49. Kapitel

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Spend the days dreaming and the nights awake ~ Pierre (Ryn Weaver)

Emilia

Es war lustig, zu dritt mitten in der Nacht einen Kuchen zu backen. Benjamin war richtig, richtig nett und lächelte fast ununterbrochen, was sich auf mich übertrug. Irgendwann, als der Teig im Ofen war, fing Enya an zu gähnen. „Müde?“, fragte ich. Sie nickte und gähnte schon wieder.
„Dann geh ins Bett. Emmi und ich passen auf, dass nichts passiert und morgen früh bist du die erste, die den Kuchen sehen darf, einverstanden?“, meinte Benjamin. Warum war er sich so sicher, dass ich mit ihm aufpassen würde? Hatte ich das gesagt?

Enya überlegte kurz, doch als sie ein weiteres Mal den Mund aufriss um zu gähnen, stimmte sie zu. „Okay, aber ich bringe ihn Venia.“ Benjamin nickte und nahm sie an der Hand, bevor er mit ihr die Küche verließ, um seine Schwester ins Bett zu bringen. Ich setzte mich auf den Boden vor den Ofen. Ich glaube, er war kalt, aber ich wärmte mich so schnell, dass ich nichts davon spürte.

Benjamin hatte recht gehabt. Ich würde warten, bis der Kuchen fertig war. Allein aus dem Grund, dass ich mich nicht sicher fühlte, wenn mitten in der Nacht ein Ofen an war und ich ihn nicht sehen konnte. Der Gedanke brachte mich dazu, an meine brennende Hand zu denken. Ich wollte das Feuer nicht beherrschen. Ich wollte es besiegen. Ich wollte keine Menschen, Aniral, Pflanzen oder Tiere verbrennen. Ich wollte sie heilen und von ihrem Elend befreien. Nicht ohne Grund war Wasser mein Lieblingselement.

Aber es war auch das einzige, von dem es mir körperlich schlecht ging. Das Element Erde war irgendwie langweilig, ich meine, außer Hügel auftürmen konnte ich damit nichts anfangen. Dass es Leben retten würde, war mehr als unwahrscheinlich. Wind war etwas spannender. Mit ihm konnte ich Benjamin ärgern. Allerdings brachte er mich manchmal in
Schwierigkeiten und war dezent nervig. Und Feuer … Feuer war heiß, verbrannte und vernichtete.

Nachdem ich noch ungefähr zehn Minuten über die Elemente und ihre Funktionen nachgedacht hatte, hörte ich, dass Benjamin zurückkam. Als er in die Küche kam, drehte ich mich zu ihm um und sah, dass er lächelte. Warum lächelte er heute Nacht so viel? Schweigend setzte er sich neben mich. Ich sagte kein Wort.

Als ich auf die Zeit schaute, erkannte ich, dass der Kuchen noch zwanzig Minuten backen musste. Wenn wir uns die ganze Zeit anschwiegen, würden das ziemlich lange zwanzig Minuten werden. „Wenn du dir ein Tier aussuchen könntest“, sprach Benjamin plötzlich, „welches würdest du sein?“ Überrascht sah ich ihn an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte ich.

„Morgen sollst du lernen, dein Seelentier zu rufen“, meinte er und sah mich weiter aufmerksam an.
„Okay“, sagte ich gedehnt. „Ich glaube, ich wäre ein Löwe.“ Jetzt war er es, der überrascht aussah. „Ein Löwe? Warum?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Löwen sind mutig und stark. Und sie lassen ihre Familie niemals im Stich.“ Benjamin sah mich an, als erwartete er, dass ich noch etwas hinzufügte. Also sagte ich etwas leiser: „Wenn ich ein Löwe wäre, würden meine Eltern automatisch auch Löwen sein. Sie würden ihr Kind nicht im Stich lassen.“

Wir schwiegen. „Was ist passiert?“, fragte er dann. Sollte ich es ihm sagen? Aber wenn ja, was genau sollte ich ihm sagen? „Ich weiß es nicht. Ich kenne meine Eltern nicht. Weder ihre Namen, noch ihre Adresse oder irgendetwas anderes. Es ist, als gäbe es sie nicht“, meinte ich schließlich.
„Das tut mir leid“, war seine Antwort.
Ich zögerte kurz, doch dann schob ich hinterher: "Es ist nicht so, dass ich sie vermisse, ich meine, ich kenne sie nicht. Aber irgendwie fühlt es sich trotzdem so an, als würde etwas fehlen."

Als zwanzig Minuten später der Wecker klingelte und uns das Zeichen gab, dass wir den Kuchen herausholen konnten, nahm Benjamin die Ofenhandschuhe
und zog sie an. Ich stand auf und trat ein paar Schritte zur Seite. Nachdem der Kuchen auf der Anrichte stand, zog er sich die Handschuhe wieder aus. „Der sieht gar nicht mal so schlecht aus“, sagte ich, während ich den Kuchen betrachtete.
„Das stimmt. Aber ich habe ja auch
mitgeholfen.“

Ich verdrehte die Augen. „Du hast Milch in einen elektronischen Mixer gekippt.“
„Ja eben. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe. Was da alles schiefgehen kann!“
„Du hast recht. Es wäre ein Jammer, wenn etwas daneben gelaufen wäre.“ Jetzt musste ich grinsen.
„Ich glaube, Enya mag dich“, sagte er plötzlich. Ich legte leicht verwundert den Kopf schief. Seine Themenwechsel waren heute ziemlich rasant.

„Sie hat nicht viele Freunde und ist oft alleine. Ich glaube, es tut ihr gut, dass du da bist.“
Ich lächelte. Gerade, als ich etwas antworten wollte, hörte ich eine Stimme.

„Was macht ihr denn hier? Es ist nach Mitternacht! Und … Ist das etwa Kuchen?!“
Erschrocken drehte ich mich zu der Stimme um und erstarrte. Die Königin stand in der Tür. „Sorry, Mama“, entschuldigte sich Benjamin. „Enya wollte unbedingt für Venia einen
Kuchen backen und Emilia hat uns dabei geholfen.“

Es war irgendwie komisch, aus seinem Mund meinen richtigen Namen zu hören. Und aus einem unerfindlichen Grund wollte ich auch gar nicht mehr, dass er mich Emilia nannte. Ich musste schon seit einer ganzen Weile bei Emmi nicht mehr an meine Eltern denken, sondern dachte an ihn. Und das fand ich irgendwie überhaupt nicht schlimm. Benjamin gab es im Gegensatz zu meinen Eltern wenigstens.

„Aha. Und wo ist deine Schwester jetzt?“, fragte die Königin.
„Im Bett. Sie war zu müde und ich habe sie vor zwanzig Minuten nach oben gebracht“, antwortete er ihr.
„Danke. Seit ihr hier fertig, oder habt ihr noch was vor? Ich würde nämlich liebend gerne wieder ins Bett gehen und ich würde es gutheißen, wenn ihr das auch tun würdet.“ Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatte.

Kurz sah ich zu Benjamin rüber, dann sagte ich: „Wir sind fertig. Schlafen Sie gut. Du auch, Benjamin. Gute Nacht. Ich glaube, ich gehe dann mal. Nochmal gute Nacht.“ Mit diesen Worten lief ich aus der Küche und hätte mir am liebsten die Hand vor die Stirn geschlagen. Ich hatte so einen Blödsinn gesprochen. Ich war überfordert mit der Situation gewesen, da ich keine Ahnung hatte, wie man mit einer verdammten Königin sprach.

Hoffentlich lernten die Kinder das hier in Konzulesian. Obwohl … Wenn ich in England leben würde, wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit
dem König reden würde? Eben. Unglaublich gering. Warum also sollten die Kinder lernen, mit der Königin zu sprechen, wenn sie sie ohnehin nie ansprechen mussten?

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt