dreiundsechzig.

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Taehyung

Immer wieder spüre ich den prüfenden Blick von Jin auf mir. Namjoon hat heute morgen anderweitig Verpflichtungen und so kann ich mich leider nicht hinter dessen gesprächiger Natur verstecken. Jetzt erwartet Jin, dass ich mich mit ihm unterhalte - worauf ich so gar keine Lust habe.

In meinem Kopf ist viel zu viel los als das ich mich über die neuesten Clubs und Pop-Up Stores der start unterhalten wollen würde.
„Worüber denkst du mit deinem schönen Kopf so nach?", holt er mich aus meinen Gedanken und meine Antwort ist ein Achselzucken.

„Über den Fall", lüge ich und er schnaubt. Natürlich glaubt er mir nicht, aber er bohrt auch nicht nach. Zumindest nicht für die nächsten zwölf Minuten, denn dann kann er schon wieder nicht seine Klappe halten.

„Also jetzt erzähl mal. Und sei ehrlich!"
Ehrlich? Oh man, ich war schon lange nicht mehr ehrlich zu irgendwem. Nicht mal zu mir selbst.

„Ich frage mich nur, ob wir manchmal einfach über unsere Schatten springen sollten, selbst wenn wir nicht wissen, ob die andere Seite sicher ist", murre ich und sehe nicht von meinem Bildschirm auf.

„Fortschritt ist Fortschritt, auch wenn es sich vielleicht nicht sofort so anfühlt. Also ich würde sagen, ja, auf jedenfall springen. Denn der Grund, auf dem man vorher steht, ist nicht zwangsläufig sicherer als der Grund, auf den gesprungen wird."

Ich nicke leicht bei Jin's Worten und versuche dann seufzend wirklich zu arbeiten. In der Mittagspause sitze ich mit den anderen in der Kantine und auch da gebe ich mein Bestes, irgendwie anwesend zu sein. Aber innerlich bin ich eigentlich ganz weit weg.

Auf dem Weg nach Hause springt Jungkooks Name in meinem Hirn wie ein kleiner Ping Pong Ball hin und her. Ich weiß nicht, was ich machen soll, ich weiß nur, dass es so wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann. Jungkook beginnt sich zu entwickeln und ich muss diese Chance für Wachstum auch ergreifen.

Ich bin schon so weit gekommen, dann darf ich jetzt nicht stoppen, nur Weil mich meine Gefühle verunsichern. Es sollte mir klar sein, dass alles, was mit Jungkook zu tun hat, irgendwie immer in der Schwebe ist - man kann wohl sagen, dass die Konstante in der Bewegung liegt. Und selbst wenn ich mich für ihn entscheiden sollte, müsste unsere Beziehung auch immer in Bewegung sein und vor allem, geheim.

Draußen ist es stockdunkel, als ich daheim ankomme. Um acht hatte ich das Haus verlassen und jetzt ist es schon nach neun. Ich habe einen Bärenhunger, aber als ich reinkomme, werde ich schon mit dem Geruch von Take-Out gelockt.

„Irgendwann lerne ich zu kochen", verspricht mir Jungkook als Begrüßung, nachdem ich in den Wohnbereich geschlurft bin. Er lümmelt auf meiner Couch, blättert in einem meiner Bücher und sieht dabei so unglaublich harmlos aus. Nichts lässt auf einen kranken Mörder hinweisen. So wünsche ich mir das.

„Ach, brauchst du nicht. Ich habe gerne etwas, in dem ich so viel besser bin als du", ärgere ich ihn und lasse mich neben ihn plumpsen. Er lächelt mich an und das Gefühl das zwischen uns hängt, wirkt irgendwie vertraut.

„Stimmt, die eine einzige Sache lasse ich dir."
Ich gebe ihm einen beleidigten Klaps auf die Schulter, aber er schaut schon wieder in das Buch. „Seit wann liest du eigentlich?"
„Ich hab sonst nicht viel zu tun, da dachte ich, ein bisschen Lektüre schadet nicht. Ich verstehe aber nur die Hälfte, der Mist ist in Englisch geschrieben."

Er klappt das Buch zu und wirft es auf den Couchtisch. Es gibt ein klatschendes Geräusch von sich, als es landet und ich habe Mitleid mit meinem Umschlag. Dann sieht Jungkook mich an und fragt: „Und? Wie war dein Ausgang?"

Seit Neuestem tut er nämlich so, als wäre er hier eingesperrt und als wäre es nicht seine Idee gewesen, zurück nach Korea zu gehen. Wenn es dunkel ist und er sich gut vermummen kann, geht er raus, aber sonst bleibt er meist in der Wohnung.

Ich schaue ihn an und rücke ein Stück näher.
„Aufschlussreich", antworte ich und mustere nachdenklich sein Gesicht.

„Aufschlussreich? Inwiefern das?", fragt er nach und ich zucke nur mit den Schultern.
„Ich bin mir über etwas im Klaren geworden."

„Aha", macht er und ich sage nichts mehr.

Dann beuge ich mich einfach vor und küsse ihn.

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