloß in Barcelona, Sochi, Shanghai...", kam es von Daniel zurück, während er selbst einfach hinter der Ecke stehen geblieben war und weiterhin lauschte, was die Zwei zu bereden hatten.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass es Lewis gefiel, wenn man so mit ihm redete und tatsächlich war auch prompt ein Schnauben zu hören.
„Hey, ich meine das Ernst! Ich kann's gerne überall rumerzählen, wenn du wieder zicken willst", gab der Brite angefressen zurück und irgendwie wurde ihm gerade ein bisschen übel.

Das war doch nicht zu glauben, oder? Daniel hatte nicht wirklich Stress mit Lewis. Das konnte er sich nun gar nicht vorstellen. Weshalb sollte er denn...?
„Was soll das? Was versprichst du dir eigentlich davon? Glaubst du, so könnte das jemals was werden?", kam es ein wenig aufgebracht von Daniel zurück. Ein amüsiertes Lachen von Lewis folgte.
„So viel bedeutest du mir nun wirklich nicht."
„Dann hör endlich auf mit dieser Scheiße!"
Und damit war das Gespräch wohl beendet. Er hörte Schritte in seine Richtung kommen.
Mist! Er wollte ja nicht beim Lauschen erwischt werden, aber wo sollte er auf die Schnelle hin?
Die Toilettenräume direkt neben ihm waren die Rettung. Dort konnte er sich gerade noch hineinflüchten, bevor erst Daniel und kurz darauf Lewis vorbei rauschten.

Erleichtert, es noch ungesehen geschafft zu haben, ließ er sich erst einmal an die Wand sinken.
Was war das denn bitte gewesen? Und hatte er das richtig verstanden? Lewis wusste irgendetwas über Daniel und versuchte ihn damit unter Druck zu setzen? Das war doch wie im falschen Film und was sollte das überhaupt sein?
Eigentlich war ganz klar, dass er an dieser Stelle nicht weiter darüber nachdenken sollte. Das war eine Sache zwischen denen und ging ihn überhaupt nichts an, aber...
Natürlich beschäftigte ihn das Ganze jetzt erstrecht...

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