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Compatibility Issues | Kevin Magnussen x Esteban Ocon (Ocon x Stroll)

Compatibility Issues

Montréal, Kanada
18. Juni 2023

Er war gerade am Hotel angekommen und betrat die Lobby, als sein Handy klingelte.
Als er es aus der Hosentasche zog und einen Blick aufs Display warf, verdrehte er sofort die Augen. Das musste er gerade echt nicht haben, aber besser er brachte das hinter sich, denn der treudoofe Naivling würde ihn sonst den ganzen Abend terrorisieren und da er seine Zimmernummer kannte, wollte er das auf keinen Fall riskieren.
Er nahm sich nur einen Moment in sich zu gehen, sich zu sammeln und seine betonte Freundlichkeit wieder hervorzukramen, die er eigentlich schon in den Feierabend geschickt hatte.
„Lance, was gibt's?", säuselte er so zuckersüß wie stets und obwohl der andere ihn ja gerade nicht sehen konnte, zwang er sich dieses gekünstelte Lächeln auf die Lippen, damit er noch überzeugender klingen konnte.
Wann war das alles nur so krampfig geworden?
„Hey, ähm... Also, ich wollte dich nur fragen, ob du schob mit deinen Interviews fertig bist?", piepste Lance ihm ins Ohr und wieder musste er gegen den Drang ankämpfen, sich für so viel Planlosigkeit die Hand vor die Stirn zu schlagen. Manchmal fragte er sich in der Tat, wie hohl Leute sein konnten.
„Wäre ich sonst ran gegangen?", gab er also etwas verständnislos zurück. Das musste diesen Menschen doch mal auffallen, dass ihre Fragen komplett überflüssig waren, nur erwartete er da wohl zu viel von seinem Umfeld.

Lance stutzte kurz, ehe er verlegen lachte und stammelte: „Ja, okay. Da ist was dran."
Er wollte sich bemühen, nett zu sein, aber die Luft war sowas von raus. Er hatte ein gutes Rennen gehabt, das konnte er nicht anders sagen, aber irgendwie war er trotzdem platt und hatte auf das ganze Lance-Theater eigentlich keine Lust. Zumal er genau wusste, wie der Abend dann aussehen würde.
„Sonst noch was?", kam es ihm über die Lippen und obwohl er versuchte, es interessiert klingen zu lassen, hörte es sich in seinen Ohren nach dem Gegenteil an und so war es ja auch. Eigentlich interessierten ihn Lance' triviale Sorgen gerade überhaupt nicht.
„Ja, also... Ich wollte wissen, ob du noch zu mir kommst oder ob ich zu dir kommen soll."
Das hatte er befürchtet und seufzte lautlos. Ja, sie hatten etwas, was man Freundschaft nannte. Sogar mit gewissen Vorzügen. Nur irgendwie wurde das mit jedem Jahr lästiger. Denn es fiel ihm immer öfter auf, dass Lance sich aus seiner Teenagerrolle überhaupt nicht rausentwickelte, während sich für ihn einige Dinge änderten.
„Nicht heute", lehnte er also ab.
Das tat er äußerst selten, aber er musste sich schon fragen, wofür er sich das noch antat. Wegen dem Sex? Weil ihm irgendwie doch etwas an seinem unterwürfigen Freund lag? Das war doch bescheuert. Er tat Lance nicht gut und er selbst konnte mit ihm immer weniger anfangen. Er sollte sich endlich mal von ihm lösen, damit jeder seinen Weg gehen konnte.
Aber etwas sagte ihm, dass das nicht so leicht werden würde...

„Bist du etwa sauer wegen gestern?", wollte Lance von ihm wissen.
Damit meinte er wohl die kurze Begegnung im Qualifying, als Lance ihm in seine Runde gefunkt hatte, weil er an einer ungünstigen Stelle auf der Strecke gewesen war. Aber was interessierte ihn am Sonntag, was am Samstag gewesen war? Wenn man sich so an etwas festbiss, war man hier komplett falsch.
„Quatsch, wieso denn?", fragte er zurück und überlegte, wofür sie dieses Gespräch gerade eigentlich führten. Empfand er noch irgendwas für Lance? Wie stand er heute zu ihrer Freundschaft? Er sollte das in der Tat mal ganz dringend hinterfragen.
„Weil ich dir auf der Strecke im Weg gewesen bin", hing Lance sich nun tatsächlich daran auf, worin er überhaupt keinen Sinn sah.
„Davon müssen wir kein Drama machen", wiegelte er also lieber direkt ab. Er wollte eigentlich nur noch unter die Dusche und sich ein bisschen ausruhen. Oder mit jemandem seine Zeit verbringen, der ihn nicht komplett langweilte.
„Na gut, aber wieso willst du nicht? Hab ich was falsch gemacht?", ließ Lance aber nicht locker. Das war so nervig...
„Nein. Aber mir ist nicht danach", begründete er schlicht, wieso er sich heute nicht mit Lance treffen wollte. Er wusste, dass es ihm wichtig war, weil Kanada eben sein Heimrennen war. Aber sich nun den ganzen Abend anhören, wie blöd es war, dass Fernando ein Podium holte, während er selbst es gerade so in die Punkte geschafft hatte, brauchte er nun echt nicht.

„Sicher? Ich meine, wenn du nicht reden willst, können wir ja auch nur Sex haben", schlug Lance ihm direkt vor und klar, er gab sich nicht unbedingt Mühe zu verbergen, dass Bettsport in seinem Leben einen sehr hohen Stellenwert einnahm.
Seltsam, dass ihm diese Äußerung einen Stich versetzte. Er konnte sich das nicht erklären, weil er sich normalerweise nicht so viel daraus machte. Entsprechend konnte er sich seine eigene Reaktion darauf auch nicht so recht erklären, aber er klang schon ziemlich angefressen, als er entgegnete: „Danke Lance, dass du mir das Gefühl gibst, überhaupt kein Niveau zu haben!"
Das hatte er gar nicht so sagen wollen. Erstrecht nicht so drastisch und er konnte selbst durch das Handy irgendwie spüren, wie erschrocken der andere darüber war.
„Was? Nein! So hab ich das nicht gemeint!", ruderte der natürlich zurück und damit könnte er es auch gut sein lassen, aber aus einem ihm unerfindlichen Grund war er plötzlich total wütend auf Lance.
„Mach's dir selbst!", schoss er noch zurück.
„Esteban!", hörte er Lance zwar noch durch das Telefon krächzen, aber das interessierte ihn nicht. Er legte einfach auf und steckte das Handy zurück in seine Hosentasche. So empfindlich war er sonst nie und er war sich durchaus bewusst, dass er sich eine solche Aussage gefallen lassen musste.
Wieso störte ihn das gerade also?

Er sollte sich einfach auf sein Zimmer zurückziehen und sich hinlegen.