Teil 6: Shards | Arthur Leclerc | Felipe Drugovich x Logan Sargeant

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Shards



Imola, Italien
24. April 2022



„Da bist du ja endlich!"
Felipes erste Worte, die er aber direkt mit einer schallenden Ohrfeige beantwortete. Das war ein Verhalten, welches er von sich selbst absolut nicht kannte, aber er war so wütend nach allem, was er von Oscar erfahren hatte. Wie konnte sein eigener Partner ihm denn sowas antun? Dass ihm wohl etwas mehr an Sex als an anderen Dingen gelegen war, den Verdacht hatte er inzwischen durchaus. Ein Jahr lang hinter seinem Rücken mit seinem guten Freund zu vögeln, war hingegen noch mal was ganz anderes.
„Hast du mir gerade eine geballert?", wurde er entsetzt gefragt, denn das war wohl so ziemlich das Letzte, womit Felipe gerechnet hatte. Das sah ihm eben nicht ähnlich, zuzuschlagen. Er wusste einfach nicht mehr, wohin mit den ganzen Gefühlen. Vielleicht war es auch nicht gut, dieses Gespräch direkt im Anschluss zu führen. Er hätte sich möglicherweise erst mehr Zeit lassen sollen, um Oscars Worte sacken zu lassen. Doch es ging nicht. Es musste jetzt raus.
„Falls das noch nicht eindeutig war, kannst du gern noch eine haben!", drohte er ihm also direkt an und es musste das erste Mal sein, dass Felipe auf ihn ein klein wenig unsicher wirkte. Normalerweise hatte der überhaupt keine Hemmungen und belächelte alles und jeden. Er nahm seine kleinen Wutausbrüche normalerweise nicht ernst. Sonst waren die auch nicht so heftig.

„Was ist denn in dich gefahren?", wollte Felipe irgendwann verständnislos wissen, als er sich einigermaßen gesammelt hatte. Es war klar, dass er weiterhin versuchen würde, sich aus der Sache rauszureden. Aber das konnte er nicht mehr.
„Tu nicht so! Das ist immer noch weniger als du verdient hättest!", fuhr er seinen Freund – Ex-Freund – weiterhin an. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass er ihm die ganze Zeit nur etwas vorgemacht hatte, dass er ihm überhaupt nichts bedeutet hatte. Für Felipe war es nur um die eigene Befriedigung gegangen und sonst nichts. Er war so ein Narr. Er hatte die ganze Zeit gedacht, dass sie eine ernsthafte Beziehung miteinander führten.
„Was soll dein kleiner Zwergenaufstand? Meine Güte, ich kann dir doch nicht in den Kopf gucken", fand Felipe schließlich zu seiner gewohnten mangelnden Wertschätzung zurück. Ihm war es echt nie so deutlich aufgefallen, wie abfällig der andere manchmal über ihn und seine Bedürfnisse redete, doch so langsam kamen ihm immer mehr dieser Situationen in den Sinn. Offensichtlich machte Liebe tatsächlich komplett blind.
„Du vögelst mit Oscar, du mieser Wichser!", konfrontierte er Felipe also mit der unschönen Wahrheit, die er eben selbst erfahren hatte. Er hatte keine Lust auf weitere Spielchen. Sie konnten ruhig Klartext reden, denn zu retten war ohnehin nichts mehr. Allerdings tat Felipe auch weiterhin so, als könnte das alles überhaupt nicht sein.

„Wer erzählt dir denn so eine Scheiße?", wollte dieser wissen und das brauchte er gar nicht erst bei ihm versuchen. Das war so mies. Statt endlich dazu zu stehen, was für ein Arschloch er war.
„Oscar selbst und er hätte das wohl kaum erfunden, wenn es nicht wahr wäre", stellte er also klar. Er hatte nicht vor, Felipe zu erlauben, ihm die nächste, wilde Geschichte aufzutischen, mit der er versuchen würde, ihn wieder um den Finger zu wickeln und dann ins Bett zu kriegen. Es war vorbei. Daran würde sich nichts mehr ändern.
„Ach ja? Und du schlägst mich sofort, statt mich erst einmal nach meiner Version zu fragen?", gab Felipe sich ernsthaft beleidigt und unter normalen Umständen hätte er ihm da auch recht gegeben, nur erschloss es sich ihm nicht, warum Oscar das hätte erfinden und ihre Freundschaft zerstören sollen, wenn da nichts dran wäre. Das ergab keinen Sinn.
„Ich brauche keine Version von dir, im der du dir alles zurecht drehst, wie du es haben willst. Dir liegt doch gar nichts an mir. Du hörst mir nicht einmal richtig zu, wenn ich dir was erzähle. Ich bedeute dir doch gar nichts." Eine Erkenntnis die nach wie vor heftig schmerzte, an der jedoch nicht mehr zu rütteln war. Den Beweis hatte er schon lange geliefert bekommen, nur richtig erkennen konnte er es da noch nicht. Den Fehler würde er kein zweites Mal begehen.
„Das stimmt nicht. Natürlich bedeutest du mir was. Zwar in der Regel nur körperliche Befriedigung, aber nennst du das etwa nichts?", wurde er ernsthaft gefragt, ehe Felipe über seine entgleisten Gesichtszüge lachte. „Oh, komm schon, Logan. Stell dich nicht so an. Na und? Dann zeig ich eben auch Oscar, wie es geht. Ist doch super. Was spricht denn gegen ein bisschen Liebe zu dritt?"

Er musste sich verhört haben.
Meine Felipe das ernst? Glaubte der wirklich, dass einer von ihnen sich auf so einen Mist einlassen würde? Für wie unwiderstehlich hielt dieser Drecksack sich eigentlich? Augenscheinlich hätten sie ihn niemals so in dieser Wahrnehmungsstörung bestätigen dürfen, aber hinterher war man bekanntlich immer schlauer. Er hatte nicht mehr, als ein Schnauben für Felipe übrig und einen erzürnten Blick, der seine Wirkung sicher verfehlte.
„Du bist doch völlig krank!", warf er Felipe also an den Kopf. Doch wenn er dachte, dass der das so auf sich sitzen lassen würde, täuschte er sich erneut.
„Und du total verklemmt, aber das ist ja typisch für euch Amis. Mit Waffen ballern könnt ihr, aber blitzt mal irgendwo ein Nippel auf, dreht ihr komplett durch", begründete Felipe fast schon gelangweilt und möglicherweise hatte er da im Kern ein wenig recht, nur ging es jetzt wohl kaum darum. Das hatte mit dessen Fremdgehen schließlich überhaupt nichts zu tun.
„Danke, ich verzichte auf die Klischees von freizügigen und korrupten Brasilianern", schoss er zurück, denn darüber brauchten sie nun absolut keine Grundsatzdiskussion führen. Einen Partner zu betrügen blieb schließlich überall auf der Welt scheiße!
„Du bist so anständig, Logi", säuselte Felipe daraufhin und wirkte leider nach wie vor eher amüsiert, als ernsthaft getroffen davon, was hier passierte. Was hatte er sich auch erhofft? Dass Felipe sich ernsthaft entschuldigen würde für sein Verhalten? Ja, das hätte er sich bestimmt gewünscht, jedoch musste er sich auch eingestehen, dass das nicht zu ihm gepasst hätte, für sein eigenes Verhalten Reue zu zeigen.

„Du nimmst mich überhaupt nicht ernst. Das hast du nie und das wirst du auch nie", erkannte er enttäuscht und das würde ihm wirklich zu viel. Er musste hier weg, denn er wollte nicht riskieren, dass er vor Felipe auch noch in Tränen ausbrach und der sich noch mehr über ihn lustig machen konnte. Er sollte besser verschwinden.
„Ach komm, jetzt hau doch nicht ab", wollte Felipe ihn daran hindern, nur was würde das noch bringen? Sollte er sich noch mehr dumme Lügen anhören? Er würde sich bestimmt nicht von ihm bequatschen lassen und erstrecht hatte er keine Lust auf eine Nummer zu dritt. Was sollte das überhaupt? Er war mit Oscar so lange befreundet, da konnte er es sich nicht vorstellen, was mit ihm anzufangen.
„Wir sind fertig!", stellte er also klar und riss sich auch direkt von Felipe los, als dieser nach seinem Handgelenk griff, um ihn vom Verschwinden abzuhalten. Natürlich gab es diesen Teil in ihm, der noch Gefühle für Felipe hatte und der noch an ihm hing, nur wog die Wut und Enttäuschung glücklicherweise mehr, sodass er verschwinden konnte, nicht aber ohne, dass sein nun Ex-Freund ihm noch etwas hinterherrief.
„Ach ja? Sind wir das? Ich glaube nicht. Denn da oben bin ich bei dir drin und hier." Er sah sich nicht um, wusste aber dennoch, was er damit meinte. Er brauchte nicht zu sehen, dass er damit seinen Kopf und sein Herz meinte. „Das kriegst du so schnell nicht raus, ob es dir passt oder nicht!" Aber das überhörte er vorerst gekonnt.

Er lief erst einmal ein Stück, bevor er kurz innehielt, den Schmerz rausließ und zunächst nicht mehr wusste, wohin noch mit sich, bis ihm nur noch eine einzige Person einfiel, mit der er jetzt reden könnte.


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