51. Kapitel

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What am I gonna do? ~ I Should Have Kissed You (One Direction)

„Streicheln? Das ist ein Himmelfahrtskommando! Nie im Leben!"
„Sag niemals nie und jetzt komm rüber. Ich verspreche dir, dass er nichts machen wird. Trau dich."
Skeptisch blickte ich den Löwen an. Es kam mir fast so vor als würde er grinsen. Eigentlich sah er gar nicht
bedrohlich aus, wenn man ihn länger so betrachtete. Trotzdem war ich nicht ganz ohne Furcht ... äh Respekt.

So langsam und leise wie möglich schlich ich zu ihm. Meine Augen behielten Mika im Blick und starrten ihn an. Ich lief einen kleinen Bogen um ihn und stellte mich neben Benjamin. Er würde mich bestimmt nicht angreifen, wenn ich neben seinem - was war Benjamin für ihn? - Herrchen stand. Oder? Ich zögerte. Was, wenn er mir die Finger abbiss? Ich wollte meine Finger nicht verlieren.

Auf einmal nahm Benjamin meine Hand. Ein Stromschlag schoss durch meinen Körper und augenblicklich sah ich ihn an. Er lächelte aufmunternd, bevor er meine Hand in Richtung des Löwen führte. Aus Reflex wollte ich zurückzucken, doch er verhinderte
das. Kurz darauf berührten meine Finger das weiche Fell von Mika. Krass! Ich streichelte einen Löwen! Benjamin legte seine Hand über meine und lenkte sie damit Mikas Hals entlang. Es war
ein unbeschreibliches Gefühl. Ich war voller Adrenalin. Meine Hand prickelte und mein Herz schlug unglaublich schnell.

Und plötzlich fing Mika an zu schnurren. Ich lachte leise.
„Er mag dich", flüsterte Benjamin erschreckend nah an meinem Ohr. Ich lächelte und merkte, dass meine Angst - ja, okay ich hatte Angst - langsam aber sicher verschwand. Es war gar nicht so schlimm und Mika würde mir auch nicht die Finger oder sonst irgendetwas abbeißen. Da war ich mir nun sicher.

Benjamin merkte es nun ebenfalls und ließ meine Hand los. Schade, dachte ich. Es war ein so schönes Gefühl. Ich wurde etwas mutiger und nahm die zweite Hand dazu. Der Kopf des Löwen, umgeben von seiner dichten Mähne, war ungefähr doppelt so groß wie mein eigener. „Gar nicht schlimm, oder?", fragte Benjamin hinter mir. Ich schüttelte den Kopf. „Nein! Überhaupt nicht. Entschuldigung, dass ich so ein Drama gemacht habe, aber sorry, wer würde an meiner Stelle nicht genauso reagieren? Und wow, ich habe mich gerade zwei Mal in einem Satz entschuldigt." Ich lachte kurz.

„Du hättest mich mal sehen sollen, als ich Mika das erste Mal getroffen habe! Ich habe mir in die Hosen gemacht! Ich war aber auch erst drei Jahre alt, also glaube ich, dass ich das durfte", gestand er. Ich drehte mich grinsend zu ihm um. „Ehrlich jetzt?"
„Jap, ich stand vollgepinkelt im Wald und hab geheult. Mein bester Freund stand daneben und hat gelacht." Jetzt
prustete ich los. Mein Kopfkino war einfach zu lustig. Obwohl Benjamin versuchte, sein Grinsen zu unterdrücken, gelang es ihm nicht ganz.

Mika knurrte irgendwas.
„Sag mal, bist du noch ganz dicht? Garantiert nicht! Und schon gar nicht jetzt!", rief Benjamin entsetzt. Fast war es, als verdrehte der Löwe die Augen, als er erneut knurrte.
„Ich bin mir da nicht sicher! Und selbst wenn es so wäre, würde es mich zu nichts zwingen! Ich weiß, es ist so vorgesehen, aber ..." Mika unterbrach ihn mit einem Grölen.
„Nein, tu ich nicht! Und ja, mach ich schon noch, aber nicht jetzt."
Nachdem Benjamin geantwortet hatte, drehte sich Mika schnaubend um und stolzierte davon.

„Bis bald, du Nervensäge!", rief Benjamin ihm noch hinterher, dann verschwand der Löwe im Wald. Er wandte sich zu mir. „So, jetzt bist du dran."
Noch etwas verwirrt von dem Gespräch gerade eben, nickte ich. Über was hatten sie gesprochen? Was wollte Benjamin noch machen? Und was wollte er nicht tun? Ich blickte da nicht durch.

„Was soll ich tun?", fragte ich. „Schließe die Augen und spüre deine Umgebung und die Tiere. Mehr kann ich dir nicht sagen. Du wirst es merken, wenn du dein Seelentier gefunden hast", antwortete er nur.
„Das ist alles? Was soll ich denn damit anfangen? Geht es vielleicht ein winziges bisschen konkreter?" Benjamin schüttelte den Kopf und setzte sich ins Gras. Augenverdrehend ließ ich mich vor ihm nieder. „Mach einfach", meinte er.

„Also schön. Wenn es nicht funktioniert, ist es deine Schuld. Ich bin mir sicher, man könnte konkreter sein."

Ich schloss die Augen. Mal wieder. Wie oft ich das in den letzten Wochen getan
hatte, war schon fast gruselig. Also, ich sollte meine Umgebung spüren. Und die Tiere. Wie stellte man das an? Intuitiv legte ich meine Hände auf die Erde. Sie konnte ich dank meiner Kräfte
fühlen. Aber ich glaubte kaum, dass Benjamin das gemeint hatte. Er musste es schließlich auch gekonnt haben. Also konzentrierte ich mich nicht auf das Gefühl, die Erde zu spüren, sondern
nur auf meine Hände, die den Waldboden berührten.

Und plötzlich nahm ich alles viel bewusster war. Die Geräusche der Tiere und des Windes, das Rascheln der Blätter und die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich spürte meine Umgebung und ihre Tiere mit Haut und Haar. Und ganz tief in meinem Inneren war ein Gefühl, wie nach Hause zu kommen.

Ich wusste, dass das mein
Seelentier sein musste. Ich wusste nur nicht, was es war. Also fokussierte ich mich darauf. Ich streckte imaginäre Finger danach aus und zog es an mich. Dann flüsterte ich ihm zu, dass es zu mir kommen sollte. Es war wie ein Reflex, dies zu tun. Ich konnte nicht erklären, woher ich es wusste.

Langsam öffnete ich meine Augen. Benjamin sah mich grinsend an und hob den Daumen. Gerade als ich ihn fragen wollte, ob es funktioniert hatte, sah ich, dass hinter Benjamin ein kleines rotes Tier angezischt kam. Es war ein kleines Eichhörnchen. „Hallo, hallo! Ich bin hier!", fiepte es und starrte mich an. Sofort fühlte ich eine tiefe Verbundenheit zu ihm.
„Hi, wie heißt du?", fragte ich.
„Elyra. Und du?"
„Emilia."

„Ich bin so froh, dass ich dich endlich
gefunden habe, Emilia! Alle meine Freunde haben ihre Seelenaniral schon und haben mich damit genervt, weil ich die einzige ohne jemanden war. Aber jetzt hab ich dich", meinte sie und kletterte auf meinen Schoß.
Fassungslos sah ich das Tier an und schüttelte den Kopf, um die Absurdität dieser Szene abzuschütteln, bevor ich ihm antwortete.

„Ich war in der Menschenwelt. Ich konnte dich nicht früher suchen", entschuldigte ich mich bei ihr.
„Macht doch nichts. Aber warum warst du in der Menschenwelt? Und was macht eigentlich der Prinz hier? Muss er nicht ein paar Puddingvorräte für seine Schwester anlegen?"
Ich lachte. „Nee, er hilft mir, unbesiegbar zu werden, aber du hast recht, er sollte Puddingvorräte anlegen."
Und dann erzählte ich ihr meine ganze Geschichte.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt