vierundvierzig.

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Taehyung

Müde reibe ich mir meine Schulter, während ich mich durch die vielen Mails mit Bewerbern klicke. Ich suche jetzt schon einige Zeit einen Mitbewohner, damit ich mich etwas sicherer fühle. So ganz alleine ist mir immer noch unwohl und ich möchte nicht weiter Freunde und Familie darum bitten, bei mir zu übernachten, wie ein kleines Kind was nachts nicht alleine schlafen kann.

"Mhh, dieser Park Jimin klingt sympathisch", murmele ich, während ich mich durch all die Mails klicke. "Lee Ho Yeon? Ganz sicher nicht, ich will hier keine Studentenpartys haben. Min Soo Hyun? Bist du blöd? Ich habe extra geschrieben, nur für Männer!"
Schnaubend melde ich mich letztlich bei nur drei von siebenundzwanzig zurück und klappe dann meinen Laptop zu.

Mein Leben fühlt sich so viel beschwerter an, nach all dem was passiert ist. Ich gehe mit Freunden aus, aber genieße es nicht wirklich. Ich esse die besten Kuchen der Stadt, aber schmecke sie kaum auf meiner Zunge. Ich halte mein Gesicht in die warme Sonne und friere trotzdem.

Ich bin nicht unglücklich, im Gegenteil. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit dem Leben davonkommen durfte. Aber nichts desto trotz habe ich diese fiesen, dunklen Gedanken in mir, die an meiner Seele nagen und mir mein Lachen erschweren.

Momentan sieht mein Alltag sowieso streng aus. Mein Psychologe hatte mir ganz am Anfang meiner Therapie gesagt, dass ich dringend einen geregelten Tagesablauf bräuchte, der mir Halt gibt und mich außerdem über den fehlenden Tagesinhalt, meiner Arbeit, hinweg tröstet. Jetzt gehe ich jeden Morgen um acht ins Fitnessstudio, außer an Dienstagen und Donnerstagen, denn da ist mein MMA Kurs. Oh, und Samstags ist mein Ruhetag. Da treffe ich mich mit einer kleinen Gruppe und wir trinken Tee, genießen gute Musik und töpfern dabei.

Ich koche zweimal am Tag, lese lustige Bücher und versuche, Französisch zu lernen. Zu Beginn ist mir all das noch wie das Paradies und wie bezahlter Urlaub vorgekommen, aber ich vermisse meinen Job und auch meine Kollegen.

Was mir passiert ist, hat mir Angst gemacht und ist für mich nur schwer zu verdauen. Aber ich habe den größten Schreck überwunden und außerdem brauche ich meine Arbeit, um mein schlechtes Gewissen zu erleichtern. Ich habe versagt Jeon Jungkook zu fangen, aber ich werde mein Bestes geben, andere Verbrecher festzumachen. Und mich dabei nicht in Gefühle verlieren.

Während ich mein Abendesse vorbereite, lerne ich laut einige Vokabeln, die mir schwer fallen. Mittlerweile habe ich ein gutes Sprachniveau erreicht und ich nehme mir fest vor, nächstes Jahr nach Frankreich zu fliegen.

Es ist draußen schon dämmrig, als ich mich alleine an meinen großen Esstisch setze und mein Japchae genieße. Meine Wohnung wird in ein warmes Licht getaucht und ich bin wie immer ausgesprochen zufrieden mit meinem Sinn für moderne Inneneinrichtung. Ich habe mich damals von dem Stil Japandi inspirieren lassen, mit etwas mehr kontrastreichen Farben. Das ist kein Vergleich zu der chaotischen Studentenbude in der ich für meine Mission gelebt habe.

Hier lebe ich aus einem begehbaren Kleiderschrank, dort hätte ich nicht mal ein Viertel meiner Anzüge unterbringen können. Hier habe ich ein Gästezimmer, dort passten gerade so zwei Leute in ein Bett. Hier habe ich einen Hobbyraum und dort konnte ich den Fußboden vor lauter Krimskrams nicht sehen. Aber hier bin ich auch einsam und dort hatte ich eine Mitbewohnerin und... naja, Jungkook.

Nach dem Essen setze ich mich noch kurz an den Laptop und stelle erfreut fest, dass mir zurückgeschrieben wurde. Ich mache für morgen direkt zwei Kennlerntermine aus und drücke mir selbst die Daumen, dass ich dort jemanden passables finde.

"Ein Glück, dass du überhaupt noch Daumen drücken kannst," mache ich mich über mich selbst lustig und sehe schnaubend auf meine Finger.

Für heute war es genug. Heute war ein guter Tag. Und morgen wird auch einer. Immer ein Tag nach dem anderen überstehen, bis ich all das vergessen kann, was passiert ist.





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Idk why, aber ich fand Französisch passt irgendwie zu Tae, hehe

The CollectorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt