dreißig.

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Jungkook

„Tztztz. Entspann dich und Nerv mich nicht so. Einfach etwas weniger wimmern und Versuch mal tief ein und aus zu atmen. Dann wird es besser."

Mit vor Panik weit geöffneten Augen starrt mich der junge Mann an und brüllt in seinen Knebel. Es kommen nur dumpfe Geräusche, die sowieso niemand hören kann, aber mich nerven sie extrem und stören mich bei der Arbeit.

Irgendwie bin ich sicher, dass Taehyung sich nicht so extrem aufregen lassen würde. Er würde seine Würde bewahren und versuchen rational mit den Schmerzen umzugehen.
Manchmal frage ich mich, ob er mich vielleicht sogar verstehen kann.

Vielleicht besitzt der süße Student ebenso wie ich ein Auge für Ästhetik? Vielleicht ist er genauso fasziniert von meiner Kunst und ich kann endlich mit jemandem sprechen, der sich anders als Hoseok nicht nur finanziell dafür interessiert? Oder aber ... er würde mal mitmachen wollen?

Ein Schauer der Erregung rieselt über meinen Körper und ich schließe kurz die Augen, um die Bilder aus meinem Kopf zu schlagen. Es wäre verführerisch, in Taehyung einen Partner zu haben, der mit mir auf einer Ebene steht. Die endgültige Erfüllung meiner sexuellen Wünsche.

Das hat nichts mit Liebe tun, sondern einzig mit der Aufregung darüber, jemanden zu haben, der die selben Interessen teilt. Allerdings würde es auch bedeuten, dass ich seine Finger lange Zeit nicht in meiner Vitrine haben werde. Aber vielleicht würde ich damit zurecht kommen, wenn ich wüsste, dass er immer in meiner Nähe ist und auf sie Acht gibt.

„Stell dir nur vor, der würde sich an seinen Fingern verletzen. Das wäre eine absolute Krise!", meine ich zu dem Mann vor mir, aber er ist schon wieder ohnmächtig in sich zusammengesackt.

Der Gedanke, an Taehyungs beschädigte Finger lässt mich auf einmal ganz unruhig werden und löst das dringende Gefühl aus, sie schneller den je zu meiner Sammlung zu ergänzen. Bevor ihnen irgendetwas passieren kann und sie ihren ästhetischen Wert verlieren.

„Fuck", fluche ich und genervt ziehe ich mir die Handschuhe von den Händen, um sie in den Mülleimer zu pfeffern. Ich sammele immer alle und bringe sie nach einigen Wochen zu einer Müllendsorgung einige Stunden Autofahrt von hier entfernt. Immer unterschiedliche Orte. Manchmal versuche ich sie auch vorher etwas zu verbrennen, aber aufgrund des Plastiks ist das bisher immer schief gegangen.

Naja, lieber den Aufwand mit den Handschuhen, als das ich mir beim Finger-Trennen noch irgendetwas einfange. Ich habe nämlich ein Händchen für komische Krankheiten und Probleme. So etwas wie Erkältungen bekomme ich selten, viel wahrscheinlicher ist es, das ich mit der Hand auf einer Parkbank in Vogelscheisse fasse und mir darüber die Bakterien hole.

Genervt sehe ich zu meinem Opfer und reiße ihm kurz das Panzertape von seinem wunden Mund. Dann schlage ich ihm mit der Handfläche etwas zu stark auf die Wange, in der Hoffnung das er aus seiner Ohnmacht kommt und eben bereit ist, etwas Wasser zu trinken und einen Happen zu essen.

Durch Taehyungs Besuch bei mir hat sich die Amputation nämlich etwas verzögert und ich nehme mir keine Finger von Leichen. Deshalb muss ich diesen Kerl am Leben erhalten, auch wenn der ganze Raum schon nach Pisse stinkt, so oft wie er sich eingenässt hat. Ich hatte ihm leider zu spät seinen Katheter gelegt, da ich mit meinen Gedanken momentan woanders bin, aber seine nasse Hose ziehe ich ihm ganz sicher nicht aus.

Ich habe keinen empfindlichen Magen und es passiert oft, dass meine Opfer vor Angst nicht mehr einhalten können. Aber die Hose wird einfach später mit ihm zerstückelt und entsorgt. Solange stinkt es eben nach Ammoniak. Deshalb auch der Katheter: weniger Arbeit und mehr Hygiene. Ist ja schließlich kein Kerker hier und meine Fingerträger sind sowieso so fest auf der Liege angebunden, dass sie ihn sich nicht rausreißen können. Mehr Bewegung als wenn ich einen Arm kurz freilege, um ihn dann wieder auf meinen kleinen Metalltischen festzubinden um die Finger zu nehmen, gestatte ich ihnen nicht.

„Hier, trinken", befehle ich mürrisch und halte meinem immer noch neben sich stehenden Fingerträger eine Flasche an die Lippen. Er hat gar keine andere Wahl als zu schlucken, da ich seinen Kiefer etwas aufdrücke und der geschwächte Mann nicht dagegen ankommt. Aber er wehrt sich eh nicht richtig - die meisten Opfer sehen in dieser Geste meinerseits einen Lichtschimmer, die Hoffnung, hier doch noch lebend rauszukommen und sind sowieso unglaublich durstig.

„Du dummer, dummer Mann", murmele ich, als ich mein Opfer beobachte, wie er sich jetzt mit meiner Hilfe etwas Toast und einen kleinen Schokoladenriegel einverleibt.

Ich weiß nur nicht, ob ich damit ihn oder mich selbst meine.

The CollectorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt