Teil 5: Rage | Max Verstappen x Christian Horner

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Rage


Milton Keynes
20. November 2019



Christian



„Ich muss mit Max reden."

Jos hatte ihm gerade noch gefehlt. Es nervte schon genug, dass er zwischen den beiden letzten Rennen noch einmal ins Werk zurückmusste, um einiges abzuarbeiten. Aber das war immer noch besser, als sich um die Weihnachtszeit damit herumzuschlagen. Dass ausgerechnet Jos ihm hier noch einen Besuch abstatten würde, war mehr als ein Ärgernis.
Dass der gerade nicht andere Sorgen hatte. Sein Vater – Max' Großvater – war vor zwei Tagen verstorben. Die Familie sollte nun eigentlich zusammen sein, ihren Verlust betrauern und insbesondere Jos könnte es durchaus mal als Anlass nehmen, einiges zu überdenken, doch wie üblich tat er das nicht. Dieser Mann sollte sich schämen. Nicht nur dafür, dass der Tod des eigenen Vaters ihn augenscheinlich nicht dazu veranlasste, sich zurückzuhalten, auch für all die Dinge, die er inzwischen über ihn wusste und ihn sich über nichts mehr wundern ließen. Doch er hatte nicht vor, sich auf Jos' lächerlichen Streit einzulassen.
Es war ein langer Weg gewesen. Didi und Helmut hatten nicht unbedingt einen Anlass gesehen, Jos auf Abstand zu Max' zu halten. Aber selbstverständlich hatte er den Beiden nicht sagen können, warum genau Max seinen Vater nicht mehr dabeihaben wollte. Endlich war es so weit und selbstverständlich wollte der das nicht auf sich sitzen lassen. Das wäre gewiss auch zu leicht gewesen. Nur, warum konnten die Dinge nicht eben auch mal einfach sein? Aber für ihn stand fest, dass er Max in jedem Fall schützen würde, so gut er konnte.
Wenn er ihm schon sonst nicht das geben konnte, was er tatsächlich wollte. Denn Max hatte ja leider recht. Natürlich waren diese Gefühle nicht einseitig. Nur zulassen konnte er es unmöglich. Sie durften das niemals tun.

„Ist das so?", gab er mal so gelassen wie möglich zurück.
Es war in Jos' Gegenwart nicht leicht, die eigenen Emotionen im Zaum zu halten. Dieser Kerl konnte einen in den Wahnsinn treiben. Man war gut beraten, immer auf der Hut zu sein und sich nicht von ihm aus der Reserve locken zu lassen. Provozieren konnte Jos ganz ausgezeichnet. Genauso wie an die Decke gehen.
„Was soll das? Er ist mein Sohn und ich hab ein recht dazu, ihn zu sehen", bestand Jos auf etwas, was einfach komplett lächerlich war. Das hier war schließlich kein Sorgerechtsstreit, sondern Max hatte den Wunsch geäußert, seinen Vater nicht mehr ständig um sich zu haben. Rennfahren war nun einmal sein Job und wer wollte schon am Arbeitsplatz noch unter der Überwachung seiner eigenen Eltern stehen? Noch dazu mit über zwanzig.
Max war inzwischen in jedem Land dieser Welt volljährig und es war alleine seine Entscheidung, wen er dabeihaben wollte und wen nicht. Klar, Max verdankte Jos viel, allerdings nicht nur Gutes.
„Er ist zweiundzwanzig. Er kann selbst entscheiden, wen er sehen möchte und wen nicht", stellte er also in aller Ruhe klar, zu der er sich gerade zwingen konnte. Selbstverständlich würde er diesem Wichser sehr viel lieber eine reinhauen, nur würde er ganz gewiss nichts tun, womit er Max' Leben noch schwerer machte, als es das im privaten Bereich ohnehin schon war.
„Christian, das ist mein Ernst, ich gehe nicht, bevor ich mit Max gesprochen hab", beharrte Jos und zerrte damit weiterhin an seinen Nerven. Dennoch würde er sich von dem ganz sicher nicht drohen lassen. Genau genommen war dieser ganze Auftritt absolut affig und mehr als unnötig.

