zweiundzwanzig

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Jungkook

Etwas hibbelig richte ich jetzt zum achten Mal meine Haare, sprühe noch einmal Raumerfrischer in jede Ecke meines Hauses, kontrolliere erneut alle Türen und versuche dabei nicht ins Schwitzen zu geraten, da ich ein viertes Mal Duschen zeitlich nicht schaffen würde.

Wieso bin ich nur so extrem nervös?
Ja gut, ich hatte seit Ewigkeiten keine Gäste mehr hier, eigentlich seit ... naja, nie. Außer Hoseok, aber der ist hier mehr Parasit als Gast.
Taehyung ist also quasi eine kleine Sensation und lässt mich mit einem Mal alles hinterfragen.

Ist meine Couch bequem genug?
Passt das Toilettenpapier im Gästebad so?
Fühlt sich jemand anderes hier wohl?
Ist mein Einrichtungsstil okay?

Ein Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken und wie von der Tarantel gestochen stürme ich zur Haustür. Ein letztes Mal tief Einatmen, dann öffne ich die Tür etwas zu schwungvoll und schaue breit grinsend auf meinen Gegenüber.

„Hier, hab sogar noch Essen dabei", begrüßt mich Taehyung lachend und wedelt in einer Hand mit einer Tüte und hält mir der anderen das Sixpack Bier hoch.

„Du bist die richte Sorte Gast", lobe ich ihn, so als ob ich irgendeine Ahnung von Gästen hätte.
Ich trete beiseite und lasse ihn in mein Haus. Kurz überkommt mich eine Gänsehaut, mein Körper spannt sich an und meine Gedanken wandern in ganz falsche Richtungen.

Gäste betreten diese Schwelle normalerweise nicht. Nur Fingerträger. Und mein Körper kennt diese Routine und freut sich automatisch auf etwas, dass noch nicht eintreten wird.

„Wo soll ich alles hinstellen?", fragt mich Taehyung, nachdem er sich die Schuhe umständlich von den Fersen getreten hat und ich versäumt habe, ihm alles abzunehmen. Er sieht sich neugierig um und ich frage mich, was alles in seinem hübschen Kopf vor sich geht.

„Einfach gerade aus ins Wohnzimmer, auf den Couchtisch," antworte ich ihm. „Ich hole eben noch schnell Stäbchen und einen Flaschenöffner."
Mit großen Schritten laufe ich in die Küche, während sich Taehyung langsam in Richtung Wohnzimmer begibt. Dabei schaut er sich die Bilder an meinen Wänden an und all den anderen Kleinkrams, der hier teilweise noch von meiner Oma steht. Das meiste ist aber aus meiner Jugend.

„Du warst ja mal richtig sportlich", kichert er, als ich zu ihm ins Wohnzimmer komme und ihn dabei erwische, wie er ein altes Foto von mir mit einer Trophäe in der Hand begutachtet. Auf dem Tisch steht Hühnchen und ich schmeiße mich auf die Couch, um unser Bier zu öffnen.

„Was heißt hier war?", frage ich empört und halte ihm eine Flasche hin. Er wendet dem Bild den Rücken zu und setzt sich neben mich auf die Couch, bevor er nach dem Bier die Hand ausstreckt. Schnell halte ich es ein Stück höher und sehe ihn mit erhobenen Augenbrauen an.

„Ich frage nochmal: Was heißt hier war?", hake ich nach und halte provozierend das Bier noch etwas weiter weg.
„Hey", schmollt der Student und reckt sich danach. „Du wirkst halt mehr wie so ein Indoor Mensch", versucht er sich zu rechtfertigen und ich schnaube.

„Okay, kein Bier für dich", entscheide ich und er sieht mich entgeistert an. „Ich hab das mitgebracht!", ruft er und schmeißt sich fast auf mich, um an das Bier zu kommen. Ich lege bloß meine Hand auf seine Brust und schiebe ihn wieder ein Stück zurück: „Selbst schuld! Ich gehe viel ins Fitnessstudio und jogge ab und an. Meine Muskeln sind stählern."

Ich strecke ihm die Zunge raus. Natürlich bin ich stark und kräftig: Wie sonst sollte ich Leichen heben oder mich gegen sich wehrende Menschen behaupten?

„Okay, okay. Ich werde mich persönlich irgendwann davon überzeugen, wie stark du wirklich bist", räumt Taehyung grinsend ein.
„Oh, das wirst du", zwinkere ich ihm zu und reiche ihm endlich das Bier.

Der schöne Student meint das sicherlich anders als ich.

The CollectorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt