Feelings
Silverstone, England
Am selben Abend
„Wie geht's deiner Nase?"
Er hatte die Hand immer noch in erhobener Haltung, weil er an die Tür des Hotelzimmers geklopft hatte und blinzelte Arthur nun ein wenig überrascht an. Dass er ihm so schnell aufmachen würde hatte er genauso wenig erwartet, wie die Frage, die er ihm sofort stellte.
„Äh... gut. Danke", antwortete er also direkt. Er brauchte sogar einen Moment, um zu erkennen, dass es um die Sache vorhin ging, als er ihn mit dem Fußball getroffen hatte. Bei ihm selbst war das längst aus den Gedanken verschwunden, weil er die vergangenen zwei Stunden damit verbracht hatte zu überlegen, wie er mit Arthur reden sollte. Er wollte das nicht falsch angehen und diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.
„Und deinem Gesicht? Ich hoffe es ist nicht angeschwollen", blieb Arthur aber weiterhin um sein Wohlergehen besorgt und sah ihn schon wieder so schuldbewusst an. Man könnte meinen, er habe ihm sonst was angetan, doch nach seiner Reaktion auf dessen Verschwiegenheit bezüglich Felipe und Oscar, sollte ihn das wohl nicht wundern. Da musste Arthur davon ausgehen, dass er nach wie vor verdammt wütend auf ihn war.
Er ließ die Hand langsam sinken und ganz automatisch breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus.
„Auch hallo erstmal", versuchte er zumindest mal eine ordentliche Begrüßung hinzubekommen, nur schien Arthur dafür etwas zu zerstreut zu sein, denn der sah ihn jetzt an, als habe er ihm erzählt, dass Ralph Boschung endlich einen Platz in der Formel 1 angeboten bekommen hatte. Sie wussten schließlich alle, dass das nie passieren würde.
„Hä?", machte sein Gegenüber und brachte ihn damit selbst wieder ein bisschen ins Grübeln. Er war sich ja vieler Dinge auch nicht so sicher und bei Arthur war sicher nicht alles der Tatsache geschuldet, dass er häufig abgelenkt war.
„Ich dachte, man begrüßt sich immer zuerst oder geht das in Europa anders?", hakte er also mal vorsichtig nach, nur schien Arthur gerade auf einer vollkommen anderen Frequenz unterwegs zu sein.
„Wieso in Europa?", wurde er gefragt und musste einfach darüber lachen. Arthur war auf seine Art völlig verplant und dabei einfach so niedlich, dass man ihn gern haben musste.
„Was ist denn jetzt?", wunderte Arthur sich noch, als ihm aber die Erleuchtung kam und er sich die Hand vor die Stirn schlug. „Oh, ach ja. Du bist ja Amerikaner. Tut mir leid, ich hab manchmal eine lange Leitung."
„Macht doch nichts", versicherte er ihm. Das störte ihn nun wirklich nicht. Allerdings sollten sie den Rest ihrer Unterhaltung möglicherweise nicht hier auf dem Flur fortführen, wo man sie hören könnte. „Darf ich vielleicht reinkommen?"
„Ja klar, sicher", bestätigte Arthur sofort und trat beiseite, damit er eintreten konnte. Er hatte noch keine zwei Schritte in das Zimmer gemacht, als Arthur schon hektisch loslief. Er selbst schloss noch die Tür hinter ihnen, während Arthur einen Berg Wäsche mit dem Fuß unter das Bett beförderte und murmelte: „Scheiße, das wollte ich noch wegräumen." Wieder schmunzelte er in sich hinein, bis Arthur sich wieder zu ihm umdrehte. „Also... Eigentlich wollte ich nicht so chaotisch sein. Ich versuch mir das abzugewöhnen."
„Mich stört das nicht", ließ er ihn also mal wissen. Es gab keinen Grund, dass Arthur sich deswegen Sorgen machen musste. Im Moment konnte er sich gar nicht vorstellen, dass ihn etwas an ihm ernsthaft stören könnte.
„Wirklich nicht?", wunderte Arthur sich sichtlich, während sie sich zumindest mal hinsetzten.
„Nein. Dass du ein kleiner Chaot bist, weiß man auch so", entgegnete er, denn das war sicher für jeden, der ihn ein bisschen kennengelernt hatte, sehr offensichtlich. Für alle, außer für Arthur selbst, wie es schien.
„Ach, echt?", war dieser einmal mehr ganz überrascht.
Er beschloss lieber mal auf das eigentliche Thema zu kommen. Auch, wenn er Arthur stundenlang dabei zusehen könnte, wie sich imaginäre Fragezeichen um seinen Kopf bildeten. „Weißt du, es tut mir leid, dass ich in Imola einfach abgehauen bin. Mir war das alles zu viel. Erst das Geständnis von Oscar, dann mein Streit mit Felipe und dann kam das noch oben drauf. Ich wusste nicht mehr wohin damit."
Arthur brauchte nicht lange, um seinen Worten zu folgen und mit ihm nun ganz ernsthaft über diese Sache zu sprechen. „Das kann ich absolut verstehen, Logan. Ich hätte doch dasselbe gemacht. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut." Und nun sah er wieder so betreten aus. So hatte er auch in Imola schon ausgesehen, aber da war er komplett blind dafür gewesen.
„Das glaub ich dir inzwischen auch", ließ er Arthur also wissen. Es tat ihm ja selbst leid, dass er sich die letzten Monate so scheiße deswegen gefühlt hatte. Was Charles gemeint hatte klang sehr danach, dass das für Arthur ganz schön hart gewesen sein musste.
Dieser warf ihm einen recht vorsichtigen Blick zu. „Wirklich?"
„Ja", bestätigte er sofort. Er überlegte kurz, ob er Arthur davon erzählen sollte. Er wollte keinen Zwist riskieren, aber am Ende war er ja nur deswegen jetzt hier, also... „Weißt du, ich hab eben gerade deinen Bruder getroffen."
„Charles? Wieso das denn?", wunderte Arthur sich natürlich darüber.
„Er kam zu mir und wollte reden", eröffnete er und konnte beobachten, wie Arthur das im ersten Moment wohl mehr verunsicherte, als dass es ihm half.
„Sowas macht er normalerweise aber nicht. Also, ich kann meine Angelegenheiten selbst regeln. Ich hab ihn nicht vorgeschickt oder so", versuchte er direkt zu erklären und er konnte nachvollziehen, dass Arthur befürchtete, dass er das so auffassen könnte. Tat er aber nicht.
„So kam es mir auch nicht vor", versicherte er Arthur direkt. „Eher, als ob er einfach nur möchte, dass du nicht mehr traurig bist. Und was er gesagt hat, stimmt schon." Er war definitiv nicht sauer, weil Charles das Gespräch mit ihm gesucht hatte. Im Gegenteil. Wer konnte ihm denn besser sagen, wie es Arthur ging und wie er war, als dessen Bruder selbst.
Klar, Charles würde ihm sicher nie etwas Negatives über Arthur sagen, aber er kannte dessen Charakter auch besser, als sonst jemand, außer eventuell seine Mutter. Das konnte er nicht wirklich beurteilen.
„Was hat er denn gesagt?", wollte Arthur schließlich von ihm wissen.
„Wie toll du bist", zögerte er nicht, ihm mitzuteilen. „Was für ein Mensch du bist. Dass du das nicht wolltest und dass es dir mies geht und das glaube ich ihm auch."
Er konnte beobachten, wie Arthur ein wenig verlegen wurde, wie er etwas nervös wurde und dann meinte: „Du musst dich jetzt deswegen aber nicht zu diesem Gespräch gedrängt fühlen. Er versteht sicher auch, wenn du keinem Kontakt mehr zu mir möchtest."
„Möchte ich aber. Weil dein Bruder mir etwas gesagt hat, was mir meiner auch gesagt hat", gestand er Arthur, denn er machte das wirklich nicht aus einem Pflichtgefühl heraus, sondern weil er erkannt hatte, dass ihm wirklich etwas an Arthur lag.
„Ja? Und was?"
„Dass ich dir zumindest die Chance geben sollte, zu reden. Ich will dir zuhören und das verstehen. Weil du mir auch was bedeutest", legte er die Karten also auf den Tisch. Er konnte es nicht leugnen und auch nicht ignorieren. Arthur hatte sich ganz langsam in sein Herz geschlichen und so enttäuscht er in Imola gewesen war, so sehr wollte er trotzdem, dass sie wieder miteinander redeten und das aus der Welt schafften.
Er konnte sehen, wie Arthur sich nun auf die Lippe biss und erst einmal selbst mit sich und seinen Gedanken rang.
„Logan, ich...", setzte Arthur an und sah ein wenig verzweifelt aus. „Tut mir leid, wenn ich jetzt taktlos und bescheuert bin, aber das meinst du ernst? Weil, also... bitte mach das jetzt nicht aus Rache oder sowas."
„Was?" Jetzt war er doch ein wenig verwirrt, denn damit hatte er nicht gerechnet. „Aber wieso sollte ich denn-?"
„Entschuldige", wurde er direkt unterbrochen und konnte sehen, wie nervös Arthur das Ganze machte. „Ich will dir echt nichts unterstellen und ich weiß, dass ich dazu auch kein Recht hab, aber ich bin schon verarscht worden und ich will sowas nie wieder erleben. Du bist mir echt verdammt wichtig und würdest du dir jetzt nur einen Spaß mit mir machen..."
Nachdem das alles aus Arthur rausgesprudelt war, zuckte er etwas hilflos mit den Schultern und man konnte ihm regelrecht von der Stirn ablesen, wie er befürchtete, schon wieder alles in den Sand gesetzt zu haben. Im ersten Moment war er echt kurz versucht, darüber ein wenig verärgert zu sein, aber er erkannte, dass das bei Arthur irgendwo herkam und er wollte die Geschichte irgendwann hören.
Er konnte sich wohl sicher sein, dass Arthur sowas nicht grundlos erklärte und wenn er selbst Verständnis für sich wollte, musste er es für ihn auch haben. Sonst hätten sie keine Basis.
„Ich sehe schon, wir brauchen wohl beide erstmal ein bisschen Vertrauen zueinander", warf er also mal ein und konnte sehen, dass seine milde Reaktion Arthur zumindest etwas von seiner Anspannung nehmen konnte.
„Ja, ich schätze schon", bestätigte dieser und wagte ein dezentes Lächeln und er konnte einfach nicht anders. Es brachte ihn wieder selbst zum Lächeln und da waren tausend Dinge, die er gerade so gerne einfach tun würde.
„Du bist echt total süß, wenn du so lächelst?", rutschte es ihm einfach heraus. Er war eben auch hoffnungslos verknallt, sonst wäre er jetzt nicht hier und sonst hätte es in Imola nicht so wehgetan. Er konnte diese Gefühle für Arthur nicht leugnen. Er hatte sich längst in diese ganzen, komischen Eigenheiten verguckt.
„Ich... Was bin ich?", hakte dieser allerdings mehr als überrascht und verwirrt nach und sah schon wieder so aus, als wüsste er überhaupt nicht mehr, was hier Sache war.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht aus dem Konzept bringen", entschuldigte er sich.
„Also, das machst du täglich", behauptete Arthur.
„Ja?" Wie das, wenn sie sich doch nie sahen? Und das nur, weil er den Kontakt nicht mehr zugelassen hatte, obwohl er den anderen in dieser Zeit wirklich sehr vermisst hatte.
„Ja", bestätigte Arthur. „Man, ich bin seit über einem Jahr in dich verknallt. Ich denk doch dauernd an dich und dann grinse ich dauernd so bescheuert."
Das tat er selbst wohl auch. Zumindest hatte er sich inzwischen auch schon dabei ertappt, aber dennoch musste er Arthur ein wenig widersprechen, denn... „An dir ist überhaupt nichts bescheuert." Im Gegenteil.
„Nicht?", wunderte dieser sich ernsthaft. Der wusste wohl nicht, wie toll er war.
„Nein. Weißt du, als wir uns immer unterhalten haben, da hab ich so oft gedacht: Wieso kann Felipe nicht so reagieren? Wieso kapiert er solche Dinge nicht? Und irgendwann hab ich mir sogar vorgestellt, wie es wäre, wenn wir zusammen sein könnten", erzählte er Arthur also von diesen Gefühlen, die er selbst so lange falsch interpretiert und unterdrückt hatte.
„Das hast du dir vorgestellt?", wunderte sein Gegenüber sich ein wenig.
„Ja. Und mich scheiße gefühlt und ein schlechtes Gewissen gegenüber Felipe gehabt obwohl ich das nie hätte haben müssen", führte er weiter aus. Das ärgerte ihn so. Dieser Wichser war es gar nicht wert, dass er so viele Gedanken an ihn verschwendet hatte.
„Das ist ja echt ziemlich blöd", erkannte Arthur.
„Oh ja. Deswegen war es auch so leicht, wütend auf ihn zu werden. Weil in meinem Kopf und vielleicht sogar in meinem Herz schon ein bisschen Platz für dich war. Und darum hat es dann auch so weh getan. Ich bin es gewohnt, dass Menschen um mich herum lügen, aber bei dir wollte ich einfach, dass es echt ist."
Er wusste nicht, wie er es ihm sonst beschreiben sollte, doch Arthur schien ich bereits zu verstehen. „Es ist echt. Logan, ich kann dir überhaupt nicht sagen, wie echt das ist. Ich..."
„Was?", wollte er wissen, als Arthur mitten im Satz abbrach.
„Nee, vergiss es. Ich vermassle das nur", schien dieser ziemlich unsicher zu sein. Umso mehr wollte er es natürlich wissen.
„Sag schon. Ich will es wissen", meinte er und wieder war Arthurs innerer Kampf nach außen sehr deutlich zu sehen. Das war einerseits schon wieder so verboten niedlich und auf der anderen Seite konnte man das überhaupt nicht mit ansehen.
„Fuck, ich will dich die ganze Zeit küssen, aber dann überfahr ich dich total und keine Ahnung, ob du das willst und-"
Im Bruchteil einer Sekunde kam die Erkenntnis darüber, was Arthur gesagt hatte und der innere Impuls, ihn zu unterbrechen, in dem er sich nach vorne beugte und dieses Vorhaben einfach für ihn übernahm.
Das wollte er schließlich auch schon die ganze Zeit tun, auch wenn es ihm nicht immer bewusst war. Aber er spürte, wie sehr er das wollte und wenn es ihnen beiden so ging, dann sollten sie endlich aufhören, umeinander herum zu eiern und das machen, was sich richtig anfühlte.
Und was er sofort spürte war, wie anders sich das anfühlte.
Arthur war im ersten Moment auch viel zu überrumpelt, als dass er in irgendeiner Art hätte reagieren können, aber als er registrierte, was hier passiert war, wurde er nicht so fordernd, wie er das von Felipe immer kannte. Obwohl er genau spüren konnte, wie sehr Arthur das wollte, blieb dieser auch ein wenig zurückhaltend, ließ ihm Raum, damit er sich jeder Zeit zurückziehen konnte. Er bemerkte, dass sich dieser Kuss nicht danach anfühlte, als würde einer von ihnen die Oberhand haben wollen. Das war ihm zuvor nie so vorgekommen.
Am liebsten hätte er den Moment nicht enden lassen, aber irgendwann mussten sie mal Luft holen.
„Wow... ähm...", war Arthur ein wenig sprachlos, aber der erste, der das Wort wieder ergriff.
Er konnte sich denken, worüber er nachdachte und hielt es für das Beste, ihm unmissverständlich zu sagen, was er im Sinn hatte. „Ich will mit dir zusammen sein. Ich glaube nämlich, ich hab mich auch verliebt, als du in Sotchi so nass vor mir standest."
„Hast du?", hatte er Arthur wohl einmal mehr überrascht.
Dessen Lächeln zeigte aber, wie sehr ihn das wohl freute, also...
„Hab ich."
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Grid Tales
Fanfiction⊱ Wie sieht so eine Teambesprechung mit der FIA aus? Auf welche Art und Weise haben Nico und Lewis sich früher so duelliert? Was ging bei Checos Marketingtermin so gehörig schief? Was versteht man unter einem kleinen brasilianischen BBQ? Eine bunte...