Er beendete noch den Satz, bei dem Jos ihn vorhin unterbrochen hatte.
Dann ließ er den Stift fallen, ordnete die Papiere noch, die auf seinem Schreibtisch verteilt lagen und war dann im Grunde genommen fertig für heute. Nur, dieser Störfaktor, der da vor seinem Schreibtisch hockte, versaute ihm seinen wohlverdienten Feierabend. Es war schon wieder dunkel draußen, dabei hatte er versprochen, heute eher zurück zu sein.
Nie konnte er seine Versprechen einhalten und das trieb seine Frau so sehr in den Wahnsinn, dass sie einer Trennung mal wieder näher waren, als einem harmonischen Eheleben.
„Dann lass es dir in meinem Büro nicht zu langweilig werden. Ich werde nämlich gleich nach Hause gehen", teilte er Jos mit, richtete sich auf und machte sich auf den Weg, doch selbstverständlich folgte Jos ihm, holte ihn auf dem Gang ein und griff ihn bei der Schulter, um ihn zum Stehenbleiben zu bringen.
„Ihr habt einen Keil zwischen meinen Sohn und mich getrieben. So ist es ja immer. Die jungen Sportler hochholen, damit man sie beeinflussen und ihren Eltern entreißen kann", kam Jos ihm mit den nächsten Vorwürfen, die selbstverständlich haltlos waren. Allerdings war Jos nicht der erste Idiot, der sowas von sich gab.
„An deiner Stelle würde ich den Bogen nicht überspannen. Es ist Max' alleiniger Wunsch, ein wenig Abstand zu bekommen und dieser Bitte kommen wir als sein Arbeitgeber nach", blieb er so professionell wie möglich, doch das nahm Jos direkt wieder zum Anlass, persönlich zu werden. Etwas anderes konnte der wohl tatsächlich nicht.
„Toto hat schon recht. Du bist ein Schwätzer. Das ist doch alles Unsinn!", konfrontierte Jos ihn direkt mit seinem Lieblingsfeind im Grind, dabei war ihr Verhältnis deutlich weniger schlecht, als es von den Medien so gerne dargestellt wurde. Aber das war eine andere Baustelle.

Ihm ging etwas die Geduld für diesen Unsinn aus.
Er ließ sich nicht anmerken, wie wütend ihn das alles machte und entgegnete: „Das besprichst du dann in Zukunft vielleicht lieber woanders. Max steht bei uns unter Vertrag und nicht du und wenn du hier noch einmal ungebeten erscheinst, kriegst du ein Hausverbot und ich lasse dich hier entfernen."
Das wäre sehr leicht durchgesetzt und er konnte wohl nur hoffen, dass Jos es nicht drauf ankommen ließ. Am Ende schadete er damit wieder einmal nur Max und half keinem weiter.
„Das könnte dir so passen, was? Ihr versucht mich aus seinem Leben zu drängen. Was versprichst du ihm dafür, dass er mit dir schläft?", kam Jos ihm mit dem wohl schwersten Vorwurf, den er ihm machen konnte und selbstverständlich brachte ihn das innerlich durchaus in Rage.
Er wusste ja um all das, was Max eigentlich von ihm wollte und was er seit Jahren ablehnte. Klar, dass solche Unterstellungen deutlich mehr in ihm auslösten. Aber er durfte nicht zulassen, dass er sich deswegen verriet oder Jos sonst irgendeinen Hinweis gab, den er gegen ihn verwenden könnte.
„Vorsicht, Jos. Du solltest keine Anschuldigungen aussprechen, die du nicht beweisen kannst. Du bringst dich nur in Schwierigkeiten", entgegnete er so ruhig er konnte, doch der Wunsch, sich mit diesem ekelhaften Arsch zu prügeln, wurde immer größer.

Jos schnaubte, sah ihn voller Verachtung an.
„Du bringst dich in Schwierigkeiten. Ich hab schon gesehen, wie du ihn ansiehst. Aber das eine sage ich dir, wenn ich rauskriege, dass du dich an ihm vergehst, wirst du das bitter bereuen!"
Der Ausdruck auf Jos' Gesicht und die geballten Fäuste ließen keinen Zweifel daran, dass er einen Punkt erreicht hatte, an dem er auch nicht mehr davor zurückschrecken würde, zuzuschlagen. Jos war gefährlich. Das stand außer Frage. Er hatte schon Verurteilungen wegen Körperverletzung und Max hatte ihm die schrecklichsten Dinge erzählt. Man sollte sich zwar nicht einschüchtern lassen, doch unterschätzen durfte man ihn auch nicht. Das wäre ein fataler Fehler.
Am liebsten würde er ihm sagen, dass er nicht von sich auf andere schließen sollte oder ihn fragen, ob er da aus eigener Erfahrung sprach, aber es war nicht klug, ihn zu provozieren.
„Dir fällt hoffentlich selbst auf, wie absurd das ist. Du solltest dir sehr gut überlegen, was du tust", ließ er seinerseits ebenfalls keinen Zweifel daran, dass es für Jos ein Nachspiel haben sollte, falls er tatsächlich mit Gewalt gegen etwas vorgehen wollte oder sich einfallen ließ, ihn in Verruf zu bringen, denn das würde er dann ganz sicher nicht auf sich sitzen lassen.
„Das habe ich bereits. Das wird dir noch sehr leidtun!", schlug Jos verbal erneut zurück und damit war im Grunde auch klar, dass sie nicht mehr sehr weit kommen würden.
Es war unfassbar traurig, was Max da mit seinem Vater jedes Mal mitmachen musste. Ob Jos wohl je bemerken würde, was er seinem Sohn alles zerstörte, nur damit dieser seinen Ansprüchen genügte? Es war kaum zu ertragen, nur konnte er sich leider nicht in alles einmischen. Alles was er tun konnte war, Jos nun stehen zu lassen und sich diesen ganzen Mist hier nicht länger zu geben.
„Gute Nacht, Jos."


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