59. Die Op

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Am Dienstag war es dann soweit und Olivia fuhr bereits morgens um sechs mit mir ins Krankenhaus, denn die OP wurde bereits für sieben Uhr angesetzt.
Diese Nacht hatte ich kaum Schlaf gefunden und mich nur von Links nach Rechts gedreht.
Denn wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich eine riesige Angst vor der OP, auch wenn ich wusste, dass es eine einfache Routine-OP war, die täglich gemacht wurde. Trotzdem fragte ich mich, wie es sein würde, einen Schlauch durch den Bauch gelegt zu bekommen und dadurch ernährt zu werden.

Olivia drehte die Heizung hoch, während wir schweigend durch den verschneiten Morgen fuhren.

Ich schwelgte weiter in Gedanken, als sie plötzlich die Stille durchbrach: "Jetzt sag doch mal was!" Bettelte sie zerknautscht. Ich schmunzelte und fragte: "Was soll ich denn sagen?" "Irgendwas! Du machst mich nervös, wenn du nicht mit mir redest!" Ich verdrehte die Augen. Man konnte es auch übertreiben. 
Ich betrachtete die gequälte Frau für einen Moment, während sie ihren Blick krampfhaft auf der Straße hielt. "Es geht mir gut! Ich denke nur nach!" Erlöste ich sie. "Und du bist wirklich nicht sauer? Wegen der PEG?" Wisperte sie kleinlich.
Ein genervtes Stöhnen verließ meinen Mund, bevor ich zum hundertsten Mal die Worte: "Nein, Olivia, ich bin nicht sauer!" von mir gab.

Seitdem sie mir erzählt hatten, dass ich einen Magensonde gelegt bekommen würde, hatte sie mich etwa hundertmal schon gefragt, ob ich sauer wäre und ob das auch wirklich okay für mich wäre. Olivia hatte ganz offensichtlich ein schlechtes Gewissen, obwohl sie doch gar nichts dafür konnte. Und selbst wenn es ihre Idee gewesen war, wollte sie mir damit doch nur gut. Soweit war ich mittlerweile, ich konnte endlich Hilfe zulassen und rastete nicht mehr komplett aus, nur weil mir jemand etwas Gutes tun wollte.

Der Karottenkopf neben mir schaute weiter unzufrieden drein.
Langsam tat sie mir wirklich Leid...Sie sollte aufhören zu denken dass ich sauer auf sie war und das sie mich zu etwas zwang was ich nicht wollte, denn das war nicht der Fall und das probierte ich ihr jetzt auch da zulegen: "Olivia! Hör mir mal zu," Fing ich mit ruhiger Stimme an. "Ich bin nicht böse, einfach weil ich weiß, dass es nur Vorteile für mich bringt! Weißt du eigentlich, welche Qual es für mich ist, etwas zu essen? Es ist ganz Furchtbar und der Gedanke daran, dass ich bald nichts mehr essen muss, löst einfach nur Vorfreude in mir aus! Ehrlich!" Sie sah mich tadelnd an: "Du wirst auch nach der Op noch schön weiter essen!..," Ihre Stimme wurde etwas sanfter. "Aber dann wird es nicht mehr so wichtig sein, dass du genug isst und musst nichts mehr in dich rein zwingen!" "Siehst du? Es hat nur Vorteile für mich! Es wäre doch komplett dumm, wenn ich deswegen Sauer wäre!" "Das Stimmt!" Gab sie nach einigen Sekunden zu. "Und ich muss keine Tabletten mehr schlucken!" Rief ich freudig aus. "Das stimmt auch!" Sie nickte.

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, bevor wir routinemäßig im Krankenhaus ankamen und ich vorbereitet wurde, was im Wesentlichen nur daraus bestand, dass ich mich umziehen musste und eine Schwester mir eine Beruhigungstablette reichte. Welche ich mittlerweile auch wirklich nötig hatte, denn meine Aufregung stieg bis ins Unermessliche. Danach durfte ich mich in ein Bett im OP-Vorbereitungsraum legen und meine normale Sauerstoffsonde wurde durch eine dicke High Flow Sauerstoffsonde ersetzt, die mir das Atmen wesentlich erleichterte. Auch konnte ich von Glück sprechen, dass Olivia und die dazugekommenen Arizona beide im OP-Vorbereitungsraum aufhalten durften.

"Guten Morgen! Aufgeregt meine kleine?" Fragte Arizona gut gelaunt, während sie sich den Arztkittel auszog und Olivia einen Kuss gab. Dann gab sie mir auch einen Kuss auf die Stirn, während ich antwortete: "Etwas, aber ich merke das ja hoffentlich nicht!" "Du merkst das auf keinen Fall!" Erklärte Arizona und Olivia fügte noch hinzu: "Keine Sorge, du bekommst gleich ein Mittel gespritzt, dann schläfst du und wenn du wieder wach wirst, ist alles schon wieder vorbei!" "Okay! Ich vertrau euch da mal!" Beide lächelten mich zuversichtlich an.

Eine Schwester kam und schob Olivia unsanft beiseite und gelangte so zu mir. Die mirrischrein schauende Frau legte eine Schale mit verschiedenen Utensilien auf mein Bett, dann zog sie mir mit einem genervten: "Achtung, ich lege ihnen jetzt einen Zugang!" das OP-Hemd bis zu meinen Brüsten herunter. Entgeistert schaute ich sie an, während sie mit zwei Fingern meinen Port suchte und anschließend eine Nadel in ihn steckte und mit Klebeband den herausstehenden Schlauch fixierte. Dann zog sie mir das OP-Hemd bis zum Hals hoch und zog mir eine Haube über meine Haare. Dann ging sie, ohne auch nur eine von uns eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ich sah fragend zu meinen beiden Müttern und die Rothaarige erklärte daraufhin mit leisem Ton: "Sie findet es übertrieben, dass wir hier bei dir sind! Außerdem ist sie im ganzen Altmodisch eingestellt, als sie erfahren hat das Air lesbisch ist hat sie den OP mit einer anderen Schwester getauscht, damit sie nicht mehr mit ihr arbeiten muss!" Ich sah geschockt zu Arizona die nur belustigt mit den Schultern zuckte und meinte: "Pass besser auf dich auf, nicht das ich dich noch anstecke!" Dann kitzelte sie mich ein bisschen am Bauch, sodass ich lachen musste. "Die Frau ist bescheuert!" Entgegnete, Olivia weniger glücklich. Worauf die Blonde nur unbegeistert meinte: "Lass dich von sowas nicht beeinflussen, die gab es doch schon immer..!"
"Du hast ja recht! Aber trotzdem darf man im heutigen Zeitalter etwas mehr Toleranz erwarten!"

Plötzlich kam Melton dazu und meine Anspannung von vorhin traf mich erneut, gleich würde es schließlich losgehen. Sie schenkte mir ein schmales Lächeln und begrüßte mich mit: "Na, aufgeregt Lilli?" Ich nickte langsam und meinte: "Etwas,ja!" "Brauchst du nicht! Du bist bei mir in sehr guten Händen! Ich könnte während der OP schlafen, so einfach ist es!" Begegnete sie bemüht, cool zu wirken. "Aber tust du hoffentlich nicht?" Fragte Olivia ironisch. Melton verzog als Antwort nur eine Grimasse in ihre Richtung, woraufhin Arizona und später auch Olivia lachen mussten.

"Kann es losgehen, Lilli? Ein paar letzte Worte ?" Ich antwortete nur mit der Aussage: "Ich habe euch lieb!" während ich zu meinen Müttern sah. Olivia würde gleich anfangen zu heulen das konnte ich ihr ansehen und vorher wollte ich gerne weg sein, damit ich das nicht ertragen musste.Sie hatte doch nun wirklich keinen Grund dazu zu weinen, wenn etwas schief laufen würde könnten sie mich schließlich immer noch verwandeln, was mir ebenso recht käme.

"Wir haben dich auch lieb!" Erklärte Arizona liebevoll und verdrehte dann die Augen, als sie sah, dass ihre Frau Tränen in den Augen hatte.

Dann löste Melton die Rollen meines Bettes und schob mich mit Hilfe der unfreundlichen Schwester in einen Raum, worauf in großen roten Buchstaben "OP-2" stand.  
Mein Herz raste, doch dann ging alles ganz schnell. Als ich herein geschoben wurde, war der Anästhesist schon da und stellte sich mit freundlich dreinschauenden Augen vor. "Ich bin Steve, dein Anästhesist, ich kenne deine beiden Mütter sehr gut!" Ich sah ihn nur mit großen Augen an, zu aufgeregt, um etwas zu sagen. "Ich habe schon so manche interessante Gespräche mit Arizona geführt während den zahlreichen Stunden, die wir zusammen im OP verbracht haben! Deine Mutter ist wirklich eine brillante Ärztin! "  Erzählte er mir.
Melton kam wieder herein, nun mit einer OP-Haube, einem blauen Mundschutz und erhobenen Händen. Eine Schwester zog ihr den bekannten OP-Kittel an, während sie fragte: "Kann es losgehen!" Steve antwortete: "Von mir aus, ja!" und Meltons Blick schweifte weiter zu mir. Mit einem kleinen Nicken bestätigte ich und atmete so weit es mir möglich war tief durch.

Steve richtete sich wieder an mich: "Also Lilli, die Schwestern schließen dich jetzt an diese Monitore an und dann gebe ich dir ein Mittel, wovon du einschläfst!"  Ich nickte erneut und ließ mir widerstandslos diese weißen Elektronenpflaster auf die Brust und Rippen kleben, die dann an einen Monitor angeschlossen wurden und meinen Herzschlag sowie Blutsauerstoff und andere Dinge über mich verrieten.
Dann trat Steve an mich heran und spritzte mir eine weiße Flüssigkeit durch den Zugang an meiner Brust. "Bis später! Süße Träume Lilli!" Meinte er noch und dann bekam ich nur noch am Rande mit, wie mir eine Schwester eine Maske mit Sauerstoff auf meinen Mund und Nase drückte.

Das Leben ist zu kurz, um es zu hassen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt