Gloomy | Felipe Drugovich x Logan Sargeant & Felipe Drugovich x Oscar Piastri

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Gloomy



Miami, Florida, USA
7. Mai 2023



Er mochte es nicht zu lächeln, wenn es nichts zu lächeln gab.
Den zwölften Platz in Bahrain fand er noch okay, der sechzehnte in Jeddah war schon deutlich enttäuschender, aber noch nichts, weswegen er sich Sorgen gemacht hätte. Das passierte am Anfang. Aber Australien wurde nicht besser und Baku war dasselbe Spiel. Der sechzehnte Platz wurde schon beinahe zu seinem Fluch. Aber heute hatte er gezeigt, dass er das ganze sogar noch sehr viel schlechter konnte.
Ausgerechnet hier. Miami war nicht nur sein Heimrennen, es war auch sein Zuhause. Er war nur einen Steinwurf von hier aufgewachsen. Das bedeutete ihm so verdammt viel und dann schied er aus, wurde gerade noch als zwanzigster und damit Letzter gewertet.
Jetzt konnte er nur hoffen, dass er diese Saison komplett fahren durfte. Klar, er brachte Williams viel Geld, aber das nützte ihnen unterm Strich auch nicht so besonders viel, wenn sie jedes Mal seine Karre reparieren mussten. Er wusste doch, dass er es besser konnte, aber hier biss er sich an so vielen Kleinigkeiten einfach die Zähne aus. Und der FW45 machte einfach nicht, was er wollte.
Aber viel schlimmer war, dass er dafür eigentlich gar nicht den Kopf hatte.

Bis heute wollte er sich das nicht so richtig eingestehen, aber seine Leistung litt arg unter seinen privaten Kriegsschauplätzen.
Ja, man musste professionell sein, man durfte das nicht miteinander vermischen und durfte den Fokus nicht verlieren. Er kannte diese ganzen bescheuerten Phrasen. Sein älterer Bruder Dalton wurde ja auch nicht müde, sie ihm vorzubeten. Er hatte ihn wirklich gern, aber müsste er jedes Mal einen trinken, wenn er ihm mit irgendwelchen abgedroschenen Sprüchen kam, wäre der Ärmste sicher Alkoholiker.
Er hatte es nie gemocht, wenn Dalton versuchte, ihm Ratschläge zu geben. Nicht, weil er mit seinem Bruder nicht auskam, aber er wollte nun einmal seinen eigenen Weg gehen und konnte es nicht leiden, wenn dann eine verschwörerische Miene gezogen wurde. Allerdings hätte er in einer Hinsicht wohl besser auf Dalton hören sollen.
Er hätte niemals etwas mit einem anderen Fahrer anfangen sollen. Zum einen war das verdammt gefährlich, weil man immer damit rechnen musste, nicht vorsichtig genug zu sein und aufzufliegen. Zum anderen, weil man dann in diesem Dilemma feststeckte, wie er gerade, wenn die ganze Sache schiefging. Er kam sich vor, wie der letzte Trottel und das war er wahrscheinlich auch. Aber er hätte seinem inzwischen Ex-Freund eben nicht zugetraut, so ein Arschloch zu sein.

Man sollte meinen, dass das miese Rennen ihm schon genug zu denken geben sollte.
Stattdessen saß er hier wieder blöd rum und beschäftigte sich mit seinem gebrochenen Herzen. Vielleicht wäre es leichter, damit abzuschließen, wenn es nicht so ein tiefgreifender Verrat gewesen wäre. Dass man Anfang zwanzig nicht unbedingt den Partner fand, mit dem man sein ganzes Leben verbrachte, war ihm auch klar. Aber musste dieser Wichser ihn so dermaßen verarschen?
Er hatte dieses Bild leider noch viel zu gut vor Augen. Es war letztes Jahr in Österreich gewesen. Eigentlich würde er sich lieber an den Sieg erinnern, den er dort geholt hatte. Ein großartiges Rennen und sie hatten sich danach treffen wollen. Er hatte sich über die Glückwünsche gefreut, es niedlich gefunden, dass er daran gedacht hatte, obwohl sein Rennen mit Platz elf zum vergessen gewesen war.
Obwohl sie in der Formel 2 Konkurrenten gewesen waren, nicht für dasselbe Team fuhren, hatte er immer das Gefühl gehabt, sie würden einander respektieren. Dass das ein Irrtum war, hatte er an dem Abend noch bitter erfahren müssen. Nachdem er die Nacht bei ihm verbrachte und sich früh wieder zu seinem eigenen Team zurückschleichen wollte, hatte er dummerweise seinen Paddock-Pass bei ihm liegen lassen und musste noch einmal zurück.
Nur um die beiden Wichser dann beim Knutschen zu erwischen.

Unfassbar!
Er war vielleicht zehn Minuten weggewesen und da hatte er es so nötig, direkt seinen zweiten Lover anzurufen! Er konnte es nicht fassen! Wie hatte dieser Penner ihm das nur antun können? Und auf sein erneutes Erscheinen folgte nicht etwa Verlegenheit und eine dieser klischeebehafteten Entschuldigungen, bei denen behauptet wurde, dass man es erklären könnte.
Das wäre zwar auch selten dämlich gewesen, aber immer noch besser, als ein simples ‚Ups'. Das war alles, was als Reaktion gekommen war. Er hatte nicht einmal einen Grund dafür bekommen. Außer natürlich, dass sein Ex eben ein Mann war und Bedürfnisse hatte. Er schnaubte, als er wieder an diese Worte dachte und daran, wie er ihm mitgeteilt hatte, dass sie doch jung und unverheiratet waren und man da doch mal was ausprobieren konnte.
Er hätte nie geglaubt, dass er so sein könnte. Das war zehn verdammte Monate her, aber es tat immer noch weh. Weil er seinen blöden Ex ständig bei Aston Martin durch die Box hüpfen sah und den anderen Idioten, mit dem er ihn betrogen hatte, ja passenderweise auf sehr kuriose Art ebenfalls zu einem Formel-1-Cockpit gekommen war. Das musste echt ein ganz mieser Scherz sein.

Eigentlich war der Plan, all das endlich hinter sich zu lassen.
Er hatte sein Heimrennen genießen wollen, viel mit Freunden und der Familie unternehmen wollen, aber jetzt wollte er wieder nur alleine sein. Er hatte keine Lust seinem Vater wieder umständlich zu erklären, wieso nicht mehr drin gewesen war oder sich unter vier Augen von Dalton wieder anzuhören, dass das ja der Grund war, warum man sich keine anderen Rennfahrer als Partner aussuchen sollte.
Es war ohnehin schwierig. Sein Vater wusste nichts von seinem Desinteresse am anderen Geschlecht. Seine Mutter war da durchaus im Bild. Und sein Bruder war der Einzige, der wusste, mit wem er zusammen gewesen war.
Das war zusätzlich belastend, weil jeder, abgesehen von seinem Vater aufpassen musste, was er oder sie sagten. Das machte es zusätzlich kompliziert, eine solche Heimkehr richtig zu genießen. Aus diesem Grund hatte er sich auch alleine an den Strand zurückgezogen. Die Dämmerung war schon weit genug fortgeschritten, um nicht mehr von jedem sofort erkannt und belagert zu werden.
Zumal sich sein Bekanntheitsgrad hier tatsächlich noch einigermaßen im Rahmen hielt. Das konnte man nicht mit Fahrern wie Fernando vergleichen, die in Spanien sicherlich keinen Schritt mehr machen konnten, ohne erkannt zu werden. Und für Lewis war es in England sicherlich dasselbe. Davon war er weit entfernt.

Am Meer konnte er seine Gedanken etwas besser sortieren.
Es war ein bisschen so, als könnte man sie in die Wellen schubsen und dann am Horizont kleiner werden sehen. Es half ja nichts. Was in Österreich passiert war, war passiert und das ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
Er hatte noch rausgefunden, dass das zwischen den Beiden schon ein paar Monate gelaufen war. Er sollte froh sein, dass er ihnen auf die Schliche gekommen war und es nicht noch später herausgefunden hatte. Es war wohl besser so, als wenn er noch mehr Zeit an ihn verschwendet hätte, nur tat es nun einmal weh. Die Trennung hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht und seitdem klappte einfach nichts mehr so, wie es sollte.
Statt seiner düsteren Gedanken, würde er lieber seinen Ex im Meer versenken. Ihm einen kräftigen Stoß verpassen und dann gelassen dabei zusehen, wie er davon trieb.
Nicht, dass er zu solchen Mitteln jemals greifen würde, aber manchmal genügte es auch schon, sich solche Dinge einfach nur vorzustellen. Es war lange genug her. Er sollte endlich loslassen und nach vorne sehen und diese Worte hatten in seinem Kopf eindeutig Daltons Stimme. Das brachte ihn wenigstens mal kurz zum Schmunzeln, aber nur, bis er Stimmen hörte.

„Hier ist perfekt!"
Fuck... Das durfte doch nicht wahr sein.
„Bist du sicher, dass uns hier niemand erwischen wird?"
Waren die echt so dämlich? Und was war das wieder für ein Tiefschlag von der Karma-Göttin, ausgerechnet diese zwei Vollpfosten hier vorbeizuschicken?
„Ob du's glaubst oder nicht, manchmal hatte Logan ganz gute Ideen, wo man ungestört sein kann."
Dieser miese filho da puta! Hatten die das echt noch nötig?
„Du solltest ihn nicht so schlecht machen. Ihr wart doch immerhin fast zwei Jahre zusammen."
Oh wie edelmütig. Das machte es gerade aber auch echt nicht besser!
„Ach was, der war gut zum Vögeln. Ansonsten ist er ein naiver Trottel."
„Ein naiver Trottel, der jetzt in der Formel 1 fährt. Wieso bist du da noch nicht?"
Nein, auf diese Grütze hatte er jetzt echt keine Lust mehr, also richtete er sich auf und störte die Beiden anderen Mal, die schon wieder kurz davor waren, so ekelhaft aneinander rum zu lecken.
„Der naive Trottel kann euch notgeile Arschlöcher hören!", platzte es aus ihm heraus und wenigstens hatten sie mal den Anstand, kurz zusammen zu zucken und ein bisschen getroffen auszusehen. Zumindest einer von ihnen.
Was seinen Ex-Freund betraf, brauchte der nicht sonderlich lange, um ihn wieder nur zu belächeln.
„Machst du jetzt wieder einen auf Drama? Das ist ein Jahr her, komm mal klar!", wurde ihm an den Kopf geknallt.

Der Typ war so mies!
Wie hatte er sich denn nur in ihn verlieben können? Wie bescheuert konnte man bloß sein? Der war es überhaupt nicht wert, dass er sich noch über ihn und sein ekelhaftes Verhalten aufregte. Er sollte den endlich ignorieren. Er sollte einfach so tun, als ob es ihn gar nicht gab.
„Felipe, lass doch gut sein."
Wäre ratsam, aber er wusste, dass Drugovich diesen Ratschlag seines neuen Freundes nicht annehmen würde.
„Ach komm schon, Oscar. Wie lächerlich kann man denn sein?", sah Felipe wie üblich nicht ein, dass er sich hier wie das letzte Stück Scheiße aufführte. Anschließend trafen sich ihre Blicke wieder und sein Ex richtete die nächsten Worte direkt an ihn. „Ehrlich Logan, was hat denn so ein hoffnungsloser Naivling und Romantiker wie du in diesem harten Business verloren? Du bist so dermaßen schlecht, da hätten die auch Goatifi behalten können!"
Er hasste das. Dieses ganze Verhalten. Er hasste es, wie Felipe seine Art, nun einmal an die große Liebe zu glauben, so ins Lächerliche zog und er mochte es auch nicht, wie er über den Kanadier redete. Klar, der hatte sich in der Formel 1 nicht immer mit Ruhm bekleckert und einige extrem schlechte Rennen gezeigt.
Aber wie man ihn später im Netz angegriffen und verspottet hatte, ging einfach nur noch zu weit. Ja, sollte Felipe ihn doch einen Schwächling dafür nennen, dass er mit solchen Menschen eben Mitgefühl hatte. Aber er war eben niemand, der so respektlos mit anderen umging.

„Naja, so lange diese naiven Schwachköpfe dir dein hochverdientes Cockpit blockieren, wird dir das ja auch nicht viel helfen. Also viel Spaß auf der Ersatzbank."
Er bildete sich nicht ein, dass er besonders gut kontern konnte. Das war auch nicht sein primäres Ziel. Er wollte nur nicht wieder alles so einfach runterschlucken. Das tat ihm nicht gut. Er hatte das lange genug in sich reingefressen und das machte seine Situation jedes Mal noch schlechter, als sie ohnehin schon war. Damit musste endlich Schluss sein.
Es mochte sein, dass Felipe mehr Talent als sie alle hatten. Es mochte sein, dass es ungerecht war, dass Aston Martin dank Lawrence Stroll weiterhin ein Cockpit an dessen Sohn verschwendete. Aber so war es nun einmal. Es war nicht immer fair und heute brauchte man neben Talent eben auch sehr viel Geld. Das fand er selbst auch ungerecht, aber das ließ sich nicht ändern. Deswegen aber auf alle zu schimpfen, die durch Geld an ein Cockpit kamen, würde Felipe auch keins verschaffen.
„Willst dich etwa mit mir anlegen?", fuhr Felipe wie üblich mit seinem hitzigen Gemüt auf. Er hatte schon immer eine sehr kurze Zündschnur besessen.
„Nee, will ich nicht. Das bist du mir nicht wert. Genauso wenig wie der Atem, den ich gerade mit diesem hohlen Gespräch verschwende."
Er hätte gerne bissigere Worte benutzt, die Felipe auch mal ein wenig zusetzen würden, aber in sowas war er ganz schlicht und ergreifend nicht gut und das musste er auch nicht sein. Piastri schien das alles sichtlich unangenehm zu sein. Immerhin waren sie ja auch locker befreundet gewesen und der hatte nichts anderes zu tun, als sich auf den Kerl einzulassen, mit dem er eigentlich zusammen war.
Wenn er es sich recht überlegte, dann verdienten diese verlogenen Drecksäcke sich ganz ausgezeichnet.

Er hatte auch genug davon.
Er hielt es für besser, einfach zu verschwinden. Was Felipe ihm noch hinterher brüllte, war ihm egal. Sollten die Zwei doch da rumvögeln. Er hätte das so ausnutzen können. Er hätte sie heimlich fotografieren können, die Bilder an ihre Teams weiterleiten oder sogar veröffentlichen können. Wenn er wollte, könnte er sich an ihnen rächen, aber das war dämlich.
Er war nun einmal nicht so. Er war nicht das knallharte Arschloch und möglicherweise hatten die Menschen recht, die ihm sagten, dass die Formel 1 die falsche Branche für ihn war.
Aber er war nun einmal hier. Und damit mussten seine Kritiker leben. Er musste sich endlich mal bewusst machen, dass er es ohnehin nicht jedem recht machen konnte. Es würde immer Personen geben, die ihn nicht leiden konnten und ihn anfeinden würden. Das war ein Grund, sich dafür zu verbiegen und es Leuten rechtmachen zu wollen, die er überhaupt nicht kannte oder die er selbst nicht einmal mochte.
Vielleicht würde es ihm ja endlich mal gelingen, an dieser inneren Einstellung zu arbeiten. Möglicherweise würde er dann auch wieder befreiter fahren und seine Leistung doch noch ein wenig nach oben schrauben können. Auch, wenn das mit dem Williams alles andere als leicht werden dürfte.

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