Teil 1: Secrecy | Max Verstappen x Lando Norris

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Secrecy


Istanbul, Türkei
16. November 2020



Sein Herz pochte so wild in seiner Brust, dass er fast meinte, er würde daran vergehen, während er die Tür vorsichtig aufzog, um einen Blick auf den Gang zu riskieren.
Wenn das mal schiefging... Er wollte lieber gar nicht darüber nachdenken, was dann los wäre. Es war ein verdammt hohes Risiko, welches sie jedes Mal eingingen. Ob Max sich nun zu ihm schlich oder umgekehrt, war dabei wohl egal. Wenn man sie erwischen würde, dann hätten sie einiges zu erklären. Trotzdem hatte er der Niederländer nach diesem grässlichen Wochenende doch nicht alleine lassen können.
Nicht nur, dass er nach dem Qualifying schon so ein Häufchen Elend gewesen war. Das Rennen hatte es nicht besser gemacht und wie er gestern bestätigt bekommen hatte, brauchte der Ältere ihn eben manchmal auch, wenn es ihm schlechtging. Etwas, was man aus Max' Mund nur selten hörte, was ihm dafür aber umso wertvoller erschien.
Um der Gefahr, erwischt zu werden vorzubeugen, war es eigentlich immer klug gewesen, noch in der Nacht wieder ins eigene Zimmer zurück zu huschen, nur war es ihm unmöglich erschienen, seinen Freund so früh wieder zu verlassen, nachdem er ihn am Samstag schon nicht hatte trösten dürfen. So ganz ließ es dessen Dickschädel nämlich noch nicht zu, dass man sich um ihn kümmerte, dass er auch mal seine schwachen Momente preisgab.

Ob sich das jemals ändern würde? Immerhin war Max so erzogen worden. Immer Stärke zeigen, nicht nachgeben und schon gar nicht irgendwelche Gefühle ins Spiel bringen. Er seufzte innerlich, wenn er nur daran dachte, wie viel Zeit und Mühe es gekostet hatte, dem Älteren mal deutlich zu machen, dass es Dinge gab, von denen sein Vater einfach so gar keine Ahnung zu haben schien.
Zu ihrem großen Glück, hatten sie bisher allen Hindernissen getrotzt und auch, wenn ihn Max' Art manchmal immer noch verunsicherte, zweifelte er nicht daran, dass ihre gemeinsame Zukunft diese Mühe wert war. Alleine an den Niederländer zu denken, ließ ihn jedes Mal ziemlich debil vor sich hin grinsen und wenn sie zusammen waren oder wenn er auch nur seine Stimme am Telefon hörte, dann flogen Schmetterlinge definitiv wieder Achterbahn, so kitschig und blöd das manchmal auch klang.
Aber er hatte sich mal sagen lassen, dass es okay war, ein bisschen vernagelt zu sein, wenn man frisch verliebt war. Offensichtlich erging das wohl fast jedem so, also kein Grund zur Panik. Anders, als sein Vorhaben, nun ungesehen von Max' Zimmer in sein eigenes zurück zu schleichen. Es war leider schon viel zu früh am Morgen. Die Gänge waren nicht mehr so leer und zu allem Überfluss war heute ja auch Abreisetag. Ein kleines, aber nicht ganz unbedeutendes Detail, welches sie gestern wohl noch erfolgreich ausgeblendet hatten.
Was sollte er jetzt tun? Er konnte ja schlecht an der Außenfassade entlang klettern, wie man das aus irgendwelchen Filmen kannte. Zum einen funktionierte sowas nur dort und zum anderen war er viel zu tollpatschig veranlagt, um an ein solches Vorhaben ernsthaft zu denken. Trotzdem konnte er schlecht bleiben, auch wenn er das nur zu gerne würde, aber auf dieser Etage wimmelte es nur so von Red-Bull-Mitarbeitern...

Es half nichts. Er konnte sich das noch zwanzig Mal hin und her überlegen, einen besseren Plan würde er davon nicht bekommen und die Zeit saß ihm im Nacken. Immerhin würde sein eigener Physio auch in ein paar Minuten vor seiner Tür stehen und ihn erinnern, dass sie pünktlich am Flughafen sein mussten. Wenn er dann nicht da war, hätte er wohl ein ernsthaftes Problem, auf das er gut und gerne verzichten konnte.
Also nahm er all seinen Mut zusammen, als die Luft rein zu sein schien und flitzte los. So leise er eben konnte, auch wenn er alles andere als leichtfüßig war. Er versuchte sich an Max' Ratschlag zu erinnern, dass er einfach ganz unauffällig bleiben sollte. Das war leichter gesagt, als getan, wenn das eigene Herz gefühlt tausend Schläge pro Minute machte. Gut, anatomisch wäre er damit wohl ein wahrhaftiges Wunder...
Rasch versuchte er, den langen Gang hinter sich zu bringen und die Aufzüge zu erreichen. Er würde sich schon deutlich wohler fühlen, wenn er wieder unter Mitgliedern des eigenen Teams war, dann konnte man sich bedeutend besser erklären. Einem Crew-Mitglied eines gegnerischen Teams hingegen wollte er lieber nicht erklären, weshalb er sich hier herumdrückte. Darauf konnte es einfach keine gute Erklärung geben.
Wieso musste Max sein Zimmer überhaupt so weit von den Fahrstühlen entfernt haben? Das war ein Faktor, auf den sie in Zukunft vielleicht doch etwas besser achten sollten. Sich einfach bei demjenigen Treffen, dessen Zimmer dichter an den Aufzügen lag. Vielleicht ein bisschen paranoid, aber man konnte in ihrer Welt einfach nicht vorsichtig genug sein, denn Gerüchte waren schließlich sehr schnell gestreut.

Fast schon hatte er sein Ziel erreicht, als ihm plötzlich das Herz sprichwörtlich in die Hose rutschte. Geistesgegenwärtig konnte er sich gerade noch hinter einer der riesigen Zierpflanzen, die hier herumstanden, in Sicherheit bringen. Das war doch wohl ein schlechter Scherz, oder? Gerade wollte er sich am liebsten in den Hintern beißen!
Kurz, bevor er die Aufzüge erreichte, hatten sich diese geöffnet und ausgerechnet sein eigener Teamchef musste diese Etage betreten. Was tat der hier überhaupt? Waren nicht gerade die immer sehr darauf bedacht, dass man um die anderen Teams besser einen großen Bogen machte und so tat, als wären die überhaupt nicht da? Wobei ihm das gerade auch nicht half. Zum Glück hatte der Ältere ihn wohl nicht gesehen. Zugegebenermaßen war er schon ziemlich neugierig, wo Andreas hinwollte, aber er war ganz sicher nicht so wahnsinnig, sich einzubilden, dass er seinen Teamchef auch nur ansatzweise beschatten könnte. Das war zu riskant!
Statt also hinter dem Blumentopf hocken zu bleiben und einen besseren Blick zu erhaschen, wollte er die Gunst der Stunde lieber nutzen und sich durch die noch offene Aufzugtür schieben, damit er hoffentlich auch ungesehen blieb. Wenn er schnell genug war, schloss sich die Tür dann fast direkt hinter ihm und dann hatte Andreas keine Chance, ihn zu sehen.
In seinem Kopf klang der Plan zumindest ganz gut. Er versuchte sein Versteck so vorsichtig, aber gleichzeitig auch so schnell wie möglich zu verlassen und schlug dabei dummerweise mit dem Fuß ziemlich geräuschvoll gegen den Kübel. Das hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Jetzt nahm er wirklich die Beine in die Hand und wetzte regelrecht in den Schutz des Aufzugs, drückte panisch auf den ersten Knopf, den er finden konnte – mehrmals – und wagte es erst wieder zu atmen, als sich der Fahrstuhl langsam in Bewegung setzte.

Völlig fix und fertig lehnte er sich erst einmal an die Wand und versuchte, seine Atmung wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen. Warum um alles in der Welt musste er nur so ungeschickt sein? Das hätte wirklich schiefgehen können und er wollte niemals schuld daran sein, dass Max und er aufflogen. Das könnte er sich doch niemals verzeihen. Im Gegensatz zu seinem Freund hatte er a das Glück, dass seine sexuelle Orientierung seiner Familie nichts ausmachte, aber bei Max sah das eben anders aus.
Er wollte ihn auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen, schon gar nicht, weil er sich einfach dämlich anstellte. Max war ihm zu wichtig, doch er sollte versuchen, sich in das Wenn nicht zu sehr hineinzusteigern. Es war schließlich alles noch einmal gutgegangen und nun musste er eben beim nächsten Mal noch ein bisschen vorsichtiger sein. Das würden sie schon hinbekommen. Jedenfalls gab der Niederländer ihm immer das gute Gefühl, dass sie alles gemeinsam schaffen konnten, was sie wollten.
Schon bedeutend ruhiger, kam der Aufzug schließlich zum Stehen und ihm fiel wieder ein, dass er ja nur auf irgendeinen Knopf gedrückt hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zufällig die eigene erwischt hatte, war verschwindend gering. Ein solcher Glückstreffer würde ihm gar nicht ähnlichsehen und so war er eben noch einen Moment unterwegs. Doch besser so, als vom eigenen Teamchef erwischt zu werden und schon drängte sich ihm wieder die Frage auf, was um alles in der Welt Andreas dort gewollt haben könnte...


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