einundsechzig.

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Taehyung

„Also das nenne ich einen vollen Erfolg."
„Wieso? Du hast schon wieder verloren!"

Ich schlendere neben Jungkook her, der eine Maske trägt, aber ich sehe sein zufriedenes Grinsen trotzdem. Wir sind zu Fuß auf dem Heimweg und selbstverständlich habe ich wieder gewonnen - ich bin einfach grandios.

„Ich muss dich dann wohl oder übel küssen", seufzt Jungkook gespielt genervt und ich schlinge meine Arme in der warmen Jacke um mich selbst. „Du musst nicht ...", nuschele ich, aber er schüttelt den Kopf. „Ich nehme meine Strafe immer ernst!"

Ich rolle mit den Augen, aber muss trotz meines nervösen Kribbeln im Bauch kichern. Oh man, in was hatte ich mich da nur wieder hineinmanövriert? Erst hasse ich diesen Mann, dann verliebe ich mich in ihn, dann traumatisiert er mich und haut ab und dann taucht er wieder auf und stellt meine Welt auf den Kopf.

Keine Ahnung ob Jungkook meine Nemesis oder der Eine werden soll, aber eins ist klar, das Schicksal hat irgendwie keinen Bock auf mich gehabt. Und wenn es einen Gott gibt, dann muss er wohl oder übel einen sitzen gehabt haben, als er meinen Lebensweg geplant hat.

Jungkook und ich gehen bis nach Hause unverfänglich plaudernd nebeneinander her, auch wenn mein Magen immer wieder Saltos schlägt. Soll ich ihn tatsächlich gleich küssen? Oh man, alleine bei dem Gedanken daran möchte ich mir nervös die Luft zufächern. Oder ich kippe einfach um. 

Natürlich habe ich Jungkook schon oft geküsst und auch viel mehr. Ich weiß, wie gut sich seine Lippen anfühlen und wie toll er mich küssen kann, meine Knie werden schon ganz schwach bei dem Gedanken daran. Es ist sündig, was er mit meinem Körper anstellen kann. 

Aber ich habe nach wie vor so eine Angst vor diesem abgrundtief dunklem Teil in ihm, dass ich nicht weiß, ob ich mich ihm so schutzlos ausliefern lassen kann. 

"Was geht in deinem schönen Kopf so vor sich, mh?", fragt mich mein ungewollter Mitbewohner, als wir meine Wohnung betreten und unsere Schuhe ausziehen. "Ach, nichts", wiegele ich ab und schlüpfe schnell in meine Slipper. Erster Stop: Küche und ein Glas kaltes Wasser.

Ich höre Jungkook Schritte hinter mir und drehe mich erst um, als ich das leere Glas auf die Anrichte stelle. Er hat seine Arme vor der Brust verschränkt und sieht mich amüsiert an. Wieso durchschaut er mich plötzlich so gut, wenn ich ihm vor einem Jahr noch so viel vorspielen konnte?

"Also dann...durch das Aufschieben wird es auch nicht besser. Dann machen wir es jetzt!", platzt es plötzlich aus mir raus und mein Mund hat anscheinend schneller gesprochen, als mein Hirn denken kann.

Jungkook zieht seine Augenbrauen hoch: "Das klingt aber wirklich sehr... ungewollt. Vielleicht sollten wir doch lie-"
"Nein, ich will das jetzt. Alles gut", unterbreche ich ihn und muss ihn dabei ansehen, wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Er kommt langsam auf mich zu, bis er so dicht vor mir steht, dass ich die kalte Arbeitsplatte im Rücken habe und seine Körperwärme trotzdem spüren kann.  Seine Arme löst er und legt sie nachlässig, fast schon als wäre es das Natürlichste auf der Welt, an meine Hüfte.

Ich schlucke nervös, lausche meinem Polternden Herzen, aber muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass mich noch keine Panik überkommt. Mein Atem geht etwas schneller, aber Jungkook beruhigt mich sofort. "Du kannst mich jederzeit von dir wegstoßen."

Ich nicke, als Zeichen dass ich seine Worte verstanden habe und dann leckt er sich schon über die Lippen. "Mh, also ich muss sagen, ich hatte mir gewünscht das du mich irgendwann küssen möchtest. Aber ich finde es auch nicht schlecht, dir so etwas zu schulden."

Er neigt seinen Kopf etwas und kommt meinem Gesicht immer näher. Meine Lippen stehen einen Spalt offen und mein Blick huscht unruhig zwischen seinen dunklen Augen und seinem Mund hin und her, bis ich meine Augen einfach schließe. 

Ich halte den Atem an und frage mich, wann er mich denn küsst, aber stattdessen spüre ich nur, wie er plötzlich seine Hände von meiner Hüfte nimmt und sich etwas entfernt. 

Perplex öffne ich die Augen wieder, aber er lächelt nur.
"So wäre es nicht richtig gewesen. Aber es freut mich, dass du keine Panik mehr vor mir hast."

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