Kapitel 42:

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~ Noahs Sicht ~

Ich wachte auf und mein Schädel fühlte sich an, so als würde er gleich zerspringen. Ich stand stöhnend auf und hielt mir mit der einen Hand meinen Kopf, mit der anderen nahm ich mir eine Kopfschmerztablette und eine Flasche Wasser, welches ich zusammen zu mir nahm. Der Kater, den ich hatte, war kaum auszuhalten und ich verfluchte mich, dass ich gestern mehrere Flaschen runtergekippt hatte, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Ich ging schweigend nach unten in die Küche und aß ein Käsebrot, welches ich mir schnell gemacht hatte, dann lief ich zu Abigails Zimmer, da sie eigentlich schon wach sein müsste, weil es mittlerweile schon elf Uhr morgens war. Als niemand antwortete, stieß ich die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf, mich erwartete ein schockierender Anblick, ihr Bett war sauber zurechtgemacht, und ihr Rucksack war verschwunden. Ich lief zu ihrem Schreibtisch und sah nur ihren Block, aus dem drei Blätter herausgerissen waren, die Akte über ihre Eltern war verschwunden und die meisten ihrer Klamotten hingen noch unberührt in ihrem Kleidungsschrank. Langsam setzte ich mich auf ihr Bett und raufte meine Haare, ich wusste was das bedeutete, sie war weg, weg wegen mir und meiner Dummheit. Wieso hatte ich ihr nicht genau dasselbe gesagt, was sie mir gestanden hatte? Und wieso hatte ich die Akte nicht doch mitgenommen? Wenn ihr etwas passieren würde, würde ich mir das nie mehr verzeihen. Ich musste sie finden und mit Adam reden, vielleicht wusste er ja genaueres...

Als ich in die Küche kam, saß Adam stirnrunzelnd am Küchentisch und las einen Brief, ich stellte mich hinter ihn und sah mir die Worte an, die dort standen. Der Brief war von Abigail, sie hatte sich bei ihm für alles bedankt und bat um Entschuldigung, doch wenn sogar mein Adoptivvater eine letzte Nachricht bekommen hatte, wieso dann ich nicht? Hasste sie mich so sehr? Ich bemerkte, dass ich es wirklich vermasselt hatte und es kein zurück mehr gab.

„Sie ist gegangen und wird wahrscheinlich nicht mehr zurückkommen!" , stellte ich das unverkennbare fest.

Gemeinsam gingen wir nach oben in Adams Büro, um das weiter zu besprechen und einen Weg zu finden, Abigail zu finden und sie zurückzubringen, ohne dass ihr etwas passierte. Ganze zwei Stunden sahen wir uns die Aufnahmen der Überwachungskamera an, befragten die Männer am Wachposten, sammelten Informationen und überlegten, was man tun konnte. Da wir aber nicht zu dem entscheidenden Durchbruch kamen, beschlossen wir es für heute sein zu lassen und morgen mit frischer Energie wieder durchzustarten. Ich zog mir meine Trainingsklamotten an und wollte schon in den Fitnessraum gehen, da fiel mir ein, dass ich Abigails Handy nachverfolgen konnte, da es ja ursprünglich meins war, sodass ich aufgeregt zu meinem Büro rannte. Ich schlitterte um die Ecke und hielt kurz vor der Holztür an, den Brief, der unten auf dem Boden dagegen lehnte bemerkte ich erst, als er umfiel, während die Tür aufschwang.

Langsam bückte ich mich und hob ihn auf, die Augen gespannt auf die schwungvollen Buchstaben meines Namens gerichtet, die auf dem weißen Papier des Kuverts standen. Vorsichtig öffnete ich den Brief und faltete ihn auseinander, konzentriert las ich den handschriftlich geschriebenen Brief, welcher von Abigail verfasst worden war.


Lieber Noah,

eigentlich hatte ich nicht gedacht, dass es auf so etwas herauslaufen würde, doch ich muss und werde den nächsten Schritt in meinem Leben selber tun. Ich bin dir dankbar für alles, was du für mich gemacht hast, für die ganze schöne Zeit, die wir miteinander verbracht haben und für die Einblicke, die du mir in ein glückliches Leben geschenkt hast, auch wenn du es mit mir nicht leicht hattest... Ich bin dir dankbar für alle Momente dich ich mit dir verbracht habe und dein Vertrauen, mir deine Lebensgeschichte anzuvertrauen, das war eines der schönsten Gefühle, die ich je hatte, denn ich fühlte mich geehrt, geliebt und endlich auch mal verstanden.

