74. Kapitel

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Can't live without her ~ Rude (Magic!)

Emilia

Benjamin schrie. Es war ein Schrei, den ich nie vergessen würde. So voller Schmerz und
Verzweiflung. Ein Schrei, der mir weh tat. Ich drückte seine Hand, hoffte, damit das lindern zu können, was ihm weh tat. Ich kniff die Augen zusammen, als eine neue Welle an schrecklichen Gefühlen durch meinen Körper fuhr. Als ich sie wieder öffnete, glänzten Tränen in Benjamins
Augen. „Was ist denn los?“, fragte ich leise und nahm auch noch seine andere Hand. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Was hatte ihn in einer Nacht so aufwühlen können?

„Du kannst mit mir reden, okay? Wenn es dir hilft, darüber zu sprechen, rede mit mir“, flüsterte ich.
Nun wandte er mir sein Gesicht zu. Es tat mir mehr weh, als mein eigenes Herz, ihn weinen zu sehen. „Alles gut“, versuchte ich, ihn irgendwie zu beruhigen.
„Was ist de-“ Benjamin unterbrach mich,
indem er mein Gesicht in beide Hände nahm und mich küsste. Er küsste mich, als wäre es ein Kuss für immer. Ein Kuss, der mir versprechen sollte, dass wir zusammengehörten. Dass wir dazu bestimmt waren, zusammen zu sein. Ein Kuss, der nicht sanft, sondern so heftig war, dass mir die Luft wegblieb.

Ich spürte seine Tränen, die mir auf die Wangen tropften und sich in unseren Kuss mischten. Sie schmeckten salzig. Der Geschmack von seinen Tränen und von ihm zusammen war unglaublich. Ich erwiderte den Kuss genauso heftig wie er ihn begonnen hatte. Er vergrub seine eine Hand in meinen Haaren, mit der anderen zog er mich näher an sich. Ich ließ ihn. Nein, ich bestärkte ihn sogar, indem ich auf seinen Schoß kletterte. Wir küssten uns, als hinge die Rettung der Welt daran.

Nach einer Weile wurden unsere Küsse langsamer, zärtlicher. Und dann hörten sie ganz auf. Benjamin ließ sein Gesicht an meine Schulter sinken und schlang seine Arme um meine Mitte. Ich umarmte ihn ebenso. Seine Schultern bebten und ich spürte, wie sich seine Finger in meine Jacke krallten. Ich schwieg. Ich wusste, dass er von selbst anfangen würde zu erzählen, wenn er wollte. Und wenn er nicht wollte, dann war das auch in Ordnung. Ich würde ihn nicht zu einer Antwort drängen.

Stumm nahm ich den Schmerz wahr, der zur einen Hälfte von mir selbst und zur anderen Hälfte von jemand anderem stammte. Und ich hatte das Gefühl, dass sie von Benjamin kamen. Ich wusste nicht warum, was das zu bedeuten hatte. Doch ich würde mich hüten und jetzt damit anfangen, ihn zu fragen. Irgendwann hob Benjamin den Kopf und wischte sich über die geröteten Augen. „Danke“, sagte er und lächelte schief.
„Wofür?“
„Dafür, dass ich das eben durfte, dafür, dass du da bist und dafür, dass du nicht lachst.“

Ich runzelte die Stirn. „Warum sollte ich lachen?“
„Weil ich geweint habe?“ Es klang mehr wie eine Frage, als eine Aussage. Ich schüttelte vehement den Kopf. „Du spinnst doch. Wegen sowas lach ich nicht.“ Ich sah, dass es ihm ein kleines bisschen besser ging und wollte mich wieder neben ihn setzen, doch er hielt mich fest. Mir war das recht. Wenn ich ehrlich war, war es auf seinem Schoß ganz bequem.

„Ich … Es …“, setzte Benjamin an. „Du musst nichts sagen, wenn du nicht willst“, sagte ich und sah ihm in die Augen. Das Grün war so kräftig wie die Farbe von Gras.
„Nein. Ich will es dir sagen. Ich muss es dir sagen.“ Ich schwieg. Ich beschloss, kein einziges Wort zu sagen, bis er sich alles von der Seele geredet hatte.
„Es sind zwei Dinge. Aber sie hängen zusammen.“
Ich nickte.

„Also. Hast du schon mal was von Seelenverwandtschaft gehört?“, fragte
er mich. Wieder nickte ich.
„Okay. Du und ich sind es. Wir sind
Seelenverwandte. Unsere Eltern sind es auch und Marie und Tristan, Sophia und Su ebenfalls. Die Herzen von Seelenverwandten schlagen exakt gleich. Immer. Und nach dem ersten Kuss fühlen sie die stärksten Gefühle des anderen. Sie sind nun verbunden. Manchmal geht die Gedankenklappe automatisch auf und sie schicken sich unbewusst Gedanken. Doch die eigentliche Funktion einer Verbindung ist eine viel bedeutsamere. Wenn die eine Person stirbt, sterben beide. Ihre Leben sind aneinandergebunden, wie mit einem Seil, das undurchtrennbar ist.“

Ich konnte ihn nur anstarren. Seelenverwandt? Dann war es wirklich sein Herz, das schmerzte! Wenn ich ganz ehrlich war, fand ich die Tatsache, dass wir anscheinend dazu bestimmt waren, zusammen zu sein, gar nicht schlimm.
„Aber warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich hätte das wissen sollen, bevor wir uns das erste Mal geküsst haben“, sagte ich. Das war die einzige Sache, die mich störte. Wenn auch nur wenig.

„Ich wusste bis zu dem Kuss nicht mal, dass wir Seelenverwandte sind. Das war es, was ich herausfinden wollte. Aber dann waren wir plötzlich verbunden. Danach hatte ich Angst, dass du dich von mir entfernst, wenn ich dir die Wahrheit sage, weil du denkst, dass ich nur wegen der Verbindung mit dir zusammen sein will.“ Benjamin war es sichtlich unangenehm, dies zuzugeben. „Nein, ich finde es irgendwie sogar cool. Also bis auf die Tatsache, dass ich sterbe, wenn du stirbst. Bring dich ja nicht in Gefahr, hörst du!“, meinte ich mit einem kleinen Lächeln im Gesicht.

Benjamin wurde im Gegenzug wieder erst. Und zwar so richtig ernst. Jede positive Emotion verschwand aus seinem Gesicht. „Was ist die zweite Sache?“, fragte ich misstrauisch. Ich hatte das Gefühl, dass es damit zusammenhing. Er schluckte sichtlich, bevor er so leise sprach, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Ich habe das Rätsel gelöst.“ Meine Augen weiteten sich. „Du hast was?! Das ist doch gut! Was bedeutet es denn?“ Er schüttelte mit
zusammengepressten Lippen den Kopf. „Emmi, das ist nicht gut. Das ist ganz und gar nicht gut.“

Ich runzelte verwirrt die Stirn. Benjamin sah verzweifelt aus. Es war die Verzweiflung, die ich gespürt hatte und immer noch spürte. „Das Rätsel ging so: Wenn das Gleichgewicht verschwindet und ihr was zurückbleibt findet, nimmt der Tod zweier, wenn’s geschafft, nur einer Seite Lebenskraft. Ihr könnt retten, was ihr liebt, wenn am Ende beides liegt und das Mittel, das ihr fandet, in dessen Magen landet. So weit, so gut. Mir wäre niemals in den Sinn gekommen, was es bedeutet, wenn du nicht gestern Abend gesagt hättest, dass du schon nicht tot am Boden liegen würdest.“

Er sah auf den Boden als er weitersprach. „Das Rätsel bedeutet so viel wie: Wenn Xenia stirbt, stirbst du mit ihr. Wenn du Xenia umbringst, bringst du dich damit selbst um. Und damit… auch mich.“ Es war, als würde mein Gehirn sich weigern, zu realisieren, was Benjamin gesagt hatte. „Was?“
Jetzt sah er mich wieder an. Die Tränen waren zurückgekehrt. „Du wirst sterben! Du wirst sterben, wenn du alle rettest. Wenn du Xenia stoppst, indem du sie tötest, stirbst du!“

Und dann sickerte die Erkenntnis zu mir durch. Benjamin hatte recht. Es ergab zu viel Sinn um falsch zu sein. Die ganze Kraft schien aus meinem Körper zu weichen und ich setzte mich stumm neben Benjamin auf den Boden.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt