5. Kapitel

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This is crazy ~ Call me maybe (Carly Rae Jepsen)

Kurz darauf hörte ich Stimmen. Es waren zwei Männer und sie unterhielten sich leise miteinander.
„Ist das deren Ernst? Die brauchen alle 13 Küchenhilfen, um die Familie zu bedienen?“, sagte einer ungläubig. Der andere antwortete: „Sieht wohl so aus. Sie war aber wirklich nicht gut, und außerdem hat sie Prinz Benjamin eine ganze Puddingschüssel über den Kopf gekippt.“

Der erste Mann lachte. „Ja, das
stimmt. Aber sie brauchen vermutlich trotzdem einen Ersatz. Am besten noch vor dem Morgen.“
Die Männer schwiegen. Kurz darauf rief der zweite dem ersten zu: „Alles okay! Der Wagen kann durch!“
Fast augenblicklich setzte sich der Anhänger wieder in Bewegung und ich atmete auf. Offensichtlich hatten sie mich nicht bemerkt.

Ich tuckerte noch ein paar Minuten weiter, dann stoppte der Wagen erneut. Ich hörte Schritte und dann ruckelte es kurz, ehe er sich wieder in Bewegung setzte. Vorsichtig schaute ich um meinen Sack und erstarrte. Am Ende des Wagens, kaum zwei Meter von mir entfernt, saß ein Junge. Er musste ungefähr in meinem Alter sein. Vielleicht ein oder zwei Jahre älter.

Er ließ die Beine herabbaumeln und schien sich keine Gedanken darum zu machen, entdeckt zu werden. Ganz im Gegensatz zu mir. Schnell zog ich
den Kopf wieder zurück und starrte mit klopfendem Herzen auf den Kartoffelsack vor mir. Der Junge hatte breite Schultern gehabt und ein dunkelblaues T-Shirt an, so viel konnte ich selbst im Dunkeln erkennen.

Als der Wagen erneut anhielt, spürte ich, wie der Junge absprang, und hörte dann, wie er sich entfernte. Langsam lehnte ich mich zur Seite und sah ihn davonlaufen. Kurz bevor er durch eine Seitentür verschwand, drehte er sich noch einmal um und schaute einen Meter an mir vorbei. Ich erschrak. Ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht bemerkte.

Während ich mich nicht bewegte, betrachtete ich sein Gesicht. Er hatte kurze, schwarze Haare und ein ovales Gesicht. Er besaß außerdem, soweit ich
das von meiner Position sehen konnte, eine gerade Nase. Seinen Mund hatte er zu einem leichten Lächeln verzogen. Kurzum, er sah gut aus. Verdammt gut sogar. Seine Augenfarbe konnte ich in
der Dunkelheit leider nicht erkennen, aber aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, dass sie schön war.

Der Unbekannte drehte sich um und verschwand im Schloss.
Das Schloss! Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich auf dem großen Schlosshof befand. Da schwirrte plötzlich die Lichtkugel vor mir. Ich hatte sie während der letzten Minuten Fahrt nicht gesehen, doch jetzt wirkte sie, als hätte sie es eilig. „Los, komm. Folge mir und beeil dich.“

Ich krabbelte hinter dem Kartoffelsack hervor und über die Ladefläche. Dann sprang ich herunter und rannte hinter dem Licht zu der gleichen Seitentür, durch die vorher der Junge gegangen war. Dort bedeutete sie mir die Tür zu öffnen und ich stieß sie auf. Drinnen brannte kein einziges Licht, als ich eintrat, doch sobald die Kugel hineingewitscht war, erkannte ich, dass wir uns in einer Küche befanden.

Sie war riesig und ich sah mindestens vier Öfen und sieben Wasserhähne. Die Tür war hinter mir ins Schloss gefallen und so schlich ich hinter der Lichtkugel her. Als ich aus der Küche raus war, stand ich in einem langen Flur. Die Fliesen auf dem Boden waren glasklar und an den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Wappen.

Wir folgten dem Gang, bis wir vor einer Tür standen mit der Aufschrift: Küchenhilfe gesucht.
Die Kugel drehte sich zu mir um und flüsterte: „Ich nehme an, dass du kein Zuhause hier hast, oder? So orientierungslos wie du vor dich hin redest.“
Ich nickte verwundert, auch wenn ich immer noch nicht wusste, wo hier war.

„Gut. Du kannst ein Zuhause haben.“
„Und wo?“, fragte ich und statt einer
Antwort flog die Kugel zu dem „Küchenhilfe gesucht“-Schild. Jetzt verstand ich es. „Du meinst, dass ich hier im Schloss in der Küche arbeiten kann? Und dann hier schlafen könnte?“ Sie nickte und ich stimmte nach weniger Überlegung kurzentschlossen zu. Vor Morgen würde ich ohnehin nicht nach Hause kommen.

Bevor ich die Tür aufmachte, zog ich mir meine Mütze, die ich die ganze Zeit über getragen hatte, tiefer ins Gesicht und überprüfte mit meinem kleinen Spiegel, der in meiner Hosentasche war, meine Augen. Die Kontaktlinsen waren zum Glück nicht verschoben und so steckte ich ihn wieder ein und machte mit klopfendem Herzen die Tür auf.

Der Raum war hell erleuchtet und in der Mitte stand ein Schreibtisch mit allem möglichen Krimskrams. Die Frau, die dahinter saß, war ungefähr Mitte vierzig und hatte kurze blonde Haare. Außerdem war sie recht schlank und hatte ein rundes Gesicht. Die Frau sah auf und als sie mich sah, lächelte sie.

Ich räusperte mich. „Ähm, ich komme hierher, weil ich mich gerne für die Küchenstelle bewerben möchte.“ Sie nickte und schaute mich weiter erwartungsvoll an.
Ich wusste nicht, was sie noch hören wollte und blickte hilfesuchend zu der Lichtkugel, die hinter mir in den Raum gehuscht war. Diese sagte nun seufzend: „Du bist wirklich nicht die Hellste. Du musst deinen Namen sagen und dann, warum du den Job haben willst.“

Ich schlug mir innerlich mit der flachen Hand gegen die Stirn. So bescheuert konnte auch nur ich sein. Schnell schob ich hinterher: „Ich bin Emilia Wachs und ich möchte den Arbeitsplatz haben, weil ich vorerst nicht nach Hause kann und außerdem gerne Geld verdienen
möchte.“ Das war immerhin die halbe Wahrheit. Dass ich keine Ahnung hatte, wo ich war und wie ich hier wieder wegkam, verschwieg ich lieber.

Die Frau schaute mich eine Weile mit ihren eisblauen Augen an. Gerade, als ich anfing mich unwohl zu fühlen und überlegte, ob ich mich nicht ganz langsam zurückziehen sollte, antwortete die Frau doch noch. „Herzlich Willkommen in der Küchenmannschaft. Ich bin übrigens Silke und manage die Angestellten. Gleich kommt jemand und bringt dich zu deinem Zimmer.“

Ich stutzte. Ging das so leicht? Ich hatte ja kaum etwas gesagt und schon war
ich Angestellte in einem Schloss. Musste ich nicht erst ein Vorstellungsgespräch oder so führen? Silke machte eine Handbewegung, die deutlich machte, dass ich das Zimmer verlassen sollte. Ich verabschiedete mich mit einem kurzen: „Tschüss, und danke“, dann drehte ich mich um und zog die Tür hinter mir ins Schloss.

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