Es tut mir leid, dass ich dich in Gefahr gebracht habe und dass ich dich in Situationen gebracht habe in denen ich dich nie sehen wollte, denn ich habe mich in dich verliebt, doch wenn ich dich damit überrumpelt habe, tut mir das ebenfalls leid, doch mich hat deine Reaktion verletzt, denn eigentlich dachte ich, dass du für mich dasselbe empfindest. Da das aber leider nicht der Fall ist, muss ich gehen.

Ich denke wir werden uns nie mehr wieder sehen, weswegen ich mich von dir verabschieden will. Doch das Angefangene muss ich nun selber fertig stellen. Viel Glück für deine Zukunft und lebe wohl, Noah!

In Liebe Abigail


Meine Unterlippe zitterte und mich überwältigten zum ersten Mal seit langer Zeit meine Gefühle, mir lief eine Träne über die Wange und noch eine, bis ich schließlich weinte und mich einfach fallen ließ. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, denn alles, was mir wichtig gewesen war, das hatte ich verloren, ein für alle Mal. Adam, den ich gar nicht bemerkt hatte, dass er reingekommen war, nahm mich in den Arm. Er drückte mich fest an sich, so wie ich es immer bei ihr getan hatte, die Umarmung tat gut und doch stimmte sie mich traurig, es war endgültig, sie war weg, für immer und wollte auch gar nicht, dass ich nach ihr suchte. Sie wollte ihre Ruhe und ihr Angefangenes zu Ende bringen, doch ich wusste einfach nicht, was sie damit meinen könnte. Langsam versiegten meine Tränen und ich gewann meine Fassung wieder, mein Shirt strich ich glatt und rieb mir über meine Wangen um sie komplett zu trocknen. Mein Vater lächelte mir aufmunternd zu und doch sah ich ihm an, dass er sich Sorgen um mich machte, er wusste nur zu gut, dass ich mich verschloss, sobald ich etwas verlor, so hatte ich es immer getan. Die Türen zu meinem Herzen verschlossen, um niemanden mehr reinzulassen, damit ich keine Gefühle zeigen musste, auch wenn es mich innerlich auffraß, so blieb ich meistens nach außen hin stark.

Ich rappelte mich auf, da ich auf die Knie gesunken war und streckte mich einmal, bevor ich nun endlich in den Trainingsraum lief und mich mit meinem Freund dem Boxsack beschäftigte, welcher bestimmt schon auf mich gewartet hatte.

~ / ~

Verschwitzt stand ich nach gut einer und einer halben Stunde immer noch im Fitnessraum und powerte mich so gut es ging aus, auch wenn der Knoten in meinem Magen blieb und einen bitteren Geschmack hinterließ. Nach dem ich dann aber duschen gegangen war, beschloss ich mich mal wieder bei Derek und Jessy zu melden, da ich seit einer Ewigkeit nichts mehr von ihr gehört hatte und es auch eine gute Ablenkung war. So kam es, dass ich die beiden anrief, doch als nur der Anrufbeantworter ranging, lies ich enttäuscht meine Arme sinken und stapfte in mein Arbeitszimmer. Ich überlegte, was Abi zu Ende bringen wollte, doch mir fiel es beim besten Willen einfach nicht ein, sodass ich grübelnd da saß und Löcher in die Luft starrte, bis ich schließlich hinter meinem Schreibtisch einschlief.


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Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ihr wollt wissen, wie es weitergeht. Das nächste Kapitel wird wieder in Abigails Sicht sein, doch da ich das Buch bald abschließen will, werden die nächsten Kapitel höchstwahrscheinlich sehr viele Infos und Handlungen enthalten.

Mir tun die zwei einfach so unglaublich leid, hoffentlich finden sie sich wieder, da ich bis jetzt noch nichts geplant habe und es einfach auf mich zu kommen lasse...

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